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Audi RS 6 Avant: Der Lustkraftwagen

Er ist der heimliche Traum aller Handlungsreisenden und tief in der Sehnsucht der Familienväter verankert. Denn wenn Audi zum Jahresende den RS 6 Avant an den Start bringt, wird aus dem fast perfekten, aber dabei auch ziemlich unterkühlten Lastesel ein leidenschaftlicher Lustkraftwagen.

Von Thomas Geiger

Auf seinem Weg an die Spitze des Feldes legt der Kombi alle falsche Zurückhaltung ab und leistet sich ein Design so mutig und so provozierend, wie es das bei Audi schon lange nicht mehr gegeben hat: Der Kühlergrill ist so weit aufgerissen, als wolle der RS 6 all jene Autos verschlingen, die nicht rechtzeitig die linke Spur räumen, die weit über die 21-Zöller gezogenen Kotflügel scheinen fast zu platzen, so prall sind sie geformt. Und das Heck mit seiner markanten Chromspange um die dicken Endrohre ist eine einzige Provokation – nicht nur für all jene, die partout nicht an diesem Kombi vorbeikommen. Sondern auch für alle jene, die sich sorgen ums Klima machen. Denn diesem Auto sieht man von hinten schon an, dass man den CO2-Ausstoß hier besser in Kilo misst als in Gramm.

Für die einen der Quell der Freude und für die anderen der Kern des Übels ist ein V8-Turbo, der aus vier Litern Hubraum imposante 600 PS und – wichtiger noch – 800 Nm schöpft. Damit hat der RS 6 einen Punch wie ein Preisboxer und wer das Gaspedal mit mehr als dem kleinen Zeh berührt, der erlebt sein blaues Wunder.

Denn dann wird der spießige Kombi zum Supersportwagen, bäumt sich kurz auf und stürmt dann davon, als gebe es kein Morgen mehr: Von 0 auf 100 km/h dauert es nur 3,6 Sekunden und die üblichen 250 km/h sind eine Hürde, die er gegen einen geringen Obolus nur allzu bereitwillig überspringt. 280 und für einen weiteren Aufschlag sogar 305 km/h lässt Audi den Kombinations-Kraft-Wagen locker laufen und je länger man damit fährt, desto fester ist man überzeugt, dass auch dieser Grenze mit reiner Willkür gezogen ist. Denn atemlos wirkt der RS 6 selbst bei hohen Geschwindigkeiten nicht.

Dabei ist der RS 6 nicht nur auf der Geraden schnell. Sondern wahlweise mit Luft- oder Stahlfeder, aber immer straff und gut mit der Straße verbunden, lässt sich der Kombi trotz seiner stolzen fünf Meter und nicht gerade schmächtigen 2,1 Tonnen an der kurzen Leine auch über eine verwundene Berg- oder Küstenstraße mühelos entlang der Ideallinie führen. Erst recht, wenn die Hinterachslenkung mit an Bord ist. Dazu noch Bremsen vom Format einer Familienpizza und natürlich der obligatorische, wenn gleich etwas Hecklastig ausgelegte quattro-Antrieb, schon fliegt man schneller über die Landstraßen als es sich einer Familienkutsche geziemt und nach drei, vier Kurven hat man vergessen, dass man in einem Kombi sitzt, bei dem im Fond sonst gerne mal die Pampers-Fraktion plappert und dahinter Platz für bis zu 1.680 Liter Ladung bleibt.

Rasend schnell, extrem präzise und das Design pure Provokation – so deutlich wie der RS 6 hat sich schon lange kein Audi mehr aus der Deckung getraut und kein anderer kämpft so tapfer gegen das Vorurteil vom sterilen Streber. Doch so ganz können die Bayern offenbar nicht aus ihrer Haut. Denn spätestens wenn es um den Sound des Sportwagens geht, fehlt dem RS6 der letzte Biss und die Bestie klingt selbst im sportlichsten Fahrprofil, als hätte sie Kreide gefressen. Aber vielleicht ist das auch nur ein geschickter Trick. Denn ohne das wilde Brüllen und Bollern trifft einen beim Kickdown der Faustschlag in die Magengrube umso überraschender.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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