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BMW i5 Touring: Bestnote

In der Schule will in der Regel niemand einen Fünfer. Also, die Note. Zugegebenermaßen ist bei mehr oder weniger pubertären Autofans auch der gute alte 3er BMW samt Tuninganbauten beliebter als der gediegene 5er. Aber als Erwachsener kann man sich dem Charme des Münchner Familienfreunds nicht entziehen. Schon gar nicht, wenn es sich um den Touring handelt. Auch auf Strom gebügelt will der BMW i5 Touring weiterhin Bestnoten einfahren.

Fotos: Daniel Kraus/BMW

Es geht nicht nur um Platz und Variabilität beim 5er, wenn auch beides massig vorhanden ist. Es geht darum, dass kein anderes Fahrzeug in diesem Segment diese Vorzüge so gekonnt mit knackigem Fahrverhalten und luxuriösem Ambiente vereint. Egal ob Vollgasfanatiker oder Alltagstauglichkeitsfetischist: Es gibt kaum jemanden, der nicht gerne Platz am Steuer des großformatigen Bayern nimmt. Unter der Haube vertraut BMW traditionell auf souveräne Verbrenner, gerne mit sechs Töpfen für besonders geschmeidige Fortbewegung. Für ebenjene eignet sich aber eigentlich nichts so perfekt wie ein Elektroantrieb. Deshalb ergibt der i5 auch richtig Sinn. Wie schon bei diversen anderen E-Modellen aus München steht er auf der gleichen Basis wie der neue 5er und ist optisch kaum zu unterscheiden. Gut so.

Denn am 5er muss man nichts verschlimmbessern, nur weil es eine neue Antriebsphilosophie gibt. Deshalb fühlen wir uns in den i5 Touring eDrive 40 und M60 xDrive, die in Garching zur Testfahrt bereitstehen, auch auf Anhieb wohl. Alles präsentiert sich, wie man es vom 5er erwartet. Nur, dass beide Modelle so kraftvoll ansprechen und so leise unterwegs sind wie noch nie zuvor – und das steht diesem Auto ziemlich gut zu Gesicht. Behäbig hat sich der Kombi zwar trotz rund 5 Metern Länge noch nie angefühlt, aber mit den 430 Nm Drehmoment des heckgetriebenen Einsteiger-Elektrikers i5 eDrive 40 kommen bei den Verbrennern nur die Topmodelle mit. Aber selbst schauen beim stehenden Start ausnahmslos in die Röhre. Der M60 xDrive mit Allrad setzt mit 820 Nm Drehmoment konkurrenzlos einen drauf und rast dank 601 PS in nur 3,9 Sekunden auf 100 km/h. Damit hängt er seinen schwächeren Kollegen und dessen 340 PS, der in immer noch flotten 6,1 Sekunden auf Landstraßentempo kommt, locker ab. Das gilt auch für die Höchstgeschwindigkeit. Auf der Autobahn in Deutschland zieht die Basismotorisierung bei 195 km/h den Stecker, der Obermotz darf laut Tacho bis 235 km/h auslaufen. Im Alltag sollte man sich damit aber sowieso nicht andauernd befassen.

Denn dann verbannt man die 560 (eDrive 40) und 506 (M60 xDrive) Kilometer maximale Reichweite endgültig ins Reich der Fabeln. Dass die im realen Überlandbetrieb ohnehin nicht halten, gehört bei E-Autos sowieso längst zur guten Sitte. Aber bei unseren Testrunden zeichnet sich zumindest eine solide Reichweite rund um die 400 Kilometer ab – inklusive Bleifuß auf der Autobahn und beherzten Gasstößen auf der Landstraße. Mit etwas Entspannung geht da also noch mehr. Jenseits all der vielen Zahlen ergötzen sich die Insassen, vor allem aber der Fahrer, an einem edlen Interieur, das auch ganz ohne Aufpreis schon sehr schmuck – und komplett vegan – anmutet. Mit allen Kreuzerln darf es dann noch ein bisschen Kristallglasschalter hier und noch mehr Leder da sein. Dank der großen Bildschirme und dem dynamisch anpassbaren Lichtschauspiel am Armaturenbrett kommt der i5 Touring auch angemessen modern rüber, spielt alle digitalen Gustostückerln und der Sprachassistent ist immer noch einer der besten am Markt.

Ganz fein, aber in Österreich noch nicht zugelassen, ist der Driving Assistant Plus. In Deutschland hat man von der Regierung schon eine Sondererlaubnis bekommen und daher können wir das Feature vor Ort bereits ausprobieren. Es handelt sich hierbei um ein umfassendes Assistenzsystem, das auf der Autobahn dem Fahrer gestattet, die Hände in den Schoß zu legen und sogar Spurwechsel komplett dem Auto zu überlassen. Erkennt das Auto entweder eine Überholmöglichkeit oder genügend Platz auf einer der rechteren Spuren, fragt es mit einem dezenten Ton nach und dann muss man lediglich in den entsprechenden Seitenspiegel blicken, quasi als Bestätigung, dass der Spurwechsel vom Fahrer approved ist. Den Rest erledigt der i5 Touring komplett eigenständig, währenddessen kann man gerne Nasenbohren, rhythmisch klatschen oder Däumchendrehen. Nur der Blick muss auf die Straße gerichtet bleiben, sonst beschwert sich der BMW nach einigen Sekunden. Das Ganze funktioniert wirklich ausgezeichnet, sogar auf einem vielbefahrenen Autobahnkreuz fädelt das Auto sich ruhig und gekonnt durch den Verkehr und landet schlussendlich verlässlich dort, wo das Navi hinmöchte. Bleibt nur zu hoffen, dass BMW schon bald überall den Driving Assistant Plus anbieten darf. Denn so macht autonomes Fahren Sinn, Spaß und weckt Vertrauen.

Wer das Lenkrad selbst in der Hand behält, wird mit einem knackigen Fahrverhalten und vor allem natürlich im M60 bei liberaler Gaspedalbetätigung mit einer ordentlichen Endorphinausschüttung belohnt. Natürlich ist der i5 Touring kein Sportwagen, trotz seiner vielen Pferdestärken. Aber ihn zackig zu bewegen, macht dennoch Spaß – das bleibt bei BMW auch bei den Stromern Pflicht. Auf der Langstrecke hingegen genießen alle Insassen besten Komfort und es scheint keine Tour zu weit zu sein. Alles in allem hat sich der 5er auch als i5 wieder einmal Bestnoten verdient. Mit einem Einstiegspreis von 71.952 Euro und einem Plus von satten 40.000 Euro für das Topmodell darf man allerdings auch nichts Geringeres erwarten. Wer wirklich alle Kreuzerln überall setzt, blecht rund 130.000 Euro. Spätestens das ist schon echtes Luxus-Territorium und hat mit der vielzitierten oberen Mittelklasse längst nichts mehr zu tun. Diesen Anspruch hält der i5 Touring dafür aber auch.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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