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VW Golf R: Punk oder Biedermann?

Er ist die automobile Entsprechung zum Bilanz-Buchhalter – brav, bieder, bodenständig – und deshalb um so beständiger. Doch so, wie selbst nüchterne Erbsenzähler bisweilen mal über die Stränge schlagen, lässt sich nun auch der VW Golf ein bisschen gehen. Denn wer für stolze 53.700 Euro (AT) aufwärts das zum Jahreswechsel eingeführte R-Modell der Generation 8 bestellt und trotz der mühsamen Touchbedienung irgendwann im sportlichsten Fahrmodus landet, der erlebt den braven Golf als Teilzeit-Punk. Die meiste Zeit fast schon erschreckend zahm und züchtig, poltert und prollt er plötzlich wie ein Fußballfan beim Heimspiel in seinem Block: Ja, auch der biederste aller Biedermänner taugt also zum Brandstifter.

Allerdings ist die schwarze Seele des Strebers tief verborgen. Denn wo man den Fußballfan zumindest an seiner Kutte erkennt, trägt der Golf selbst als R-Modell einen vergleichsweise braven Anzug. Zumindest von vorne und dann noch aus dem Rückspiegel betrachtet, ist er vom konventionellen GTI kaum zu unterscheiden und lässt deshalb das nötige Überholprestige vermissen. Und auch innen ist das R-Modell – Sportsitze mit gesticktem Logo hin, R-Mode-Taste im Lenkrad her – viel zu nah am zivilen Achter, als dass der Blutdruck steigen könnte. Einzig wenn der Golf vorbeizieht und man ihm auf die Kehrseite schaut, machen ihn der große Spoiler und die beiden Titanstutzen aus dem Hause Akrapovic unverwechselbar. 

Wie nah das R-Modell an der Serie ist und wie weit er sich trotzdem von ihr entfernt, beweist der Blick unter die Haube. Denn da steckt, wie bei allen sportlichen Modellen aus dem modularen Querbaukasten der Einheits-Vierzylinder vom Typ EA888 – nur, dass die R GmbH dem 2,0-Liter großen Turbo mächtig Dampf gemacht hat. Wo sich der GTI mit 245 PS begnügen muss und nur als Clubsport auf 300 PS kommt, schreibt der Werkstuner stolze 320 PS in den Fahrzeugschein und lässt dem Golf R Auslauf bis 270 km/h – das macht ihn zum bislang schnellsten Golf in der Geschichte. 

Für den Alltag noch wichtiger sind aber die 420 Nm, die den Kompakten in bestenfalls 4,7 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren und das Blut der Biedermänner damit gewaltig in Wallung bringen. Denn mit welcher Drehzahl und welchem Modus man gerade unterwegs ist: Sobald man den Fuß aufs Bodenblech senkt, wird der R-Golf zur Furie und fräst über den Asphalt, dass es eine wahre Freude ist. Die Lenkung messerscharf und präzise wie ein Skalpell, das Fahrwerk verbindlich und vertrauenserweckend, und dazu ein obligatorischer Allradantrieb, der neben jeder Menge Bodenhaftung auch noch kurvenbeschleunigendes Torque Vectoring bietet – so lässt der Golf R die Grenzen zwischen Breiten- und Leistungssport verschwimmen. Spätestens dann wäre man sogar bereit, die leidige Touchbedienung zu vergessen und sich mit den vielen Slidern zu versöhnen, die fast alle herkömmlichen Schalter ersetzt haben – wenn man nicht ausgerechnet bei voller Fahrt immer wieder an die Grenzen des Systems stoßen würde. Denn wer hart am Limit über die Landstraße fliegt, der will nun wirklich nicht lange Fingern, bis er den Fahrmodus geändert oder einfach nur die Klimaanlage geregelt hat. Von Finessen wie dem Drift-Mode oder dem Nürburgring-Setup ganz zu schweigen.

Braver Auftritt, brutaler Antritt und dabei selbst im Grenzbereich so vertrauenserweckend wie ein Bausparvertrag – diese Kombination macht den Golf R zu einer Ausnahme unter den Breitensportlern. Allerdings muss man dafür tief in die Tasche greifen. Denn die 75 PS mehr Leistung und die zwei zusätzlich angetriebenen Räder lässt sich VW gegenüber dem GTI mit einem Aufschlag von fast 13.000 Euro bezahlen – und schon der bietet mehr Spaßpotential, als man es den Niedersachsen zutraut. Aber bisweilen haben ja selbst Bilanzbuchhalter eine schwache Stunde. 

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