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BMW 5er und i5: Einer für Alle

Es gibt einfachere Entwicklungsaufträge bei BMW, als einen neuen Fünfer. Denn es ist vergleichsweise simpel, einen M3 fit für die Rennstrecke oder einen 7er zur Sänfte zu machen. Doch in 50 Jahren, sieben Generationen und zehn Millionen Exemplaren ist der Fünfer zum Allrounder bei BMW geworden und deckt das breiteste Spektrum ab, sagt Nicolai Martin. Er ist verantwortlich für das Fahrerlebnis in der Baureihe und will dieses Spektrum jetzt noch einmal um eine ganze Dimension erweitern. Denn wenn im Herbst unter dem internen Kürzel G60 der neue Fünfer an den Start geht, gibt es den Bestseller in der Businessklasse erstmals auch als voll elektrischen i5. 

Genau wie schon bei 3er und 7er baut BMW dafür aber keine eigene Plattform, sondern integriert alle Antriebe in einer Architektur. Das mag zwar für die Generation E in paar Nachteile beim Packaging haben, weil die elektrischen Skateboard-Architekturen mehr Platz für die Insassen lassen und die Bayern das selbst mit dem dezenten Wachstum in allen Dimensionen nicht vollends kompensieren können. Doch dafür ist man im i5 auch nicht so von der Fahrbahn entkoppelt und der Welt entrückt wie in vielen dezidierten Elektro-Autos. Sondern zuallererst einmal ist der i5 ein Fünfer und fährt sich auch genauso – verbindlich, engagiert und ganz nah bei der Straße. 

Dafür gibt es sein semi-aktives Fahrwerk und für alle elektrifizierten Varianten serienmäßig eine Luftfederung mit Niveau-Regulierung an der Hinterachse. Und gegen Aufpreis bauen die Bayern auch eine Hinterachslenkung ein, die allerdings nur bis zu 2,5 Grad mitlenkt, weil sich ein BMW nicht anfühlen soll wie ein Gabelstapler und weil schon das reicht, um den Wendekreis beim Rangieren oder in engen Serpentinen um 30 Zentimeter schrumpfen zu lassen. 

Entsprechend flott und flüssig lässt sich der Prototyp damit über den engen Handlingparcours auf dem BMW-Testgelände in Miramar treiben, immer eng an der Ideallinie, immer vorhersehbar und mit einem Maß an Leidenschaft, das selten geworden ist in der Businessklasse. Und kaum weitet sich die Straße, lässt merklich die Spannung nach und der Fünfer wird zum lässigen Dauerläufer. „Schließlich kommt keines unserer Autos auf solche Fahrleistungen wie der Fünfer“, adelt Martin die Baureihe zum König der Kilometerfresser und macht die Autobahn zu seinem Reich. Eingebremst wird er da allenfalls von der Batteriekapazität, die ähnlich wie im i4 bei etwas mehr als 80 kWh liegen wird und Reichweiten von Anfangs bis zu 580 Kilometern ermöglichen soll. Wenn das knapp wird, gibt’s einen neuen „Max Range“-Mode, der konsequenter ist als je zuvor, nicht nur die Leistung drosselt, sondern auch das Tempo auf 90 km/h limitiert und so auf Knopfdruck die Restreichweite um bis zu 25 Prozent streckt. Beim Laden dagegen orientiert sich der i5 am i7 und packt zugunsten der Kilometerfresser sogar noch ein bisschen was drauf: „Mehr als 200 kW haben wir uns schon vorgenommen“, so das versprechen der Entwickler.

Zwar ist der i5, den es zum Start in zwei Versionen als 40i mit Heckantrieb und 340 PS oder als M60 mit einem zweiten Motor im Bug und dann 600 PS geben wird, das technologische Aushängeschild. Doch lässt BMW die alte Welt in dieser Baureihe noch nicht hinter sich. Im Gegenteil, wird der Fünfer auch beim Antrieb seiner Rolle als Allrounder gerecht und deckt die wahrscheinlich breiteste Palette im Portfolio ab: Es gibt Benziner und Diesel mit vier oder sechs und später bei der M GmbH wahrscheinlich sogar acht Zylindern und es gibt gleich mehrere Plug-in-Hybride, von denen mindestens einer rund 100 Kilometer elektrische Reichweite bieten soll, stellt Fahrdynamiker Martin in Aussicht.

Und wo wir gerade bei einer breiten Auswahl sind – die gibt es auch bei den Karosserievarianten. Denn selbst wenn alle Welt den Kombi längst totgeschrieben hat, hält BMW weiter am Touring fest – und legt auch den Lademeister diesmal als i-Modell auf. Und natürlich bekommen die Chinesen den konventionellen Fünfer wie den i5 auch wieder als Langversion.

Engagiert auf der Landstraße, entspannt auf der Autobahn und handlich in der Stadt; Verbrenner, Plug-in oder rein elektrisch; Limousine, Langversion oder Kombi – so, wie es der Fünfer bei Abstimmung, Antrieb und Aufbau allen recht machen will, so halten sie diesmal auch die Designer vornehm zurück. Zwar tragen die Prototypen bei der Jungfernfahrt noch ihre übliche Tarnung und dicke Plastikplanken unter der Klebefolie kaschieren die Konturen. Doch während der mittlerweile fast ausschließlich in Asien und Amerika verkaufte Siebener mit seiner riesigen Niere und den schmalen Leuchten daneben provoziert und polarisiert, sind solche Schockerlebnisse beim Fünfer allem Anschein nach nicht zu erwarten. Weil sich die Verkäufe hier über den Globus gleichmäßig verteilen, strebt er nach dem größten gemeinsamen Nenner der globalen Geschmacks und hält sich deshalb entsprechend vornehm zurück. Während es innen zwar verdächtig nach einem etwas weniger luxuriösen Siebener aussieht mit dem sanft geschwungenen Digitaldisplay hinter dem Lenkrad und dem iDrive Controller auf dem Mitteltunnel, gibt’s draußen trotz erstmals an die fünf Meter Länge vertraute Proportionen und vor allem ein offenbar vertrautes Gesicht.

Zwar hat Erlebnisbeauftragter Martin bei der Fahrdynamik einen guten Job gemacht. Doch das vielleicht beste Erlebnis bei der Erstbegegnung mit dem G60 verantwortet Peter Waldmann. Er leitet die Entwicklung der Assistenzsysteme und präsentiert stolz die nächste Generation des Autobahn-Piloten, der pünktlich vor der Weltpremiere bereits den Segen des KBA bekommen hat. Statt wie bislang alle paar Sekunden den Griff zum Lenkrad einzufordern, darf er nun dauerhaft, Tempo, Spur und Abstand regeln, wenn der Fahrer nur trotzdem brav aufmerksam bleibt und die Kamera hinter dem Lenkrad keine Blickablenkung erkennt. Freihändig nach Frankfurt – bis auf ein paar Baustellen, besonders enge Kurven oder Autobahnkreuze ist das jetzt im neuen Fünfer nicht nur möglich, sondern auch erlaubt, sagt Waldmann. Nur der Griff zum Smartphone oder zur Zeitung ist weiterhin verboten. 

Doch verglichen mit so genannten Level 3-Systemen mit derart erweiterter Freizeit für den Fahrer, wie Mercedes sie schon hat und BMW sie zum Jahresende im Siebener bringen will, hat der Highway Assistent zwei entscheidende Vorteile. Erstens arbeitet er nicht nur im Stau, bei limitiertem Tempo und unter optimalen Bedingungen, ist also weniger die Ausnahme als die Regel. Und zweitens kostet er nicht viele Tausend sondern nur wenige hundert Euro Aufpreis, stellt Waldmann in Aussicht.

Und die machen sich schon nach den ersten Kilometern auf der Autobahn bezahlt. Denn sobald der Fünfer mit aktiviertem Autobahnpiloten auf einen langsameren Vordermann aufläuft, startet die größte Show, die das neue Modell zu bieten hat: Ein automatischer Überholvorgang, für den der Fahrer nicht mehr mehr tun muss, als die ganze Aktion durch einen dezidierten Blick in den Spiegel zu bestätigen: Überholen per Blicksteuerung, das ist aktuell ein ziemlich einzigartiges Feature und zumindest bei der Jungfernfahrt so faszinierend, das man am liebsten Ständig die Spuren wechseln möchte.

Zwar schläft auch die Konkurrenz nicht, insbesondere im deutschen Süden. Schließlich hat Mercedes in dieser Woche gerade eine nagelneue E-Klasse enthüllt und bei Audi legen sie so langsam letzte Hand an den überfälligen Nachfolger des A6. Doch hier wie dort verteilen sich die Bemühungen der Entwickler und die Beachtung der Kunden auf zwei Baureihen, weil es jeweils ein konventionelles und ein elektrisches Modell mit ähnlichen Abmessungen aber unterschiedlichem Aufbau geben wird. BMW dagegen bündelt alles Knowhow und damit auch alles Rampenlicht auf einem Auto – und könnte damit auch den meisten Ruhm einstreichen. Gut möglich, dass der Fünfer-Fahrer der Blick in den Rückspiegel deshalb bald nicht nur wegen des einzigartigen Highway-Assistenten genießt – sondern auch, weil er darin immer öfter einen Mercedes oder einen Audi entschwinden sieht.

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