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BMW M2 CS: Politisch inkorrekt

Liebe Wolkenzähler, Klimakümmerer und Baumküsser, Ihr müsst jetzt ganz stark sein! Zwar hat Euch ausgerechnet BMW, die Marke der notorischen Linksfahrer und Dauerdrängler, in den letzten Jahren den Öko vorgegaukelt, mit Stromern wie dem i3 oder dem i8 einen auf Tesla gemacht, mehr Plug-In-Hybriden installiert als die Konkurrenten zusammen und eifrig an der zweiten Welle der E-Modelle gearbeitet. Doch irgendwann ist auch mal gut mit dem ganzen Gutmenschen-Getue. Denn jetzt ist – vielleicht zum letzten Mal – wieder die Vollgasfraktion an der Reihe. Schließlich wirbt BMW noch immer mit der Freude am Fahren. Und Gott sei Dank schlägt unter dem mittlerweile ziemlich dicken grünen Mäntelchen noch immer ein feuriges Herz – das in diesem Sommer mit dem M2 CS ein paar Takte zulegt.

Von Thomas Geiger

Die schärfste Spielart des kleinsten M-Modells tut gar nicht erst so, als wolle sie den Ökos gefallen und pfeift auf das Urteil der Bedenkenträger. Sondern weil er weiß, dass er es der breiten Bevölkerung ohnehin nicht recht machen und nur bei so ewig gestrigen Petrolheads erfolgreich sein kann, stellt er seine Kraft provozierend wie ein Bodybuilder zur Schau: Die Frontschürze ist weit aufgerissen, was die Ingenieure mit dem erhöhten Kühlbedarf rechtfertigen, was den M2 aber auch zu einem vorlauten Großmaul macht. Das Blech über den breiten Rädern spannt wie das T-Shirt über dem Bizeps von Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten. Und dass der M2 CS nochmal ein wenig in die Breite geht, kann man technisch mit dem M3-Fahrwerk begründen, dass die Entwickler irgendwie unter die Karosse zwängen wollten. Oder man nimmt es einfach als eindeutige Botschaft an andere Kompaktsportler wie den Audi RS3 oder den Mercedes AMG A 45: Denn im neuen Trimm sieht der Zweier vor allem von hinten so fett und feist aus, als würde er der Konkurrenz unverhohlen den Mittelfinger entgegenrecken.

Und kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn so grandios wie der M2 CS aussieht, so fährt er auch. Und ist dabei genauso ungehobelt. Nicht nur der Sound des Sechszylinders ist rauer und röhrender, weil die Ingenieure lieber an der Dämmung gespart haben als das Gewicht mit exotischem Karbon-Gedöns zu drücken. Sondern das ganze Auto ist auf Krawall gebürstet und lange nicht so überzüchtet wie etwa die großen M-Modelle. Klar, auch den M2 kann man vor allem im Komfortmodus ganz entspannt fahren und bedenkenlos seiner Tochter zum Brötchenholen mitgeben. Und perfekt ausbalanciert und mit den üblichen elektronischen Nothelfern ausgerüstet, läuft man selbst im Dynamic-Mode kein echtes Risiko. Doch wo die M-Modelle vom Dreier aufwärts fast schon filigran wirken, eine chirurgische Präzision an den Tag legen und mit der Klaviatur auf der Mittelkonsole mehr Verstellmöglichkeiten bieten als die Renner auf der Play-Station, ist der M2 ein fast schon klassisches Muscle Car, das nicht viel mehr in die Waagschale wirft als ein sauber ausbalanciertes Fahrwerk, eine elektronisch geregelte Differentialsperre sowie die letzte Evolutionsstufe des famosen Dreiliter-Turbos: Denn kurz vor seiner Ablösung haben die Scharfmacher aus Garching noch einmal zehn Prozent mehr Leistung aus dem Triebwerk gekitzelt und daraufhin 450 PS und maximal 550 Nm in den Fahrzeugschein geschrieben. Was es dagegen nicht gibt sind individuell verstellbaren Schaltzyklen für die Doppelkupplung, keine zwei Dutzend Fahrwerkssetups, kein Furz und kein Feuerstein. Sondern einfach nur eine gute, ehrliche Kombination aus Heckantrieb und Vorwärtsdrang. 

Aber mehr braucht es auch nicht für einen Freudentanz, der Bleifußfahrern ein fast schon debiles Grinsen ins Gesicht zaubert, als hätte ihnen der beißende Gummiqualm aus den Radhäusern gleich beim ersten Kavalierstart das Hirn vernebelt. Denn während die Knöchel vom festen Griff um das dicke Sportlenkrad schon langsam weiß werden und die rote Nadel weit über 6.000 Touren schnellt, prügelt der Sechszylinder den Wagen so vehement voran, dass einem Hören und Sehen vergeht: Im besten Fall nach 4,1 Sekunden hat man 100 Sachen auf der Uhr, beim Überholen auf der Landstraße ist man ruckzuck auf 160, 180 und selbst da hat der bayerische Bolide noch so viel Dampf, dass die Ingenieure bei 250 km/h gar nicht mehr den Versuch machen, die Reißleine zu ziehen und dem M2 CS gleich Auslauf bis 280 lassen.

Und das ist nur der Anfang. Denn je kürzer die Geraden werden und je enger die Kurven, desto mehr Spaß macht diese kleine Granate: Unerschütterlich hält der Zweier dort den Bodenkontakt, scharf schneidet er durch die Kurven, und bei jedem Zwischenspurt lässt er ganz leicht das Heck kommen, bevor ihn ein geschickter Lenkengriff oder zur Not eben doch das Stabilitätsprogramm mühelos wieder einfängt. Immer mehr, immer quer – so wedelt der Wagen mit quietschenden Reifen entlang der Ideallinie und schürt mit jedem Schwenk seines knackigen Hinterns im Fahrer ein Feuer, das erst mit dem letzten Tropfen Sprit im viel zu kleinen Tank versiegen wird. Dieses Auto macht süchtig und bestätigt mit jedem Meter: Ja Mann, so und nicht anders muss ein BMW fahren, selbst wenn die Gutmenschen darüber den Kopf schütteln.

Der M2 CS ist übrigens nicht nur ein bulliger Blickfang und eine Grins-Granate, aus der man mit Mundwinkeln aussteigt, die noch nach Stunden nach der Fahrt weit oben bei den Ohrläppchen hängen. Sondern er ist auch noch ein beinahe billiges Vergnügen. Zumindest wenn man es aus der Perspektive der M-Kundschaft sieht. Klar, er kostet 50 Prozent mehr als der M2 Competition, und der steht schon mit frechen 62.500 Euro (D) in der Liste. Aber jetzt, wo es gerade keinen M3 und keinen M4 gibt, sind 95.000 Euro (D) für den M2 CS um so besser angelegt, zumal M5 und M8 bei aller Performance nun wirklich keinen puristischen Charakter mehr haben und die X-Modelle für ernsthafte Schnellfahrer ohnehin nicht in Frage kommen.

Natürlich ist es politisch völlig inkorrekt, von so einem Auto zu schwärmen. Es ist moralisch absolut verwerflich, wenn man stolz ist auf einen Verbrauch von mehr als 20 Litern, nur weil der viele Sprit für noch mehr Spaß steht, den man bei Verheizen hatte. Und es hat tatsächlich etwas ungeheuer Pubertäres, wenn man an der roten Ampel schnell noch mal aufs Gas tritt, damit nur ja die Start-Stopp-Automatik nicht aktiv wird und stattdessen alle Passanten den Kopf nach mir drehen. Alles richtig. Und trotzdem vollkommen egal. In einem Auto wie dem M2 CS kann ich einfach nicht anders, und für ein schlechtes Gewissen ist nach dem Aussteigen ja noch Zeit genug. Selbst die werten Wolkenzähler, Klimakümmerer und Baumküsser können sich ihren Ärger sparen und mal kurz die Luft anhalten, denn der M2 CS ist ihre Aufregung gar nicht wert: Als Highlight zum Ende der Serie wird er nur bis September gebaut und dann mitsamt dem Basis-Modell schon wieder eingestellt.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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