Auf den ersten Blick will MG mit dem EHS die Premium-Liga aufmischen. Auf den zweiten lassen sich allerdings ein paar Schwächen erkennen – über die man aber mit einem Lächeln im Gesicht hinwegsehen kann. Dank des phänomenalen Preises.
MG – dieser Name ist Musik in den Ohren anglophiler Automobilisten, und zwar nicht Coldplay, sondern Stones oder Beatles oder so. Wobei eigentlich: war. Seit der Insolvenz und der chinesischen Übernahme hat new MG nämlich nicht mehr viel mit old MG gemein, Logo und Namen mal ausgenommen. Denn während old MG für Dynamik bekannt war, setzt new MG vollumfänglich auf alternative Antriebe.
So ist MG, zumindest in Europa, schon jetzt dort angekommen, wo viele Hersteller noch zu gelangen streben: Drei der bald vier hierzulande angebotenen Fahrzeuge sind Vollzeitstromer (Marvel R, MG ZS EV und MG 5. Und der von uns getestete MG EHS fährt zumindest teilweise lokal emissionsfrei. Die Marke trifft also den Zeitgeist – aber reicht das, um sich am europäischen Markt zu etablieren? Einem Markt, an dem sich schon konventionellere asiatische Hersteller die Zähne ausgebissen haben – Stichwort Infiniti?
2021 war bis dato jedenfalls ziemlich erfolgreich für MG. 311 Neuzulassungen kann die Marke im ersten Halbjahr für sich verbuchen. Klar, da ist noch Luft nach oben. Allerdings: Nimmt man etwa Ssangyong als Referenz, hat man deren bestes Jahr der letzten Dekade in Sachen Zulassungszahlen bereits getoppt – und 2021 ist ja noch lange nicht um. Man kann aber auch einen Blick auf etabliertere Hersteller riskieren: Alfa Romeo etwa hat man im ersten Halbjahr ebenso hinter sich gelassen wie Subaru.
Wundern darf einen dieser erste Erfolg nur mäßig, weil allein der MG EHS vieles mit sich bringt, was aktuell en vogue ist. Was aber auch zu einem Problem führt: Teilelektrifizierte SUVs gibt’s nämlich schon ein paar. Ein paar sehr viele. Die Lösung: Premium-Feeling zum Kampfpreis.
Das Premium-Feeling erreicht MG einerseits durch ein elegantes Auftreten. Man tendiert ja beim Design chinesischer Autos immer dazu, es mit dem von europäischen zu vergleichen. Also: Hinten bisschen Mercedes, vorne Mercedes und Mazda? Dreiste Kopie, wie das hie und da vorkommt, ist er jedenfalls keine. Und es ist auch egal. Der MG EHS sieht unaufgeregt und gut aus – das zählt.
Verblüffend hochwertig ist der Innenraum. Seinen Allerwertesten platziert man auf feinem Ledergestühl. Noch mehr Leder zieht sich übers gesamte Armaturenbrett, flankiert von Softtouch. Plastik gibt’s hingegen nur wenig. Wer in einem Mercedes oder BMW vergisst, das Lederpaket zu ordern, hat weniger feine Materialien. Die Verarbeitung wirkt auch recht ordentlich und für die passende Atmosphäre sorgt die intensive Ambientebeleuchtung.
Die gibt’s allerdings nur in der höheren der beiden Ausstattungslinien – „Luxury“. Dann ebenfalls mit an Bord: Das große Schiebedach und eine nicht ganz so scharfe 360 Grad Kamera. Mehrkosten: Rund 3.000 Euro. Die sind’s aber wert, wie wir meinen, vor allem wegen den feinen Sportsitzen. Außerdem: Wer zum MG EHS greift, der spart ja ohnehin schon einiges an Geld.
Wer diesen mit All-you-can-eat-Ausstattung wählt, der kommt auf etwa 38.000 Euro, wobei da noch nicht einmal der E-Mobilitätsbonus mit berechnet ist. Und starten würde die ganze China-Sause bei 34.990, Förderungen ebenfalls exklusive. Sie ahnen es bei der geringen Preisdifferenz wohl schon: Viele Extras gibt’s nicht. Eigentlich nur zwei: Metallic-Lackierungen und eben die höhere Ausstattungslinie. Ansonsten ist bei den knapp 35.000 Euro schon alles mit an Bord.
„Alles“ inkludiert übrigens so Sachen wie das 12,3 Zoll große Instrumentendisplay, das Infotainmentsystem samt Navi und 10,1-Zoll-Touchscreen, Sitzheizung, Rückfahrkamera oder die 2-Zonen-Klima. Und natürlich: den Plug-in-Antriebsstrang, die einzige Motorisierung für den EHS. Auf dem Papier liest sich der fast schon sportwagentlich: Elektromotor und 1,5-Liter-Vierzylinder sorgen für 258 PS und 6,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. In der Realität ist die Gasannahme etwas träge und die 6,9 Sekunden wollen irgendwie nicht ganz so schnell vergehen. Fair enough: Als großer Dynamiker definiert sich der MG EHS mit seinem eher komfortablen Fahrwerk ohnehin nicht – Markentradition hin oder her. Und Überholreserven sind freilich trotzdem genug vorhanden. Nutzt man die aber allzu oft, wird’s mit den 52 Kilometern Reichweite laut WLTP aber schwierig.
Wobei: Die in einem Zug durchzufahren ist sowieso kaum möglich, weil der Motor häufiger anspringt, obwohl die Batterie eigentlich recht voll wäre. Weitere Mankos: Das Infotainmentsystem ist, wie die digitalen Armaturen, zwar graphisch fesch, aber nicht ganz so auf Zack. Und die Windgeräusche sind auch eher hoch. Aber irgendwo muss es ja ein paar Haken geben. Ansonsten würde der MG EHS die Konkurrenz fast schon unangenehm stark deklassieren.