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MG ZS EV: Comeback auf chinesisch

Der Name kommt aus England, doch das Auto aus China, statt eines schrulligen Roadsters ist es ein schnittiges SUV, unter der Haube steckt kein Verbrenner, sondern eine E-Maschine. Und als wäre das nicht schon verwirrend genug, erinnert im Innenraum vieles an VW-Modelle von vorgestern. Auf den ersten Blick will einiges nicht so recht zusammenpassen beim ZS EV, mit dem die britische Traditionsmarke MG vom fernen Osten aus zu Preisen ab etwa 32.000 Euro (D) im Frühjahr auch bei uns die Electric Avenue erobern will. 

Doch wenn man etwas genauer hinschaut, ergeben die Ungereimtheiten sehr wohl einen Sinn. Denn als MG Rover 2005 in die Pleite rutschte, haben sich die Chinesen die Markenrechte gesichert. Weil Maos Erben keine Sportwagen mögen, dafür aber umso schärfer sind auf SUV, ist der ZS kein offener Zweisitzer auf Bodenhöhe, sondern ein kompakter Fünfsitzer auf Stelzen. Und weil die Marke mittlerweile zum SAIC-Konzern gehört und der auch ein Joint Venture mit VW betreibt, nutzen Chinesen und Deutsche die gleichen Zulieferer, folgen ähnlichen Designlinien und teilen sich Details wie Lüfterdüsen und Cockpit-Layouts. Das Ergebnis ist ein Auto, das zwischen den Welten fährt und dabei in vielerlei Hinsicht verdächtig an den letzten Tiguan erinnert – selbst wenn es nicht mal ansatzweise eine Kopie ist.

Für die einen altbacken, für die anderen konservativ, geht er zumindest beim Antrieb mit der Zeit: Statt sich auf den aussichtslosen Kampf mit preiswerten Verbrennern und den immer strengeren Zulassungsnormen einzulassen, startet der ZS bei uns ausschließlich als Stromer mit einem 143 PS und 353 Nm starken Stromer im Bug und einem 44,5 kWh großen Akku im Boden. Auch wenn die Plattform eigentlich mal für Benziner entwickelt war, herrscht an Platz kein Mangel: Auch im Fond sitzt es sich gemessen an den 4,31 Metern Länge und 2,59 Metern Radstand ganz ordentlich und der Kofferraum geht mit 448 Litern auch in Ordnung.

Einschränkungen muss man dagegen bei den Fahrleistungen hinnehmen: Weil die Batterie vergleichsweise klein ist, misst die WLTP-Reichweite gerade mal 263 Kilometer. Und obwohl der MG mit einem Sprintwert von 8,2 Sekunden flott unterwegs ist, schafft er nicht mehr als 140 km/h. Nicht dass E-Fahrer gerne mit Bleifuß über die Autobahn fahren würden. Aber spätestens beim Überholen könnte ein bisschen mehr Tempo nicht schaden. Das legt der MG dafür an der Ladesäule an den Tag: Dem kleinen Akku und der großen Ladeleistung sei Dank, sind die ersten 80 Prozent binnen 40 Minuten geschafft.

Zwar tritt der ZS bei uns als absoluter Preisbrecher an und liegt als billigstes Elektro-SUV noch einmal deutlich unter Autos wie dem Hyundai Kona oder dem Kia Niro. Doch verglichen mit früheren Billigmodellen aus China ist MG die Leiter weit nach oben geklettert: Ja, es gibt viel harte Kunststoffe im Auto und das Handschuhfach fällt dem Sozius beim Öffnen ohne Dämpfung aufs Schienbein, doch weder nervt das SUV mit den früher oft üblichen Ausdünstungen von Lacken und Klebstoffen, noch erschreckt es mit mangelnder Sicherheit: Die europäischen Prüfer haben es mit fünf Sternen bedacht und die eigenen Buchhalter zeigen sich bei Assistenten und Ausstattung spendabel: Die automatische Abstandsregelung ist deshalb genauso Standard wie eine Spurführungshilfe oder eine Rückfahrkamera. Und natürlich gibt’s ein quietschbuntes Touchscreen-Infotainment, wenngleich dem Bildschirm das Feingefühl und dem Menü die Struktur fehlt. 

Zudem leisten sich die Chinesen den Luxus dreier Fahrprofile und eines dreistufigen Bremssystems. Aber auch wenn der ZS so auf Knopfdruck ein wenig den Charakter wechselt und mal meilenweit ausrollt und mal so stark rekuperiert, dass man ihn mit einem Pedal fahren kann, wirkt das Fahrgefühl immer ein wenig synthetisch: So entkoppelt sind Fahrer und Fahrbahn, so schwach ist die Rückmeldung der Lenkung, als dass wirklich Freude aufkommen würde. Wer um des Fahrens willen fahren will und nicht nur um anzukommen, der muss sich einen alten MG aus England kaufen. 

Braucht es wirklich noch eine weitere Automarke in Europa? Und muss deren Modell dann so gewöhnlich sein, wo andere Chinesen wie Nio oder Byton auf Avantgarde machen? Glaubt man Philipp Hempel, dann ist bei uns auch für MG noch Platz. Und die Zahlen aus dem Ausland machen ihm Hoffnung. Schließlich haben die Chinesen mit den britischen Wurzeln in den Niederlanden und in Norwegen in diesem Jahr zusammen bereits 7.000 Autos verkauft. Doch weiß der Deutschlandchef auch, dass er mit einem Modell kaum eine Marke etablieren und keine Händler zufrieden stellen kann. Deshalb soll es beim ZS EV auch nicht bleiben. Sondern schon im Frühjahr wollen die Chinesen den EHS auf den Markt bringen, der in der Klasse darüber antritt und zunächst als Plug-In-Hybrid kommt. „Und danach geht es Schlag auf Schlag weiter“, verspricht Hempel. Nur eines wird es wohl so schnell bei MG wohl nicht mehr geben: einen schrulligen Roadster aus England.

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