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VW Jetta: Passat fürs kleine Börserl

Ein Deutscher für Amerika

VW Jetta: Passat fürs kleine Börserl

Spießig, stocksteif und zum Gähnen langweilig – kleine Limousinen stehen bei uns nicht gerade im besten Ruf. Doch weil das im Rest der Welt ganz anders aussieht, gehört zum Beispiel der VW Jetta mit über 17 Millionen Zulassungen seit 1978 zu den erfolgreichsten Volkswagen-Modellen aller Zeiten und macht etwa in den USA bislang rund ein Drittel aller Verkäufe aus.

Von Thomas Geiger

Es ist also nur wenig verwunderlich, dass der kleine Bruder des Passat vor allem die Handschrift der Amerikaner trägt, wenn in diesem Frühjahr die siebte Generation in den Handel kommt. „Wir haben den Jetta neu gedacht und neu gemacht“, sagt Produktmanager Daniel Shapiro. „Und wir hatten dabei vor allem die Amerikaner im Kopf.“
Dabei hat der Jetta das Spießerimage des Golf mit Rucksack erfolgreich abgestreift und präsentiert sich als Stufenheck aus einem Guss. Zwar wird bei seinem Anblick niemand in Schnappatmung verfallen, aber LED-Scheinwerfer im stolzen Gesicht, scharfe Linien an der schnittigen Flanke und ein knackiges Heck reichen in der Liga von Honda Civic, Hyundai Elantra und Toyota Corolla schon beinahe für einen Schönheitspreis.
Viel wichtiger als die Verpackung ist in dieser Klasse aber ohnehin der Inhalt – und der profitiert maßgeblich vom Wechsel auf den Modularen Querbaukasten. Mit den gleichen Komponenten gebaut wie Golf & Co, bietet der auf jetzt 4,70 Meter gestreckte Jetta deshalb nicht nur spürbar mehr Platz als sein Vorgänger und bleibt selbst dann eine glaubwürdige Familienkutsche, wenn die Kids schon auf die Highschool gehen, sondern macht sich auch die vornehme Technik zunutze, mit der VW sich bei uns an Audi, BMW und Mercedes herangeschlichen hat.
Auch im Jetta blickt man deshalb jetzt auf das digitale Cockpit und den großen Touchscreen, es gibt Assistenzsysteme wie die automatische Abstandsregelung, die Ledersitze kann man mit einem integrierten Gebläse kühlen, eine Fahrprofilregelung ändert neben der Cockpitbeleuchtung auf Knopfdruck auch den Charakter und zum ersten Mal gibt es eine Ambientebeleuchtung mit zehn Farben. Und weil der Jetta in Amerika kein Senioren- sondern ein Studentenauto ist, locken die Niedersachsen die Jugend mit serienmäßigem Apple Carplay und Android Audio und gegen Aufpreis zum ersten Mal mit einem Soundsystem aus dem Hause Beats.
Vorerst einziger Motor im Jetta ist ein 1,4-Liter mit knapp 150 PS und 250 Nm. Zwar gab es den Vierzylinder auch schon im Vorgänger und der modernere 1,5-Liter aus dem Golf schafft seinen Weg noch nicht nach Mexiko, wo sie den Jetta montieren. Doch dafür ist die Limousine das erste Auto der Marke, das alternativ zur Sechsgang-Schaltung mit einer Achtgang-Automatik ausgeliefert wird.
Seidenweich und ohne jede Aufregung passt sie gut zum ausgesprochen entspannten Fahrverhalten des Jetta. Denn während der Golf in den Jugendwahn verfallen ist und bisweilen Härte mit Sportlichkeit verwechselt, gibt die kleine Limousine die brave Familienkutsche, mit der man ganz gelassen durch North Carolina cruisen kann. Und so gemütlich, wie der Jetta mit seinen 250 Nm beschleunigt, und so rigide, wie die Elektronik dem Wagen bei 180 km/h den Saft abdreht, braucht es auch kein strammeres Fahrwerk und keine direktere Lenkung. Wer das will, der soll bis zum nächsten Jahr auf den gute 200 PS starken Jetta GTI warten oder gleich einen Golf GTI kaufen.
Zwar ist die Ausstattung in den gehobenen Variante tatsächlich premium, doch weil VW in den USA tatsächlich noch Autos fürs Volk bauen will, machen die Niedersachsen beim Ambiente deutliche Abstriche: Hartplastik, Kunstleder, einfachere Sitze, unverkleidete Federbeine für die Kofferraumklappe und bisweilen auch noch eine manuelle Sitzverstellung nimmt der Amerikaner gerne in Kauf. Erst recht, wenn der Grundpreis für ein derart stattliches Auto so unter 20.000 Dollar bleibt. 18.565 Dollar für ein Auto von 4,70 Metern – davon könnte sich VW auch bei uns eine Scheibe abschneiden.
Dazu wird es allerdings nicht kommen. Zumindest nicht beim Jetta. Der sieht jetzt zwar tatsächlich ganz ordentlich aus, fährt vernünftig und ist bei der Ausstattung auf der Höhe der Zeit. Und mit dem Umzug in den Modularen Querbaukasten ist aus dem Stufenheck ein überraschend attraktives Auto geworden, das den Staub des Rucksack-Golfs erfolgreich abgeschüttelt hat und sich einen beinahe jugendlichen Anstrich gibt. Doch die Europäer werden davon diesmal nicht profitieren werden. Denn während sie in Südamerika, in China und vor allem in den USA Hoffnungen in die kleine Limousine setzen, wird es das Auto bei uns nicht mehr geben: Der neue Jetta ist der erste, der es nicht mehr nach Europa schafft

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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