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Seat Leon Cupra R: Verführerisches Understatement

Verführerisches Understatement

Der Seat Leon Cupra R

Es wird nie wieder einen Seat Leon Cupra geben. Technisch gesehen ist das die Wahrheit, aber praktisch wird es den spanischen Kompaktsportler auch in Zukunft geben, nur eben als Cupra Leon. Wir haben den schärfsten Seat Leon Cupra aller Zeiten (wirklich, weil noch einer kommt jetzt ja nicht mehr), den Leon Cupra R, ausführlich getestet und dabei die folgenden Eindrücke gesammelt.

Text: Jakob Stantejsky
Wenn mir jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass Seat hochexklusive 799 Exemplare eines mattgrauen Autos mit bronzefarbenen Elementen baut, hätte ich ihm wahrscheinlich den Vogel gezeigt. Doch jetzt stehe ich hier, vor dem Seat Leon Cupra R. Vor einem Auto, von dem ich nie wusste, dass ich es brauche. Aber dieser Kompaktsportler weckt echte Begierlichkeiten bei mir. Denn mit nicht mal tausend Stück weltweit ist der Seat Leon Cupra R tatsächlich seltener als die allermeisten Superdupersportwagen und dennoch relativ preiswert zu haben. Nicht einmal die 50.000er-Marke knackt der durchnummerierte Kompaktsportler und eignet sich noch dazu durchaus auch als Erst- und Einzigauto. Für dieses Geld kriegt man so ein Paket nirgends sonst. Garantiert. Der Leon Cupra R lockt nämlich nicht nur mit Prestige- und Raritätswerten, sondern auch und vor allem mit Fahrwerten. Mit 310 PS ist er nicht nur der stärkste Cupra bisher, sondern dank des extra nachjustierten Sportfahrwerks pickt er auch auf der Straße wie noch kein Sportmodell der Spanier je zuvor. Das klingt nicht nur auf dem Papier gut, sondern wirkt sich auch in Punkto Fahrspaß spürbar aus.
Denn kaum habe ich im Seat Leon Cupra R Platz genommen, werde ich von den Sportsitzen quasi als Teil des Interieurs akzeptiert und sitze wie festgeschweißt im Cockpit. Mit Alcantara hat Seat wahrlich nicht gegeizt und dementsprechend strotzen sowohl das Gestühl als auch das Lenkrad vor samtiger Weiche. Das Material bietet allerdings auch hervorragenden Halt und macht ein Abrutschen schweißnasser Hände quasi unmöglich. Und ins Schwitzen kommt man im Leon Cupra R schnell mal, sei es nun bei vollem Karacho und ohne Rücksicht auf der Rennstrecke, wie ich vor einigen Wochen feststellen durfte, oder auch bei der rasanten Landpartie. Denn das – wait for it – manuelle Sechsganggetriebe lässt sich so butterweich und gleichzeitig hochpräzise umrühren, als ob ich ein Meisterbäcker am Schneebesen wäre. Steif wird dabei im Cupra R auch etwas, nämlich die Federbeine, die kaum nachgeben, wodurch sie Sportwagenfeeling versprühen und dementsprechend hurtige Lastwechsel ermöglichen.

Im Alltag zieht der Fronttriebler dafür natürlich auch recht knackig über Unebenheiten, aber im Komfortmodus und mit angepasster Fahrweise lässt es sich im Leon Cupra R eigentlich sehr fein leben. Auch in der Stadt oder auf der Autobahn kann man gut und gern zu viert unterwegs sein, denn die Dimensionen bleiben ja weiterhin die eines normalen Kompaktwagens. Der Schalter zum Wechsel von brav auf brutal liegt jederzeit in der Hand des Fahrers – nämlich das eigene Gemüt. Denn mit einem beherzten Tritt aufs Gaspedal oder einer scharfen Lenkbewegung spannt das Auto sofort die Muskeln an und schießt los. Soundtechnisch hält sich der Kompaktsportler übrigens wie schon der „normale“ Leon Cupra eher zurück und klingt zwar durchaus kernig, brüllt einen aber nicht an wie ein gestörter Gockelhahn.
Am Außendesign habe ich ja einen Narren in der Größe eines Brontosaurus gefressen. Mattgrau geht ja an sich schon fast immer, aber gepaart mit den bronzefarbenen Rückspiegeln, Felgen und sonstigen Akzenten und dem hie und da verteilten Karbon wird der Leon Cupra R einfach verführerisch, ohne jedoch billig zu wirken. Im Vergleich zu vielen anderen sportlichen Fahrzeugen übt er sich eher noch im Understatement, zeigt aber genug, um Frühlingsgefühle sprießen zu lassen.

Außen hui, innen hui, fahrerisch huuuuiiii – bei mir persönlich lässt der Seat Leon Cupra R keine Wünsche offen. Klar gibt es sportlichere Autos, klar gibt es praktischere Autos. Beides sogar im Segment der Kompaktsportler. Aber ich tue mir sehr schwer, die Worte „mein Lieblingskompaktsportler“ zurückzuhalten. Hoppala, jetzt habe ich es ja doch gesagt. Aber eigentlich nicht wirklich. Ich halte sie weiterhin zurück. Eine Kaufempfehlung gibt’s von mir allerdings definitiv. Blöd nur, dass er schon ausverkauft ist. War ja klar.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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