Erste Reise im neuen Dauertest-Leon TGI. Es geht nach Polen. Die Befürchtungen eines Autodiebstahles halten sich in Grenzen, man ist ja heutzutage weltoffen und hat keine Vorurteile. Gänzlich angstbefreit geht’s trotzdem nicht in den Urlaub. Das hat aber andere Gründe.
Text: Maximilian Barcelli
Denn Polen ist ein großes Land, fast viermal so groß wie Österreich. Zwar verfügt der Staat über ein Gastankstellennetz, das dem der konventionellen Kraftstoffe in nichts nachsteht, leider handelt es sich dabei um das falsche Gas. Flüssiggas, kurz LPG (das Gas, das ungern in Garagen gesehen wird …), ist der Hit dort. CNG hingegen … nun ja. Das Erdgas-Tankstellennetz ist in Polen etwa so gut ausgebaut wie der öffentliche Verkehr in der nordsibirischen 300 Seelen-Fischersiedlung Ust-Port. Gut, nach Krakau sind es eh nur 464 Kilometer, was bei einem Tankvolumen von 17,3 Kilogramm und einem offiziellen Verbrauch von 3,6 Kilogramm CNG pro 100 Kilometer sogar ohne Tankstopp möglich sein sollte. Müsste es aber gar nicht, die Route führt nämlich durch das gelobte Erdgas-Land Tschechien. Von Wien nach, sagen wir einmal, so ganz zufällig ausgewählt; Sopot sind es hingegen schon satte 911 Kilometer (ja, der Link führt zu einem 911er-Testbericht). Witzigerweise ging es nach Sopot. Unteranderem zumindest.
Der Ort an der Ostsee, der ein bisserl so das Lignano von Polen ist, nur mit weniger besoffenen Österreichern und mehr besoffenen Polen, bildet zusammen mit Danzig und Gdynia den Ballungsraum „Dreistadt“. Passend dazu existieren auch exakt drei CNG-Tankstellen dort oben. Nicht besonders viel, aber genug, um sich in Sicherheit zu wähnen. Das größere Problem war eigentlich: Wie überhaupt nach Sopot kommen?
Zwar tankst du CNG schneller und somit komfortabler als Strom, trotzdem haben die beiden alternativen Antriebe etwas gemein – und zwar die notwendige Recherche vor der Fahrt. Die war ernüchternd. Nur 25 öffentliche und geöffnete Tankstellen zählt das polnische CNG-Netz aktuell laut CNG-stations.net. Zum Vergleich: Österreich wartet mit mehr als 170 auf. Auf mehr oder weniger direktem Weg nach Sopot mit Zwischenstopp in Łódź gibt es genau drei CNG-Tankstellen. Eine westlich von Katowice, eine in Toruń, eine in Hohensalza. Die in Katowice offeriert Erdgas nur von Montag bis Freitag. Wir fuhren am Samstag.
Bedeutete: Das letzte Mal Erdgas tanken in Tschechien, so nah an der polnischen Grenze wie nur möglich. Dann nach Łódź, dort nächtigen, bevor es dann etwas brenzlig werden könnte. Die zwei CNG-Tankstellen liegen zirka auf der geplanten Direttissima von Łódź nach Sopot. Eine davon hat nur Montag bis Samstag geöffnet. Wir fuhren natürlich am Sonntag. Die war aber sowieso nicht die optimale, weil Hohensalza rund 60 Kilometer von der Autobahn entfernt liegt. Toruń also. Geburtsstadt von Nikolaus Kopernikus, dem Typ mit dem heliozentrischen Weltbild. Soll schön sein, sich also bestens für eine längere Kaffeepause eignen. Why not? Distanz zwischen der Tankstelle in Tschechien und Toruń: 450 Kilometer. Hart am Limit. Und von Toruń nach Sopot sind’s ja dann auch noch 200 Kilometer.
Mit dem erlernten Wissen und der Angst, für läppische 200 Kilometer dreimal Benzin tanken zu müssen, weil die Station in Toruń geschlossen sein könnte und der Seat Leon ST TGI nur über einen Benzin-Nottank von neun Litern verfügt, ging’s dann los. Wieso sie nicht offen haben sollte? Nun, die Google-Bewertungen waren kryptisch. Die Realität noch kryptischer. Aber der Reihe nach.
Neun Tage, vier Personen – da kommt schon einiges an Gepäck zusammen. Zwar offeriert der TGI 105 Liter weniger Kofferraumvolumen als ein Leon ST mit konventionellem Antrieb, der erste Praxistest aber zeigt: Auch die 482 Liter des TGI sind absolut ausreichend für vier Passagiere – selbst wenn es mehr als eine Woche in den Urlaub geht und die Wetterprognosen von kurze Hose bis Winterjacke reichen. Der Gepäckraum war gut befüllt, viel hätte nicht mehr reingepasst, auf den Mittelplatz der Rückbank oder dergleichen musste aber nicht ausgewichen werden.
Die ersten Kilometer zur österreichisch-tschechischen Grenze baten wenige Überraschungen seitens des Seat: Dass sich ein Erdgas-Auto so selbstverständlich fährt, wie ein Benziner, wissen wir schon aus diversen Tests. Und auch punkto offiziellen Verbrauchsangaben hält es so ein CNG betriebenes Auto ähnlich wie ein Benziner oder Diesel – nämlich äußerst unrealistisch. Die Reichweitenanzeige sank unverhältnismäßig stark, der Blutdruck tat gegenteiliges. Egal, die Sorgen lassen sich auch auf morgen verschieben. Nach Łódź, wo Nachtpause angesagt war, schafft man’s alle mal. Das ergab ja die Vorrecherche.
Vielleicht hat mich dieses Sicherheitsgefühl gepaart mit dem Wunsch, die erste Etappe möglichst schnell hinter mich zu bringen, auch dazu verleitet, nicht besonders ökonomisch zu fahren. Anstatt auf der Autobahn im Verkehr mit zu schwimmen wurde überholt, abgebremst, beschleunigt, wieder überholt, und so weiter. Wäre ja bis zur ersten Tankstation egal gewesen, aber dann halt nimmer. Auf der Autobahn jedenfalls gibt der Seat Leon ST TGI eine bessere Figur ab, als die 130 PS und zehn Sekunden von 0 auf 100 km/h vermuten hätten lassen. Auch bei höherem Tempo zieht er sauber an, klingt dann zwar ein bisserl angestrengt, aber überzeugt im Großen und Ganzen.
Kilometer über Kilometer flogen wir von der tschechischen Grenze gen Polen. Anfangs ein kleines Landstraßen-Intermezzo, dann weiter via Autobahn an Brünn vorbei. Das Navigationssystem dirigierte uns zu einer tschechischen Tankstelle nahe Ostrau. Dort dann, nach mehr als 300 Kilometern: Futter. Für Mensch und Maschine. Wobei das Futter für den Mensch fast teurer war. Dafür aber auch unkomplizierter. Einverstanden, Erdgas tanken ist keine Hexerei. Wenn man mit dem Vorgang aber noch nicht ganz auf Du und Du ist, kann es sein, dass man sich die ersten Male ein bisserl spielen muss – wie bei so vielen anderen ersten Malen auch. Insbesondere wenn der Ablauf an der Säule nur in bestem Tschechisch beschrieben wird. Erdgas tanken ist übrigens auch sicherer als Benzin oder Diesel tanken, weil das Gas erst dann abgegeben wird, wenn Zapfkupplung und Stutzen fix miteinander verankert und verriegelt sind.
Der Tankvorgang selbst dauert nur unwesentlich länger als sonst, vielleicht sind’s bei völlig leerem Tank rund zwei Minuten. Meiner war (auch, weil er vor der Abfahrt nicht ganz voll war) fast leer. 15,57 Kilogramm feinstes komprimiertes Erdgas verspeiste unser Dauertester – die Preisanzeige pendelte sich bei 428,18 ein. Schock. Dann Erkenntnis. Die Tschechen und ihre Kronen. In Euro machte die erste Betankung nicht einmal 17 Euro aus. Mehr als 350 Kilometer gefahren, keinen davon ökonomisch bedacht, und das für keine 17 Euro?!
Der vergleichbare Benziner-Leon verbraucht offiziell(!) 5,5 bis 6,1 Liter pro 100 Kilometer. Wir gehen jetzt vom größeren Wert aus, weil auch nur der mit federleichtem Gasfuß erreichbar ist, wenn überhaupt. Also: 6,1 Liter pro 100 Kilometer, heißt für 350 Kilometer ein Verbrauch von über 21 Litern Super. Das multiplizieren wir nun mit dem (österreichischen) Durchschnittspreis für einen Liter Super im August und erhalten zirka 26 Euro und 60 Cent. Na bumm! Innerhalb der ersten Etappe schon einen Zehner gespart, einfach so.
Dementsprechend gut gelaunt ging es dann von der tschechisch-polnischen Grenze weiter Richtung Łódź. Die Autobahn A1, die auch schneller und somit verbrauchsintensiver als sonst befahren werden kann, weil in Polen Tempolimit 140 gilt, verließen wir in Tschenstochau – zwangsweise, da der Rest typisch Osten noch nicht fertiggestellt ist – und stauten uns durch die City, weil Demonstranten, die sich später als Pilger zur Schwarzen Madonna von Tschenstochau rausstellten, die Straßen blockierten.
Nach dem ineffizienten Stop p and Go stand mehrspurige Landstraße an, wo das Tempolimit von 80 km/h gottlob nur eine Empfehlung ist, wie die Einheimischen genau wussten und deshalb mit 150 Sachen plus an mir vorbei bretterten. Brettern im wahrsten Sinne des Wortes, denn was die Straßenqualität angeht, ist Polen von Diversitäten geprägt. Auf der einen Seite neue, bestens asphaltierte Autobahnen, auf der anderen Seite Schlaglöcher, die mehr so ganze Gräben sind. Obwohl in der FR-Ausstattung mit knackigerem Fahrwerk gesegnet, bietet der Leon auch auf schlechten Straßen mehr als genug Komfort.
Macht aber nix, der Nottank war eh voll und unseren füllten wir gerade mit viel zu herrlich schmeckendem Bier auf, als dass man sich in Sorgen verirren hätte können. Und wenn man bewusster fährt, dann würden sich bestimmt mehr als nur 110 Kilometer ausgehen. Gingen sich auch – erst bei rund 40 Kilometer vor Toruń verabschiedete sich das Erdgas und der Leon fuhr mit Benzin weiter. Übrigens ein unmerkbarer Vorgang, dieser Switch. Tempomat auf 120 km/h und so wenig Bremsen und somit Beschleunigen wie möglich war nun sicherheitshalber angesagt.
Was natürlich eine enorme Wirkung hat. 110 Kilometer hätten wir laut Seat-Bordcomputer mit dem vorhandenen Benzin kommen sollen. Nach 20 Kilometern: immer noch 110. Nach 30 auch noch. Zusätzlich verschwand kein einziges Achtel der Tankinhalt-Anzeige. War sie kaputt? Schon fast 40 Kilometer mit dem neun Liter Tank hinter uns gebracht und quasi nix verbraucht? Unmöglich, die Tankanzeige muss kaputt sein. Und wenn dem so sein sollte … war der Tank dann überhaupt voll? Panik. Ohne Sprit mitten in Polen auslaufen – darauf hatte ich echt nicht so Bock. Also schnell zur nächsten Tankstelle, die bereits in Toruń lag. Oh Mann, war ich gespannt darauf, wie viel Benzin der Seat schlucken würde und wie knapp wir uns noch zur Tankstelle gerettet haben. Im Enddeffekt gingen sich fast zwei ganze Liter aus. War ein bisserl peinlich beim Zahlen.
Ja, ja; was bewusst ökonomisch fahren (und natürlich die Tatsache, dass mehr als neun Liter in den Nottank passen, weil allein der Stutzen sicherlich noch einen fasst) bewirken kann. Gelassen kamen wir dann an der ursprünglich angepeilten „Tankstelle“ in Toruń an. Soll heißen: Einem Busparkplatz in Hinterhofstyle, auf dem eine einzige CNG-Zapfsäule steht. Auf der wiederum hängt provisorisch ein A4-Zettel, der vermutlich gar nicht so provisorisch ist, mit einer Telefonnummer oben. Anrufen, CNG ins Smartphone brüllen und nach ein, zwei Minuten kommt ein Pole im Blaumann mit dem Fahrrad angebraust. Weil der Pole so gut Englisch sprach, wie ich Polnisch, blieb die Plauderei leider aus, aber er wusste, was ich will, nämlich Erdgas, und ich wusste, was er will, nämlich Geld. Aber natürlich nicht viel Geld, für 23 Kubikmeter (die gängige Messeinheit für Erdgas in Polen), was klarerweise einmal volltanken ist, wurden 87 Zloty fällig, also rund 20 Euro. 20 Euro für 400 Kilometer – irre!
Der Benzin-Leon hätte etwa 30 Euro geschluckt. Und bitte bedenken: Wir messen hier mit zweierlei Maß – nämlich einmal mit dem offiziellen, einmal mit dem Realverbrauch. Nach der Kaffeepause im tatsächlich hübschen Toruń und kurzer Besichtigung des Kopernikus-Geburtshauses stand die vorübergehend letzte Etappe an. Ohne Probleme, ohne Reichweitenangst; herrlich. Programmpunkt für die nächsten Tage: Strand, Strand, Danzig, die größten Wanderdünen Europas und einmal tanken, um zu diese zu gelangen. Wieder befand sich die Säule auf einem Busparkplatz. Kleines Upgrade: Das Personal musste nicht angerufen werden, sondern war in Sichtweite. Den Seat Leon ST TGI gar selbst füttern war aber auch hier Fehlanzeige.
Nach teils entschleunigenden, teils beschleunigenden Tagen in Sopot und Umgebung (bye the way: Danzig, absolute Empfehlung) trat die Reisegruppe die vorletzte Etappe an: Sopot-Krakau – natürlich mit Zwischenstopp in Toruń, um den CNG-Haushalt wieder auf Vordermann zu bringen. Die nervliche Anspannung bei der Rückfahrt blieb aus, in Krakau und Umgebung ist man CNG-mäßig safe und mittlerweile wussten wir, wie der Erdgas-Hase läuft. In Polen nämlich wie ein angeschossener Hase, aber immerhin einer, der noch laufen kann.
Fazit der ersten großen Reise mit unserem neuen Dauertester? Nachher ist man immer schlauer, keine Befürchtung bewahrheitete sich und die zuvor verlorengegangenen Nerven wären echt nicht nötig gewesen. Selbst in einem Land mit dürftig ausgebautem CNG-Netz schränkte uns der Erdgasbetrieb nur geringfügig ein. Einverstanden, ein bisserl zeitintensiver war’s schon. Die Recherche vor dem Startschuss, dann die Abstecher zu den Erdgas-Tankstationen, die sich ja nicht direkt an der Route befanden. Aber mehr als ein, zwei Stunden haben sich im gesamten Urlaub daraus nicht ergeben.
Insgesamt fielen Tankkosten von knapp über 100 Euro (exklusive den paar Euronen für die fast zwei Liter Benzin) für eine Strecke von 2273 Kilometern an. Pi mal Daumen haben wir uns also rund 70 Euro gespart – für schlimmstenfalls zwei Stunden Aufwand. Und es sei noch einmal erwähnt: Wir rechnen bei CNG mit dem Realverbrauch, bei Benzin mit dem offiziellen (6,1 Liter/100 Kilometer). Echt beeindruckend! Jedenfalls: Ende gut, alles gut. Notiz an mich selbst für die nächste Reise: Lockerer angehen. Der Seat Leon ST TGI bringt mich schon ans Ziel.