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Porsche 911 Dakar: Pfeffer statt Cayenne

Seriensportwagen zu Rallyeboliden ­um­zubauen, liegt derzeit im Trend und bringt ­entsprechend Cash. Die Hersteller haben keine Lust mehr, den Aftermarket-Schrau­bern den Reibach zu überlassen und ­machen es jetzt selbst. Gestatten: der ­Porsche 911 Dakar.

Gemeinsam mit dem Lamborghini Huracán Sterrato bildet der 911 Dakar so etwas wie das dynamische Duo der Tiefflieger auf Stelzen im VW-Konzern. Schön, wie leicht das von der Zunge geht. Doch es geht hier beileibe um mehr als lediglich den Schein, weshalb Porsche keine Gelegenheit auslässt, das Bild des seligen Dakar-Siegers 959 heraufzubeschwören. Der 911 Dakar will nicht nur Supersportwagen mit dem gewissen Extra an Bodenfreiheit, sondern tatsächlich offroadtauglich sein. Deshalb wurde das Sportfahrwerk des Elfers gründlich überarbeitet, damit der Dakar von vornherein auf seinen DampTronic X-Dämpfern von Bilstein fünf Zentimeter höher liegt. Auf Knopfdruck streckt er sich sogar um zusätzliche drei Zentimeter – und das jederzeit. Auch gern bei voller Fahrt bis zu 170 km/h. Andere Fahrzeuge, meist natürlich SUV, mit diesem Feature nehmen dem Fahrer auch mal bereits im Ortsgebiet die Entscheidung ab und fahren sich automatisch auf dieses oder jenes Niveau. Die Basis-Bodenfreiheit von 161 Millimetern begegnet dem Cayenne auf dessen niedrigster Stufe auf Augenhöhe. Mit den maximal knapp 25 Zentimetern des Kassenschlagers kommt der 911 Dakar zwar nicht mit, aber knapp 20 Zentimeter sorgen auch schon für ein ruhiges Gewissen in unwegsamen Gelände.

Es mutet schon eigenartig an, mit einem 911er von der Landstraße abzubiegen und durch den Wald zu rumpeln. Setzt er auf dem Erdhaufen da vorne auf? Kratzt dieser abgebrochene Ast gleich über den Unterboden? Behutsam wagt man sich um Zentimeter um Zentimeter vor und fühlt den Rallyespirit irgendwie noch gar nicht. Aber dann steigt man einmal aus, wirft einen Blick von außen auf die Sache und muss unweigerlich über sich selbst lachen. Der Stein hätte ja doppelt so hoch sein können und nichts wäre passiert. Im eigens programmierten Offroadmodus rollt es sich gemächlich, aber unaufhaltsam dahin. Hat der Motor vor zwei Minuten noch jeden Gasstoß mit einer G’nackwatschen quittiert, schiebt er nun deutlich entspannter, aber ebenso unnachgiebig an. Um den äußerst hecklastigen Rallyemodus ordentlich auszureizen, bräuchte es eine Rallyecrossstrecke oder zumindest einen überdimensionalen Sandkasten. Wir nehmen dem 911 Dakar die Offroadreifeprüfung aber auch so ab, ohne seine Kompetenzen bis zum letzten Quäntchen auszuquetschen. Mit leeren Versprechen hat das hier auf jeden Fall nichts zu tun.

So unwiderstehlich der an den 3,0 Liter-Sechszylinder gekoppelte Allradantrieb seine Aufgaben abseits der Straße auch bewältigt, blüht den 2.500 Exemplaren des 911 Dakar wohl doch eher das SUV-Schicksal: Die meiste Zeit wird er keine Unebenheiten weg-, sondern über den Asphalt bügeln. Angesichts des großen Offroad-Potenzials natürlich schade, aber der Fahrer wird trotzdem etwas zu lachen haben. Wobei das niemand hört, da direkt hinter ihm die 480 PS des Boxermotors röhren. Der Unterschied zwischen „Normal“ und „Sport“ auf den größtenteils digitalen Instrumenten hinter dem mit Alcantara bezogenen Lenkrad könnte dabei größer kaum sein. Der 911 schafft es sogar als Dakar, im bravsten Trimm relativ zahm unterwegs zu sein, wenn der Sound nicht gar so schallt und die Dämpfer sich ein wenig Spielraum gönnen. Das Wort „alltagstauglich“ spukt kurz vorsichtig durch den Kopf, wird aber von den brettlharten Vollschalensitzen und dem Überrollkäfig statt der Rückbank doch sehr ad absurdum geführt. Ein- und aussteigen ist hier wirklich eine Kunst, zumindest wenn man dabei halbwegs ernstzunehmend rüberkommen will. Wer seinen 911 Dakar zum Langstreckenmobil machen möchte, sollte unbedingt zu den Sportsitzen greifen. Macht preislich übrigens so oder so keinen Unterschied. Andererseits kann man sich dann doch einfach einen Cayenne (oder halt einen anderen Viertürer aus Stuttgart) für den Urlaub und den Alltag kaufen. Die sind zwar durch die Bank allesamt keine Schnäppchen, wer für einen 911 Dakar aber rund 300.000 Euro oder mehr ausgibt, hat das Kleingeld für einen Zweitwagen aber sicher auch noch irgendwo herumliegen.

Jetzt aber weg vom schnöden Alltag und ab zu „Sport“, wo sich Fahrwerk und Auspuffanlage so ins Zeug legen, dass man den Unterschied sofort bemerkt, bevor man den ersten Kickdown wagt. Über Bodenwellen oder Straßenschäden weiß der Allerwerteste der Insassen nun innerhalb einer Nanosekunde bestens Bescheid und das Aggregat im Heck stimmt den Abgesang der Vernunft an. Am besten kurz anhalten, um sich diese neuen Reize durch den Kopf gehen zu lassen. Und vor allem, um dann auf Bremse und Gas gleichzeitig zu latschen, damit die Launch Control aktiviert wird. Lässt der linke Fuß dann locker, fetzt der 911 Dakar dank 570 Nm Drehmo­ment so abrupt los, dass die allermeisten Elektroautos leichenblass werden. 34 Sekunden dauert es, bis Tempo 100 erreicht ist – zehn mal. Eigentlich sind es nämlich nur 3,4 Sekunden, aber es macht so viel Spaß (und Angst), dass man es sofort noch einmal probieren muss … und noch einmal … und so weiter.

Wegen mangelnder Querdynamik aufgrund der Rallyeabstimmung und der größeren Bodenfreiheit muss man sich keine Sorgen machen. Natürlich ist der niedrigere Schwerpunkt auf der Seite der normalo-Elfer und auf der passenden Strecke lässt sich das erspüren. Auf der öffentlichen Straße kann man den Dakar aber genau so wenig ausfahren wie einen 911 Carrera 4 GTS, der mit dem gleichen Antriebsstrang ausgerüstet ist. Wobei: In Deutschland schafft man es vielleicht sogar. Denn der 911 Dakar macht bei 240 km/h Schluss und hinkt somit selbst der Basisversion des 911 um rund 50 km/h hinterher.

Wofür man den 911 Dakar schlussendlich braucht, stellt sich die Frage. Oder eigentlich auch nicht. Denn ein Auto, bei dem der Hersteller für bunte Klebefolien bis zu 7.719,12 Euro verlangt oder sich das Rallye Design Paket im Stile des Dakar-Siegfahrzeugs von 1984 33.808,90 Euro kosten lässt, ist längst über so triviale Begriffe wie „brauchen“ hinweg. Hier geht es nur um „wollen“. Und waschechte Sportwagen mit waschechter Offroad-Zertifizierung wollen aktuell offensichtlich genug.

Fest steht, dass der Porsche 911 Dakar bei weitem nicht das einzige Auto ist, das keiner braucht – ein Schelm, wer jetzt an SUVs denkt. Aber im Gegensatz zu anderen Protz-, Prunk- und Prahlkarossen ist er mit dem, was er bietet, als Serienauto immerhin einzigartig. Wenn da nur nicht dieser verfluchte Lamborghini Huracán Sterrato wäre.

Porsche 911 Dakar

Hubraum: 2.981 ccm
Leistung: 480 PS
Drehmoment: 570 Nm/2300-5000 U/min
Beschleunigung: 0-100: 3,4 s
Spitze: 240 km/h
Verbrauch: 11,3 Liter
Gewicht: 1.680 kg
Preis: ab 290.225,90 Euro

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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