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Subaru Solterra: Mehr als nur ein Zwilling

Subaru ist in Europa selbst in seiner Nische, vor allem definiert durch permanenten Allradantrieb und Boxermotoren, derzeit arg in Bedrängnis. Den Befreiungsschlag soll nun der Subaru Solterra landen, der als vollelektrisches SUV ganz dem Zeitgeist entspricht.

Fotos: Hersteller, Simon Rainer

Nach diversen Verzögerungen lautet der Plan nun, dass der Solterra Ende dieses Jahres tatsächlich ausgeliefert werden soll – Bestellungen sind ab sofort möglich und die Händler haben endlich auch Exemplare zum Herzeigen. Gute Nachrichten für Subaru. Aber noch bevor er so richtig angekommen ist, muss der Solterra sich gehässigen Bemerkungen ausgesetzt sehen. Er sei lediglich ein Toyota bZ4X in geringfügig anderem Blechkleid, hört man des Öfteren. Stimmt so nicht, hält man bei Subaru fest. Denn tatsächlich wurden die beiden Autos von den japanischen Traditionsherstellern quasi Hand in Hand entwickelt. Die E-xpertise stammt dabei von Toyota, Subaru zeichnet sich für die Allradkompetenz verantwortlich. Und tatsächlich gibt es auch einige Unterschiede unter dem Blech. So ist der Solterra in bester Subaru-Manier immer mit Allradantrieb unterwegs, während der bZ4X auch mit Frontantrieb zu haben ist und selbst in der 4×4-Version nicht über permanente Vierfüßigkeit verfügt. Als kleine Verneigung in Richtung STI kann der Solterra außerdem mit einem dynamischeren Fahrmodus namens Power protzen, auf den Toyota verzichtet. Auch das S-Pedal – ein anderer Name für One Pedal Drive – bleibt dem Subaru vorbehalten.

Bevor wir uns aber allzu sehr in inneren Werten verlieren, werden wir erst mal schön oberflächlich. Und da kann der Solterra vor allem bei Jenen punkten, die es gern etwas robuster haben. So beschränkt er sich nicht einfach auf die für SUV obligatorische Plastikbeplankung der Radkästen, sondern zieht den Kunststoff weit bis in die Front vor. Sicherlich Geschmackssache. Und gleicht dem bZ4X in der Hinsicht wie ein Ei dem anderen. Generell ist die enge Verwandtschaft praktisch unverkennbar, so eigenständig wie mit den bisherigen Subarus ist man also definitiv nicht mehr unterwegs, auch wenn beispielsweise der Grill dem markentypischen Hexagonlook angepasst wurde.

Gleiches gilt für das Cockpit. Einander gegenübergestellt könnten Fotos aus dem Solterra und dem bZ4X auch ein „Finde die Unterschiede“-Suchrätsel bilden. Und kein einfaches – abgesehen vom Logo auf dem Lenkrad. Aber noch einmal: All das bedeutet nicht, dass der Subaru ein Abklatsch ist – sondern lediglich, dass beide Fahrzeuge gemeinsam entwickelt wurden. Jetzt aber genug davon. Wobei, einen Vergleich muss man noch ziehen: Denn der Blick übers Lenkrad hinweg auf die digitalen Instrumente erinnert doch ganz gewaltig an Peugeot – nur dass das Steuer des Solterra normal groß ist. Dass der Bildschirm von zwei alles andere als filigranen Plastikarmen gehalten wird, mutet leider extrem billig an. Überhaupt ist das Cockpit mit seinem 12,3 Zoll großen Touchscreen zwar modern und effizient gezeichnet, versprüht aber nicht die große Leichtigkeit.

Die kommt aber rechts vom Gangwahlknauf in Form der Offroad-Schalter umso besser zur Geltung. Denn der Subaru Solterra gräbt sich dank zwei unterschiedlicher Modi für den Gatsch sowie einer Bergab- und anfahrhilfe mühelos durch jedes Gelände. Das funktioniert im ersten Test auch bei dramatischen Hindernissen tadellos. Größtenteils kann man die Füße sogar komplett hochlegen und dem Auto die Gripsuche und Gasverwaltung ganz überlassen. Der Solterra macht einem das Offroaden wirklich leicht. Hin und wieder kratzt er zwar an seinen Grenzen, findet schlussendlich aber doch immer einen Weg, wo keiner ist.

Abseits des Unterholzes – also auf dem Asphalt, wo sich Pkw 99,9 Prozent der Zeit fortbewegen – gibt sich der Subaru Solterra souverän. Der Antritt ist typisch E, die Abstimmung etwas frecher als jene im bZ4X, ohne wirklich ins allzu Sportliche auszuarten. Unterm Strich ist er ein Allrounder, der auch brav was hergibt, so entsprechend gefordert. Der Subaru Safety Sense kümmert sich allzeit um Auto und Insassen, jedes erdenkliche Sicherheitssystem ist mit an Bord. Besonders clever ist allerdings sein Blick nach innen. Das Gesicht des Fahrers wird per Infrarotlicht abgetastet und so kann der Solterra nicht nur Müdigkeit erkennen, sondern sogar verschiedene Fahrer unterscheiden. Speichert man sie unter den verfügbaren Profilen ab, stellt das Auto so beispielsweise die Sitzposition nach dem Einsteigen automatisch so ein, wie es der jeweilige Fahrer wünscht. Schon ein bisschen Big Brother, aber auch richtig cool. Und wie gesagt, Bilder nimmt der Solterra dabei nicht auf.

Mit dem brandneuen Antriebskonzept steht natürlich auch Subaru vor der großen Frage nach der Reichweite. Die WLTP-Normrunde beantwortet sie mit 465 Kilometern für die Einstiegs- und 414 für die Topversion aufgrund des Mehrgewichts. Die Batterie speichert immer 71,4 kWh, die Motoren leisten stets 218 PS. Damit ist obenheraus bei 160 km/h finito und bis Tempo 100 dauert es 6,9 Sekunden. Subaru selbst spricht von im Alltag realistischen Reichweiten von rund 372/331 Kilometern im Sommer und 316/282 Kilometern bei winterlichen Bedingungen. Viele andere Elektroautos kommen zwar auch nicht weiter, aber um ein Ruhmesblatt handelt es sich keineswegs. Geladen wird mit bis zu 150 kW … auch hier gilt, dass man damit sicher keine Bäume ausreißt.

So neu das Thema Elektroauto für Subaru ist, ist es selbstredend auch der Preis. Der Solterra startet bei 65.400 oder, wenn man sich für die Vollausstattung entscheidet, bei 68.900 Euro. Eine ordentliche Stange Geld, wie man sie heutzutage von allen Elektroautos dieser Größe (4.690 Millimeter Länge) kennt. Beim Subaru Solterra war es das dann allerdings. Lediglich für die Lackierung kann noch etwas dazukommen, alles andere ist erledigt. Von dieser Transparenz und Einfachheit könnten sich vor allem die deutschen Hersteller gern einen ganzen Haufen Scheiben abschneiden. Wie gut der Solterra am heimischen Markt ankommt, wird spannend zu beobachten sein. Zum Massenproduzenten schlechthin werden die Japaner deshalb in Europa sicher nicht schlagartig werden. Aber die Nische von Subaru wächst natürlich und könnte durchaus neue Kunden anziehen. Dass Subaru beim Solterra auf einige typische Qualitäten besteht, tut der Eigenständigkeit sehr gut.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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