Außen Raumschiff, den Schalter für den Warp-Antrieb sucht man innen aber vergebens. Der Hyundai Staria ist konventioneller, als er aussieht.
Ins Gespräch kommen
„Wow! Was ist das für ein Auto?“ Montag Abend, Mitte Februar. Ich parke gerade ein, was ob der 360-Grad-Kamera kein Problem ist, 5,25 Meter Länge hin oder her. Ein Taxi fährt vorbei, bleibt aber nach einigen Metern wieder stehen und beginnt zurückzuschieben. Bis wir Seitenspiegel an Seitenspiegel stehen. Der freundlich wirkende Fahrer lächelt mich an. Und er signalisiert: Fenster auf. Ich öffne meines, er seines. „Wow! Was ist das für ein Auto?“
Für den Motorredakteur von Welt oder auch nur von Wien ist das keine ungewöhnliche Situation. „Was kost’ der? Was kann der? Wie geht der?“ In manchen Lagen musst du auch mit fachkundigeren Fragen rechnen. Etwa: „Wie viele Mädls klärst damit, Habibi?“ So geschehen in einem BMW i8 Roadster, selbstverständlich in 1150 Wien.
Ein Kleinbus erregt Aufmerksamkeit
Jetzt aber: 1040 Wien. Und einen Münchner Sporthybriden fahre ich auch nicht. Auch keinen Porsche, AMG oder Maserati. Nichts Flaches, nichts Schnelles, nichts Lautes. Nichts mit 500 PS und nichts mit einer Lederausstattung von einem halbausgestorbenen Viech. Trotzdem: Große Augen, verdrehte Hälse, Wows. Mit Blick auf die Fahrzeugklasse: bizarr. Die Konkurrenten unseres Testwagens nämlich: Fahrzeuge, wie der Citroen Spacetourer oder Ford Tourneo. Himmelherrgott: Wurden Sie schon einmal begeistert angesprochen, während sie mit Ihrem Fiat Ducato an der Ampel standen?
Vorstandsmeeting statt Woodstock
Kleinbusse sind praktisch – und so pulsbeschleunigend wie Valium. Zumindest war das immer so, vielleicht mit Ausnahme des Bullis, bei dem man der Bradykardie mit Farbenfroheit gegengesteuert hat (und mit Herzfrequenz erhöhenden Substanzen). Seit 2021 gibt es eine neue Ausnahme. Von VW kommt die aber nicht und nach Flower-Power sieht sie auch weniger aus. Eher das Gegenteil: Vorstandsmeeting statt Woodstock. Vorhang auf für den neuen Hyundai Staria.
Präsentiert wurde der Kleinbus letztes Jahr. Und schon damals: große Augen, viele Wows. Die verdrehten Hälse sind dann später hinzu gestossen, denn der Staria hält in der Realität, was die ersten Pressefotos versprochen haben. Dieses Fahrzeug sieht auch „in echt“ so aus, als wäre es als Studie direkt dem Genfer Autosalon entflohen – und zwar dem Genfer Autosalon 2050.
Hyundai Staria ist ein Designkunstwerk
Wie hat Hyundai das hinbekommen? Auf der Hand liegen die coolen Leuchten. Hinten greifen diese die Designsprache des Ioniq 5 mit den Pixeln auf. Vorne gibt’s ein spaciges, durchgehendes Leuchtenband als LED-Signatur, die Scheinwerfer selbst sind geschickt im Kühlergrill integriert, verschmelzen quasi optisch mit diesem. Wichtig fürs Design, und das erschließt sich nicht sofort, ist aber die Karosserieform. Vom Heck bis zur A-Säule ist die gewöhnlich, dann aber beginnt das Spektakel: Die A-Säule geht nahtlos in die Motorhaube über, die Steigung bleibt sehr lange gleich. Erst nach der Lichtsignatur und dem Logo knickt die Linienführung ein, fällt steil ab.
Ansonsten: Wenig Linien, dafür große, klare Flächen. Am besten zur Geltung kommt das futuristische Staria-Design übrigens in schwarzer Lackierung (800 Euro Aufpreis), weil er dann mit den abgedunkelten Scheiben harmoniert. Elegant: Die bronzenen Akzente an Kühlergrill und Seitenspiegeln. Zusammengefasst: Der Hyundai Staria ist ein Designkunstwerk. Umso überraschender, wie konventionell dieser Kleinbus im Kern ist.
Hyundai Staria: Turbodiesel statt Warp-Antrieb
Zum Beispiel beim Antrieb. Die Optik lechzt ja eigentlich nach einer permanenterregten Synchronmaschine und einem Lithium-Ionen-Akkumulator. Eine E-Version soll ja auch kommen, einstweilen aber turbodieselt der Staria vor sich hin. Und zwar mit einem 2,2 Liter großen Vierzylinder, der es auf 430 Nm und 176,8 PS bringt, wie Hyundai mit fast schon germanischer Genauigkeit angibt. Falls Sie also irgendwo lesen sollten, es handle sich um 177 PS: Kommentieren Sie den Artikel mit „Fake-News“ oder „Lügenpresse“, gerne auch mit „Systemmedien“. Hauptsache es folgen mehrere Rufzeichen.
Wie geht der?
In der Luxury Line (später dazu mehr) ist der 2,2 Liter-Diesel jedenfalls immer an eine achtgängige Automatik gekoppelt, die fehlerfrei arbeitet. Mein Chef hat immer von seinem 204 PS starken VW T6.1 geschwärmt, der selbst mit Anhänger bei höheren Geschwindigkeiten bestens geht. Das darf man sich bei den 177 – Verzeihung – 176,8 PS des Staria nicht ganz erwarten. Von 0 auf 100 km/h benötigt er 13,5 Sekunden. Motorisch zäh wird’s erst ab 140 km/h, was – abgesehen von meinem Chef, ein notorischer Zuschnellfahrer – uns in Österreich aber eigentlich egal sein kann. Oder muss. Hat man einmal Reisegeschwindigkeit erreicht, punktet der Staria mit einer angenehmen Geräuschkulisse.
Ansonsten fährt sich der Hyundai Staria recht unspektakulär. Das Fahrwerk ist komfortabel, die Mehrlenkerhinterachse macht sich bezahlt. Natürlich wankt so ein Kleinbus ein wenig umher, aber das ist ob der Fahrzeugkategorie ebenso vernachlässigbar, wie die indirekte Lenkung. Dafür ist die auch angenehm leichtgängig, was das PKW ähnliche Fahrgefühl verstärkt. Die Übersicht ist bestens: Man sitzt hoch und die Seitenfenster sind tief runtergezogen. Command Driving Position nennt man das bei Land Rover. Allrad jedenfalls hätte der Hyundai Staria, womit man auch dem Schiurlaub entspannt entgegen blicken kann. Nachteile: Er geht eine Sekunden langsamer auf Landstraßentempo als der Staria mit Frontantrieb und manuellem Getriebe. Und etwas durstiger ist er auch: Offiziell sollen es 8,5 bis 8,9 Liter sein, bei uns waren es zwischen acht und elf.
Was kost’ der?
Außerdem erhöht der Allradantrieb natürlich den Preis. Zumindest bei der günstigeren Trendline, nämlich um 4.500 Euro. Bei der teureren Luxury Line ist Allrad sowieso immer mit dabei. Der Einstiegspreis für diese: 69.490 Euro. Klingt viel, relativiert sich aber schnell. Nämlich beim Blick auf die Extras: Es gibt quasi keine. Bis auf eine Sonder-Lackierung für 800 Euro und dem Designpaket für 200 Euro, das die bronzenen Akzente beinhaltet. Folgerichtig ist unser Testwagen mit einem Gesamtpreis von 70.490 Euro das absolute Maximum.
Highlights der Hyundai Staria Luxury Line
- 360-Grad-Kamera
- Ambientebeleuchtung
- Assistenzsystem-Armada
- Bose-Soundsystem
- Elektrische Schiebetüren und Kofferraumklappe
- Nappa-Lederinnenausstattung
- Sitzheizung- und belüftung (1. und 2. Reihe)
- Panoramaglasdach
Was kann der?
Abgesehen von den Ausstattungsmerkmalen variiert auch die Anzahl der Sitzplätze zwischen den beiden Versionen. Zwar hat mich der Taxifahrer nicht gefragt, wie viele Mädls ich mit dem Hyundai Staria kläre. Die Antwort wäre jedenfalls maximal sechs gewesen, Habibi. In der Trendline ist Platz für eine Person mehr. Dafür kann die sich dann nicht an der Opulenz der beiden Einzelsitze in Reihe zwei erfreuen. Die lassen sich grundsätzlich elektrisch verstellen, verschieben tut man sie aber manuell. Maßig Platz hat man immer. Je nach Position der dritten Reihe schwankt das Kofferraumvolumen zwischen 117 und 431 Liter. Klingt weniger, als es tatsächlich ist. Was aber fehlt: Tische für die Passagiere.
Hyundai Staria: Auf den Punkt gebracht
Dafür gibt’s vorne viele versteckte Ablagen. Generell aber beeindruckt das Cockpit selbst nicht sonderlich. Es enttäuscht fast ein wenig. Nicht, weil etwas arg schief geraten ist. Aber bei dem Exterieur erwartet man sich zwangsweise auch Innen etwas mehr Raumschiff. Den Schalter für den Warp-Antrieb findet man aber nirgends. Zusammen mit dem konventionellen Antrieb lässt sich zusammengefasst also sagen: Der Hyundai Staria ist ein ganz gewöhnlicher Kleinbus. Wenn man eine massive Sehschwäche hat.