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Bentley: Race on Sunday, Sell on Monday

Bentley ist zu den Wurzeln zurückgekehrt: Seit zwei Jahren macht sich das edle Label mit dem Continental GT3 auf internationalen Rennstrecken stark. Nächste Challenge: die 24 Stunden von Spa-Francorchamps.

Text: Beatrix Keckeis-Hiller

Fotos: Bentley/Mike Sayer
Man sagt den Engländern nach, dass sie emotional unterkühlt wären. Das mag nach außen hin so aussehen, laut sprudelnde und überschäumende Gemütszustands-Kundgebungen sind der Briten Sache eben nicht. Dafür brodelt’s unter der Haut. Die Leidenschaften sind kanalisiert. In den Rennsport zum Beispiel.
Der stand am Anfang des automobilen Edel-Labels Bentley. Der Gründer der Marke mit dem Flying B, Walter Owen Bentley, war ein leidenschaftlicher Rennfahrer, auf zwei und auf vier Rädern. 1919 gründete er sein automobiles Unternehmen in London. Essenzielle und zentrale Ingredienzie war der Rennsport, die Firmenphilosophie lautete „race on sunday, sell on monday“. Eine Maxime, die von den legendären Bentley Boys – ebenso passionierte Auto-Racer wie W. O. – eins zu eins umgesetzt wurde. Spektakulär waren die Auftritte beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Vierter Platz bei der Premiere, 1923, erster Sieg 1924, Seriengewinne in den Saisonen 1927, 1928, 1929 und 1930.
Dann war jahrzehntelang Pause. In der zuerst Rolls Royce das Sagen hatte. Bentley zentralisierte sich in Crewe, das ist bis heute der Stammsitz. 1998 ging die Marke an den Volkswagen-Konzern. 2001 war das Flying B back on track. In Le Mans. Mit dem EXP Speed 8, auf Basis des R8-Prototypen von Audi. 2003 stand Bentley wieder, zum insgesamt sechsten Mal, auf der obersten Stufe der Siegertreppe. Gleich doppelt, auf Platz eins und zwei.
In diesem Jahr präsentierte Bentley das erste unter der Volkswagen-Regime entwickelte neue Modell: den Continental GT. Das Thema Rennsport war vorerst wieder passé. Es ging in erster Linie darum, das englische Luxus-Label neu zu platzieren. Mit all dem Anspruch, Luxus und Performance miteinander zu verknüpfen, wie es sich aktuell in den Continental-Derivaten sowie dem New Flying Spur, dem Mulsanne und genauso dem brandneuen Bentayga manifestiert. Stets mit stark betontem Unterton des sportlichen Ursprungs.
An den kehrte Bentley vor zwei Jahren zurück. Fürs erste in der GT-Klasse. Mit einer Racing-Version des Continental GT. Brian Gush, Leiter des Motorsport-Projekts, erläutert, warum man sich dafür entschieden hat. Oder entscheiden musste: Ein Le Mans-Prototyp war ausgeschlossen. Konzernpolitik. In der LMP1-Klasse sind schon Audi und Porsche präsent. Die Brücke vom Werks- zum Kundenrennsport zu schlagen hingegen – siehe bereits zitierte Philosophie des Flying B – war ein zugkräftiges und finanziell vertretbares Argument für die Zustimmung der Konzernleitung.

Der liegt der Zusammenhang zwischen Bentley und Rennport sehr am Herzen, wie Rolf Frech, Vorstand für technische Entwicklung, beim Abendessen in Rookery Hall (ein paar Fahrminuten von der Zentrale in Crewe entfernt), mehrfach betont. Der Rennsport ist für ihn ein essenzielles Marketing-Instrument, um die aktuelle Positionierung der Marke zu manifestieren. Und sie, letztendlich, auch zu verjüngen. Eine Zielrichtung, die vor allem der Continental vielversprechend transportiert, wie man am aktuellen Klientel für den Zweitürer und den Convertible beobachten kann.
Um den ab 2.350 Kilo schweren Serien-Continental GT V8 fit für die Rennstrecke zu machen verpflichtete Bentley den Rallyeauto-Aufbauspezialisten M-Sport. Zu den Offroad-Boliden mit Pflaumen-Logo zog das geflügelte B in die ehrwürdigen Hallen von Dovenby Hall bei Cockermouth im Lake District ein.

Gewichts-Reduktion

Zuvorderst galt es, den Continental GT gewichtsseitig zu erleichtern und ihn auf die für die Homologation erforderlichen 1.300 Kilo zu bringen. Was heißt: Alles, was bei Bentley für Gediegenheit und Komfort steht, wird demontiert – Holzfurniere, Ledertapezierungen, Metallapplikationen, Klimaanlage, Infotainment-System und geräuschdämmende Doppelverglasungen. Weggenommen wird der permanente Allradantrieb. Bearbeitet und optimiert werden Gewichtsverteilung (52:48 hinten:vorne), Schwerpunkt, Fahrwerk, Lenkung, Bremsen, Aerodynamik, Motor-Einbaulage und Turbo-Positionierung – also alles.

Was bleibt ist immer noch unverkennbar ein Continental, dessen Carbon-geflügelte Leichtbau-Karosserie tausend Arbeitsstunden hinter sich hat. Ein wenig Chrom-Schmuck verbleibt immerhin noch am Exterieur des Hecktrieblers. Im Interieur dominieren Stahlkäfig-Konstruktion, Racing-Gestühl und Renn-Volant mit pneumatisch betätigten Schaltpaddles, stark im Gegensatz zum auf 300 Stück limitierten Straßenmodell für den Gentleman-Racer, dem GT-3 R (580 PS).

Heckantrieb, 600 PS

Im Racing-Trimm hingegen hat der Vierliter-V8-Biturbo rund 600 PS, die Schaltstufen werden über ein sequenzielles Sechsgang-Getriebe (von X-Trac) gewechselt. Für die Elektronik haben sich Bentley und M-Sport Schützenhilfe geholt. Von Cosworth. Von da stammt das Zentral-Display, das Motor- sowie Fahrdaten anzeigt und die virtuelle Nabelschnur zwischen Cockpit und Box herstellt.
Brian Gush dazu: „Wir haben die Kompetenzen im eigenen Haus mit denen unserer Partner gebündelt.“ Das Ziel war es, ein mindestens konkurrenzfähiges Fahrzeug auf die Räder zu stellen, für Profis ebenso wie für Amateure. Dass das funktioniert bewies der GT3 gleich in der ersten Saison, wie etwa 2014 in der Blancpain Endurance GT-Serie beim Sechsstunden-Rennen auf dem Paul Ricard in Südfrankreich: Doppelsieg.

Heuer laufen GT3s in mehr als neunzig GT-Rennen, über alle Kontinente verteilt. In der Blancpain Endurance wird vom M-Sport-Werksteam das volle Programm gefahren. Die bisherige Saison ist von wechselhaftem Glück gekennzeichnet, unter anderem mit einem dritten Rang in Monza, mit Platz vier auf dem Paul Ricard und mit Position sieben auf dem Nürburgring. Doch das Top-Highlight der Saison – nach dem von Wetterkapriolen gekennzeichneten Nürburgring-Race steht jetzt an: Die 24 Stunden von Spa-Francorchamps, am 30. und 31. Juli.
In der Montage-Halle von Dovenby Hall herrscht deshalb mitte Juli besonders emsige Betriebsamkeit. Während die Nummer sieben des Bentley M-Sport-Werksteams im neuen Schauraum in Crewe den letzten Schliff erhält wird die Nummer acht in Cockermouth gerade aufgebaut. Und fertig gemacht für den Transport nach Belgien, zur berühmt-berüchtigten Strecke von Spa. Die ersten Test-Ergebnisse anfang Juli waren vielversprechend: Bestzeiten für Bentley.

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