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Auf der Alm gibt’s kan Synth

Ferrari GTC4 Lusso

Auf der Alm gibt’s kan Synth

Folgerichtig bleibt dem Orgler nichts anderes übrig, als anderswie für Lärm zu sorgen. Gerne zur Seite springt hier die Gerätschaft, mit der man bisweilen auch die Hammond B3 transportiert: Ferrari baut neuerdings Kombis.

Text: Franz J. Sauer
Wir erinnern uns doch alle noch an den sagenhaften Ferrari-Boss Luca di Montezemolo. Für seinen alltäglichen Arbeitsweg vom heimischen Rom zum Büro in Maranello wählte dieser bekanntlich das unorthodoxeste wie gleichzeitig bequemste Verkehrsmittel, das man sich nur vorstellen kann: einen Privatzug. Da neigt man verständicherweise dazu, stets etwas mehr Ballast im Aktenköfferl herumzuführen. Und damit dieses dann auch noch in den Kofferaum passt, wenn’s vom Bahnhof heimwärts geht, hatte dieser Format zu haben, ganz genau so wie sein Chef. Und schon ward der Ferrari FF aufs Reißbrett gemalt. Nicht nur der erste Allradler (FF = Ferrari Four), sondern auch der erste Shooting Brake der Marke. Nun, keine acht Jahre später, sind beide Geschichte bei Ferrari, Montezemolo wie der FF. Aber Letzterer hat wenigstens einen würdigen Nachfolger bekommen: den GTC4 Lusso.
Bevor es ans Gerät geht, braucht’s aber schon noch ein bissl Geschichte. All das hier begann ja eigentlich schon 1993. Damals brachte Ferrari mit dem 456 GT einen echten Gran Turismo für die eher untypische Kundschaft der Marke. Nämlich jene, die auch gerne mal ein springendes Pferdchen auf der Motorhaube gehabt hätten, obwohl sie längst nicht (mehr) in echte Sportsitze passten. Zuvor hatte es schon die schönen Limousinen der 400er-Reihe gegeben, allesamt zumeist mit Automatik. Und allesamt vom Sportwagen-Point-of-View nicht ganz ernst zu nehmen. Der 456 aber konnte auch anders, wenn man nur wollte. Lief knappe 300 auf der Autobahn. Und ließ sich trotz metallischer Kulissenschaltung und doch eindrucksvoll hart gestellter Kupplungsfeder recht unpeinlich durchs Großstadtgewühl manövrieren, wenn es der Alltag verlangte.
Erstaunlich lange, nämlich über 11 Jahre, zog sich der Lebenszyklus des 456, dessen „Modificatione“ namens 456M nicht wirklich viel Neues brachte. Abgelöst wurde er schließlich vom 612 Scaglietti und heute, mit dem entsprechenden Abstand zu den Lebenstagen dieses Geschwürs, kann man wohl ohne Scham und Scheu zu Protokoll geben: Dieser war kein großer Wurf. Zu lang, zu wuchtig, dafür dann aber auch wieder zu schmale Augerln und ein doch sehr fiatöses Heck. Keine Kanten, keine Fugen, kein Charakter. Und auch keine besondere Beliebtheit bei den Sammlern und Jägern, die sonst wirklich um jeden Ferrari buhlten, auf dass er in den Preislisten kräftig zulegte. Erst mit dem FF legte Ferrari dem eigenen Ruf entsprechend nach. Womit wir thematisch wieder beim Einstieg angelangt wären und nun endlich zur Sache kommen können.
Der Ferrari GTC4 Lusso wurde 2016 in Paris vorgestellt und brachte zunächst keine Revolutionen. Der 6,3 Liter V12 aus dem FF wurde direkt übernommen, der Allradantrieb wie beim guten, aufgekochten Gulasch nachgewürzt, und die Karosserie bekam da wie dort ein bisschen mehr Charakter ins Blech gefalzt. Grundsätzlich nahm man sich beim Lusso aber das Recht, an einem wirklich guten Sportwagen nicht krampfhaft irgendwas zu verschlimmbessern. Bloß ein Einsteigermodell wurde nach zwei Jährchen nachgereicht, der 4,9 Liter große V8 im GTC4 Lusso T bringt knapp 80 Pferde weniger auf den Asphalt, tut sich dabei allerdings auch ein bisserl schwerer, weil ihm der Allradantrieb fehlt. Etwas für Puristen, sagen die einen, etwas für arme Leute die anderen. Chacun à son goût.
Nun lud man eine handverlesene Gruppe von Journalisten in den ewigen Schnee von Saalfelden, um gleich von vorneweg klarzustellen: Der Achttopf ist diesmal zu Hause geblieben. Tatsächlich verblüffend zeigt sich, was ein Allrad-Ferrari punkto Traktion so alles leisten kann, wenn man ihm statt heißen Asphalt eisigen Schnee unter die Hufe schiebt. Die Kür zur Pflicht auf Schnee und Eis war dann letztlich aber doch die Ausfahrt ins Gebirge, auf schon trockenen Straßen, aber noch mit schattigen Winkeln im allgegenwärtigen Wald, wo einem auf einem feuchten Fleckchen schon mal der
Hintern kommen könnte.
Dass ein Ferrari nichts für Beifahrer mit schwachen Nerven ist, wird im GTC4 Lusso insofern unterstrichen, als auch der Co-Pilot ein kleines Kombinationsinstrument vor der Nase hat, das ihm in Echtzeit die Speedverbrechen des Fahrzeugführers vor Augen führt. Freilich informiert einen der kleine Bildschirm bei Bedarf auch über physikalische Werte à la Querbeschleunigung. Aber auch Google Maps spielt’s im Fernsehen und sogar der aktuelle Radiosender wird bei Bedarf nicht verschwiegen, falls hier wer wirklich was anderes als den Brumm des Motors hören mag.
Eben jener Purist, der schon weiter oben von armen Leuten sprach, wird sein Möglichstes tun, um den Lusso ohne die depperte Spielerei ausgeliefert zu
bekommen, schlimmstenfalls klebt er den Screen mit Gaffa­tape zu. Ich mein’, wo samma denn? So weit kommt’s noch, dass der Beifahrer was zum Mitreden bekommt. Schon das Manettino mit den vielen Knöpferln und Radln bietet ein bissl zu viel Entertainment für den Freund der wahren Lehre. Bloß dass hier letztlich ganz viel Elektronik beim Thema Traktion mitdiskutiert wie abends bei „Im Zentrum“, kommt letztlich dem Börsel zugute, was auch der Purist zu schätzen weiß.

Was bleibt, ist Faszination. Für die Marke, für die Technik, für das Gesamtpaket. Und ja, auch das Wedeln im Schnee hatte Charme. Aber das war, echt jetzt, mit dem 456er dereinst im tiefverschneiten Wien auf Sommerreifen lustiger.

Ferrari GTC4 Lusso

Hubraum: 6.262 ccm
Leistung: 690 PS
Verbrauch: ja eh auch viel
Drehmoment: 697 NM / 5750 U/min
Beschleunigung: 0–100: 3,4 s
Spitze: 335 km/h
Gewicht: 1.790 kg
Preis: ab 340.030 Euro

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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