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Ford Mustang: Modern Motown

Summ, summ, summ – aktuell gibt zwar der Elektropop in den automobilen Hitparaden den Ton vor, jeder Verbrenner-Sound steht auf dem Index und das Bollern von V8-Motoren läuft nur noch bei den Oldies. Doch aus Detroit kommt jetzt noch einmal ein hitverdächtiger Chartstürmer im klassischen Motown-Rhythmus: Denn Ford holt mit reichlich Verspätung nun endlich auch die siebte Generation des Mustang über den Atlantik und will dabei nichts wissen vom politisch-korrekten Elektro-Gesummse.

Fotos: Hersteller

Sondern wenn der meistverkaufte Sportwagen der Welt in diesem Sommer zu Preisen ab 86.513,35 Euro an den Start geht, ist dabei nicht nur keine Rede von einem Elektroantrieb oder einem Hybriden, und nicht mal von einem 48 Volt-System. Sondern selbst der halbwegs zeitgemäße Vierzylinder-EcoBoost-Motor bleibt dabei auf der Strecke.

Frei nach dem Motto „Wenn schon Mustang, dann richtig Old School“ kommen die Amerikaner stattdessen noch einmal mit Heavy Metal und haben sich dafür des fünf Liter großen Achtzylinders aus dem Vorgängers angenommen. Dank einer neuen Luftführung, doppelten Drosselklappen und viel Feinschliff mag der V8 vielleicht auch ein bisschen sparsamer geworden sein. Aber vor allem ist er kräftiger und gieriger geworden. 

Doch so richtig wichtig ist weder das eine, noch das andere. Sondern was wirklich zählt, das sind der Sound und der hemdsärmelige Charakter. Roh, grobschlächtig und ungeheuer gutmütig hämmert der Achtzylinder schon in der Basisversion seine 446 und 540 Nm auf die Hinterachse und wer es etwas filigraner mag, dem baut Ford auch ein Dark Horse mit zwar nur marginal mehr Leistung und Drehmoment, dafür aber mehr Finesse im Fahrwerk und den Regelsystemen, so dass am Ende 5,2 statt 5,6 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h im Datenblatt stehen und die 250 Sachen Top-Speed einen Hauch schneller erreicht sind. 

Zum optimierten Kraftpaket gibt es wie bisher eine Zehnstufen-Automatik oder für Freunde der Handarbeit als weiteren Anachronismus ein sechsstufiges Schaltgetriebe, das so kurz und knackig ist, dass Handarbeit endlich mal wieder ein Höchstmaß an Befriedigung bringt.  Und natürlich haben die Amerikaner auch wieder bis zu einem halben Dutzend Fahrprofile programmiert, mit denen der Mustang auf Knopfdruck seinen Charakter ändert. Außerdem gibt es auf Wunsch ein adaptives Fahrwerk für brettharte Rennrunden und das komfortable Cruisen auf dem Highway.

Aber selbst wenn der Mustang über die Jahre immer präziser geworden ist und längst nicht mehr nur auf der Geraden taugt, will dieses Auto kein Rennwagen sein und sträubt sich gegen die Rundstrecke. Was dem Wildpferd die Prärie, das ist diesem Mustang die Landstraße, die gar nicht einsam und lange genug sein kann – und natürlich auch ein paar Kurven und Kehren haben darf. 

Verpackt ist das Ganze in einer Karosserie, die genauso anachronistisch ist wie der Antrieb und deshalb einmal mehr alle Blicke fängt. Zwar sind die Scheinwerfer etwas schmaler und es gibt ein paar mehr Kanten im ansonsten geglätteten Blech – doch es bleibt bei einer endlos langen Haube, einem knackigen Heck und dazwischen einer flachen Kabine. Neu sind allerdings die unterschiedlichen Gesichter, mit denen jede Modellvariante ihren ganz eigenen Look bekommt.

Zwar wirkt der Mustang damit wie ein Auto aus einer zu Ende gehenden Ära, doch haben die Amerikaner sehr wohl die Zeichen der Zeit erkannt. Davon zeugt vor allem das Cockpit, in dem die analogen Anzeigen Platz machen mussten für einen weiten Display-Bogen, der wie der Kommandostand eines Raumschiffs frei hinter dem unten abgeflachten Lenkrad prangt. Auf dieser digitalen Spielwiese wollen die Designer jedes Pixel genutzt haben und für eine animierte Erlebniswelt, die jeder Playstation die Show stehlen soll. Und natürlich gibt es fürs Smartphone eine eigene App zum Auto und für die Bildschirm-Landschaft das neueste Sync-System samt Sprachsteuerung und mobilem Internetzugang. Wer den nutzt, um den Mustang zu googlen, befindet sich in guter Gesellschaft. Denn der erfährt nicht nur, dass Ford in fast 60 Jahren und sechs Generationen über zehn Millionen Exemplare verkauft hat, oder dass der aktuelle Mustang jedes Jahr seit seinem Debüt die weltweite Sportwagen-Hitparade angeführt hat. Sondern der lernt auch, dass kein anderes Auto so oft im Internet gesucht wird und dass keines bei Facebook so viele Likes bekommt. Ganz so aus der Zeit gefallen kann der Motown-Sound also offenbar nicht sein. 

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