Dacia Jogger: Wider den Wucher

Ein ganz gewöhnlicher VW Golf ist längst nicht mehr unter 20.000 Euro zu haben und wenn es unbedingt ein SUV sein muss, ist man bei den deutschen Herstellern mit rund 23.000 für den VW T-Cross dabei. Und da sind Technologiesprünge wie die von der EU vorgeschriebenen Erweiterungen der Sicherheitsausstattung oder gar die Elektrifizierung noch gar nicht eingepreist. Autofahrer wird so mehr und mehr zum Luxus, den sich immer weniger leisten können. Es sei denn, sie fahren einen Dacia. Denn die rumänische Renault-Tochter kämpft tapfer wider den Wucher und beweist mit dem Jogger einmal mehr, dass man auch für wenig Geld viel Auto bekommen kann. Und das darf man diesmal sogar wörtlich nehmen: Schließlich misst der Jogger, der im März für Preise ab 14.990 Euro in den Handel kommt, gute 4,50 Meter und wird für 800 Euro Aufpreis zum ersten zivilen Siebensitzer der Marke.

Obwohl mit spitzem Stift gerechnet, müssen sich die Käufer dieser Familienpackung auch vor dem Nachbarn nicht schämen. Das gilt für den Auftritt als zahmes aber dennoch ernsthaftes SUV mit rustikalem Design und robusten Anbauteilen genau wie für das Ambiente und die Ausstattung. Denn innen sieht der Jogger mit ordentlich verkleideten Konsolen, ein paar Chromrahmen auf den Schaltern und hübschen Polstern auf den Sitzen lange nicht so billig aus, wie es die Preise vermuten lassen. Zumindest nicht, so lange man nicht mit den Knöcheln gegen die Konsolen klopft und es nach hartem Kunststoff klingt. Und wo früher noch die Fenster gekurbelt werden mussten, gibt es jetzt sogar Keyless-Go oder eine Einpark-Automatik gegen Aufpreis und sechs Airbags als Standard. Selbst die Vernetzung schreitet voran, es gibt drei Multi-Media-Systeme und zumindest die wichtigsten Assistenten.

Mehr Platz

Kein Wunder – schließlich tragen die Rumänen diesmal keine alte Plattform auf, sondern haben den Jogger auf die moderne Bodengruppe von Clio & Co gestellt. Nur dass sie die für den Einsatz an der Familienfront ordentlich gestreckt haben: Der Radstand wächst auf 2,90 Meter, die Länge auf 4,55 Meter und innen reicht es nun hinter der asymmetrisch geteilten Bank in der zweiten noch für zwei Einzelsitze in der dritten Reihe. Zwar muss man sich trotz 1,63 Metern Höhe ziemlich klein machen, um nach ganz hinten zu klettern. Und statt nobler Griffe gibt’s simple Schlaufen für die Sitzentriegelung. Doch für kleine Kinder wird der Dacia so zum Abenteuer-Spielplatz und auch für adoleszente Ableger reichen Kopf- und Kniefreiheit zumindest auf der Kurzstrecke – zumal Dacia sogar anders als viele Nobelmarken bei ihren XXL-Geländewagen sogar hinten für Frischluft sorgt und eigens Ausstellfenster im Fond montiert.

Außerdem geht es beim Jogger ja nicht nur um Kinder, sondern auch um Kisten und Koffer: Ist der Stauraum bei voller Bestuhlung noch vergleichsweise bescheiden und hinter die große Klappe gehen nur 160 Liter, schluckt der Kofferraum nach fingernagelmordenden aber muskulär locker zu stemmenden Demontage der nicht einmal zehn Kilo schweren Zusatzsitze schon 708 Liter, und wer dann noch die zweite Bank erst umlegt und sie danach aufstellt, der kann bis zu 1.819 Liter laden.

Drei Zylinder für ein Hallelujah

Weil der Jogger trotz seiner Kompaktklasse-Abmessungen auf einer Kleinwagenplattform steht, ist er mit rund 1.200 Kilo ungewöhnlich leicht und kommt deshalb mit kleineren Motoren aus. Die sind billiger für den Hersteller und sparsamer für den Kunden – und obendrein ebenfalls auf dem neuesten Stand. Die 100 PS starke LPG-Version kennt man zwar vom Sandero, doch der wie so oft ein wenig schnatterige Dreizylinder-Benziner mit einem Liter Hubraum und 110 PS ist nagelneu. Und ein Jahr nach dem Start übernimmt der Jogger aus Clio & Co auch noch den Hybrid-Antrieb, kommt so auf 140 PS und fährt zumindest auf kurzen Strecken rein elektrisch. Nur einen Allradantrieb hat Dacia trotz des rustikalen Auftritts nicht vorgesehen, der bleibt allein dem Duster vorbehalten. Und vom Plug-in-Hybrid wollen sie in Rumänien so lange die Finger lassen, bis sie ihn unbedingt bringen müssen. Denn wirklich wollen will den bei der Knauser-Kundschaft aktuell keiner, sagen die Marktforscher.

Zwar ist der Dacia eines der günstigsten Autos am Markt und angesichts der großen Umwälzungen bei Ausstattung und Antrieb vielleicht eines der letzten Billigautos. Doch anders als früher fühlt er sich dabei gar nicht so billig an. Nicht nur Ausstattung und Ambiente sind besser, als bei diesem Preis vermutet – auch das Fahrgefühl ist hinreichend solide und souverän. Nein, natürlich ist der Jogger kein Kurvenjäger, was er bei nur gut 180 km/h Höchstgeschwindigkeit auch gar nicht nötig ist. Und selbstredend gibt es Autos mit präziseren Lenkungen und bissigeren Bremsen. Doch das Fahrwerk macht seinen Job unauffällig und federt großzügig über den Unbill des Alltags hinweg, das Geräuschniveau ist verhalten, das Getriebe geschmeidig und das ganze Handling so unaufgeregt, dass Kritiker es schon in den Krümeln suchen müssen. 

Der Dacia Jogger – ein Preisbrecher

Wenig Firlefanz, aber alles an Bord, was es für den Alltag zwischen Schule, Büro und während der großen Ferien braucht, billig produziert und nüchtern motorisiert und nur so weit in die teure Zukunft getrieben, wie es unbedingt nötig ist – so wird der Dacia Jogger einmal mehr zum Preisbrecher und zum vielleicht letzten Traumwagen der Schnäppchenjäger. Wer wirklich aufs Geld schaut, macht mit diesem Auto einen guten Schnitt – und kann sich alle Konkurrenten sparen.

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