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Porsche Cayenne Topmodell: Packt den Stier bei den Hörnern

Der Lamborghini Urus hat sie schwer getroffen. Nicht, dass der Absatz des Porsche Cayenne durch das erste SUV der italienischen Konzernschwester großartig beeinträchtigt worden wäre. Aber der Stolz der Ingenieure in Weissach musste arg darunter leiden, dass sie den Zuffenhausener V8 im Süden auf 650 PS getunt und den Turbo damit die Turbo-Version des Cayenne um glatte 100 PS überboten haben.

Doch nun ist die Leidenszeit vorbei, das Imperium schlägt zurück, gibt dem Cayenne mehr Pfeffer und packt den wilden Stier aus Sant’Agata bei den Hörnern. Denn wenn im Sommer die sportlichste Spielart des SUV an den Start geht, stehen plötzlich 640 PS und 850 Nm im Fahrzeugschein. Das erreichen die schnellen Schwaben durch reines Feintuning und eine neue Software und nicht mit einem E-Motor wie im Turbo S E-Hybrid. Im Vergleich zum Cayenne Turbo sind das 90 PS und 80 Nm mehr, was den Sprintwert um etwa eine halbe Sekunde verkürzt und die Höchstgeschwindigkeit von 286 auf 300 km/h erhöht. Der Turbo S E-Hybrid mag zwar immer noch etwas mehr Leistung haben und seine Spitzenposition im Angebot halten – zumindest wenn man den V8 und den E-Motor addiert und bei 680 PS landet. Aber in Sachen Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit kann er mit dem neuen Performance-Modell nicht mithalten.

Nur etwas mehr als drei Sekunden für den Standardsprint und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h – diese Werte sind schon beeindruckend. Aber wenn man sich hinter das Steuer des Prototypen setzt, kommt man aus dem Staunen kaum mehr heraus: Das stattliche das Gewicht scheint sich zu verflüchtigen und die Gesetze der Physik sind vergessen, sobald auch nur ein Schatten des kleinen Zehs aufs große Fahrpedal fällt. Während der Titan-Auspuff hochfrequent dröhnt und sich das matte Silber der beiden imposanten Rohre blau färbt, stürmt der Cayenne davon wie ein wütendes Nashorn, das sein Horn in das Heck jedes SUV rammen möchte, das sich vor ihn auf die linke Spurt getraut hat – alle Lamborghinis und Bentleys inklusive. Solange man nicht auf einer seeehr seeeehr langen Gerade auf einer leeren Autobahn oder noch besser auf der Döttinger Höhe unterwegs ist, wo Italiener und Briten tatsächlich die etwas höhere Endgeschwindigkeit ausfahren können, lässt sich der Porsche nicht abschütteln, sondern zieht mit einem trotzigen Grinsen vorbei. 

Und da Porsche an nichts gespart hat und diesen Cayenne mit allen dynamischen Features aus dem Regal in Weissach bestückt hat, ist dieser Wagen nicht nur auf der Geraden schnell. Die Dreikammer-Luftfederung, die 15 Prozent steifer ist und 7 Millimeter tiefer liegt als beim GTS, die dynamische Fahrwerksregelung, das Torque Vectoring und die Hinterradlenkung helfen, selbst eine enge Strecke wie das Infield von Hockenheim gut zu meistern. Während die maßgeschneiderten Pirelli P Zero Corsa auf den 22-Zoll-Rädern schreiend ihre Spuren auf dem Asphalt hinterlassen, geht der Cayenne mit Leichtigkeit um die schärfsten Kurven, dreht sich in Haarnadelkurven, bleibt bei Sprüngen und Bodenwellen auf der Straße und die beeindruckenden, pizzateller großen Keramikbremsen haben einen Biss wie eine britische Bulldogge, die selbst die 2,2 Tonnen des Riesen kleinkriegt. Nicht, dass man einen solchen SUV oft in der Boxengasse sehen wird. Und da die Auspuffrohre in der Mitte die Montage einer Anhängerkupplung verhindern, kommt er nicht einmal als Zugnummer für den Lieblingsrennwagen in Frage. Aber wer aus Versehen mal falsch abbiegt, der ist überrascht, wie spritzig dieser Cayenne tatsächlich ist. Und wie durstig der Fahrer danach ist. Denn ja: Selbst mit all den Gadgets aus der Elektronik-Abteilung fühlt es sich immer noch wie ein Workout an, dieses Nashorn zu fahren. Aber keine Sorge, dieses Workout ist ungeheuer befriedigend und entsprechend lohnenswert. 

Aber Porsche hat nicht nur alle verfügbare Technik eingebaut, um das Auto so agil und aggressiv wie möglich zu machen und gleichzeitig ein beeindruckendes Maß an Langstreckenkomfort zu erhalten. Nicht umsonst sind die Sitze nicht zu tief ausgeschnitten, die Fahrwerksabstimmung im zumindest im Cruise-Modus sehr verzeihend und etwas GT-ähnlichem Luxus gibt es dank der zusätzlichen Alcantara-Polster für fast jeden Quadratzentimeter des Innenraums auch. Sondern die Entwickler haben auch eine Menge rausgenommen – und um jedes Kilo gekämpft. Das neue Performance-Modell, das ausschließlich als Cayenne Coupé angeboten wird, ist nur als Viersitzer erhältlich und hat serienmäßig das Carbon-Dach, was allein 22 Kilo spart. Weitere 18 Kilo werden mit dem Titanauspuff und 22 Kilo mit den Keramikbremsen eingespart: „Das Ergebnis ist exakt das gleiche Gewicht wie der Turbo – nur mit mehr Technik“, sagt ein Ingenieur.

Während der Testfahrt reden sie über pure Technik, gehen auf jedes Detail von Setup, Ausstattung und Trim-Level ein und tauschen sogar die Plätze, um uns eine Weile mit ihren Prototypen fahren zu lassen. Und keine noch so gute Tarnung kann die wichtigsten Styling-Hinweise verdecken, wie den ausfahrbaren Heckflügel mit größerer Lippe, die riesigen Lufteinlässe an der Front oder die messerschafen Flaps, die sie am Dachspoiler angebracht haben. Aber selbst nach einem ganzen Tag mit einem halben Dutzend Erlkönigen und Experten bleiben zwei Details geheim: Der Name des Autos und sein Preis. Zumindest letzterer ist leicht einzuordnen: Er wird oberhalb des Turbo S und unterhalb des Urus liegen und sich deshalb bei rund 200.000 Euro einpendeln. 

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