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Vom Arbeiter zur Oberschicht

Der alte Land Rover Defender war: Abenteuer. Immer und überall. Im neuen muss man ein solches erst suchen. Irgendwo zwischen Luftionisierung und digitalen Armaturen steckt’s aber.

Text: Maximilian Barcelli

Es gibt komfortablere Situationen, als in einem alten Land Rover ­Defender mehrere Stunden auf der deutschen Autobahn unterwegs zu sein. Zum Beispiel, wenn all deine Freunde in der Bar aufstehen, um lautstark einen weiteren Jahrestag deines introver­tierten Daseins musikalisch zu zelebrieren. Oder wenn du dich mit einem Traum von Frau in die Horizontale begibst, aber der kleine Johnny streikt, als wäre er in einer verdammten Gewerkschaft. Alles nix gegen 100 km/h, die sich im Defender wie 250 km/h anfühlen. Also exakt jenem Tempo, mit dem die ganzen Vertreter in ihren schicken Audi A6 und BMW 5er auf der linken Spur vorbeifliegen.

So wenig amüsant eine Lang­strecken-Fahrt mit dem ikonischen Geländewagen auch ist, so euphorisch fühlt man sich bei der Ankunft. Als hätte man etwas ganz Großes erreicht. Einen Ironman gepackt oder den K2 bezwungen, so was in der Art. Ja, der alte Landy war: Abenteuer. Und zwar nicht nur in Island, Namibia oder Chile, sondern eigentlich immer, überall und ganz besonders in einer engen Sackgasse, in der er beim Rangieren mit dem Wendekreis eines 40-Tonners glänzte. Weil dieses Relikt aus einer früheren Zeit nicht mehr mit den Sicherheitsvorgaben der jetzigen Zeit mithalten kann, gibt’s ja mittlerweile den neuen Defender. Bis auf den Namen hat der aber nix mehr mit seinem Vorgänger zu tun. Was sich spätestens beim Aussteigen nach einer längeren Fahrt bemerkbar macht. Kein Dröhnen im Kopf, kein Schweiß an den Händen. Aber halt auch: kein Ironman, kein K2. Der Land Rover Defender ist ein richtiger Pkw geworden – samt Luftionisierung, induktiver Ladefläche und Toter-Winkel-Warner. Das Abenteuer muss man schon selbst­suchen.

Hat man es schließlich gefunden, ist man immerhin bestens gerüstet. Ein weichgekochtes SUV ist der Defender nämlich weiterhin nicht, auch wenn es das komfortable Fahrgefühl und der fesche Innenraum suggerieren. Zwar nutzt er die D7-Karosseriearchitektur, die ebenfalls bei Discovery, Range Rover Sport und Range Rover zum Einsatz kommt. Aber erstens sind das vielleicht SUVs, aber sicherlich keine weichgekochten. Und zweitens wurde die D7- zur D7x-Architektur weiterentwickelt, sie ist Land Rovers steifste Serien-Karosseriestruktur überhaupt. Ach, und das x steht übrigens für „extrem“ – was denn sonst? Mit einer Wattiefe von 90 Zentimetern, einer Bodenfreiheit von fast 30 Zentimetern und einem Böschungswinkel von 38 Grad vorne und 40 hinten ist der neue Defender in der Theorie sogar der Mercedes-G-Klasse überlegen. In der Praxis haben wir das nicht getestet, aber die Sprösse in den vorörtlichen Kindergarten chauffieren geht ganz gut. Im 110er bis zu sechs Stück, im kürzeren 90 bis zu fünf Stück. Wo wir gerade beim G sind: Preislich hat sich der Land Rover Defender ordentlich an diesen angenähert. Mit alles und scharf und Dachzelt wird es knapp sechsstellig.

Dafür gibt’s dann aber nicht nur einen Luftqualitätssensor, sondern auch einen durchzugsstarken und selbstzündenden Zwei-Liter-Vierzylinder mit 240 PS und 430 Nm. Oder eigentlich: gab. Denn der D240 wird eingestellt. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Er wird ersetzt – und zwar von einem Drei-Liter-Reihensechser (D200, D250, D300). Ähnlich vorgegangen ist ja schon Konzernschwester Jaguar beim F-Type-Facelift. Da strichen die Briten den V6, gefüllt wurde die Lücke mit einer neuen Leistungsstufe des famosen Fünf-Liter-V8-Kompressors. Sympathisch, irgendwie. Wer damit weniger Freude hat, weil Polarkappen und überhaupt: Jaguar hat im Februar angekündigt, ab 2025 zu einer reinen Elektromarke zu werden. Und im Hier und Jetzt bietet Land Rover den neuen Defender eh auch als Plug-­in-Hybrid an.

Allerdings passt das Diesel­triebwerk, wie alle anderen Motoren gekoppelt an der seidenweichen Acht-Gänge-Automatik, recht gut zum Wesen dieses Automobils. Wobei sich der angekündigte Achtzylinder genauso gut machen wird. Wenn schon Opulenz, dann ohne Kompromisse. Ein ehrliches Arbeitstier ist der Landy sowieso keines mehr. Dafür beläuft sich der cW-Wert auch nicht mehr auf komplett absurde 0,68, und die richtigen Pedale erwischt man auch immer. Fahrer des alten Defender wissen, was wir meinen.

Land Rover Defender 110 D240
Hubraum: 1.998 ccm
Leistung: 240 PS
Verbrauch: 8,9–9,6 Liter
Drehmoment: 430 Nm/1.500 U/min
Beschleunigung: 0–100: 9,1 s
Spitze: 188 km/h
Gewicht: 2.323 kg
Preis: ab 71.650 Euro (D250: 72.497 Euro)

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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