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Škoda Enyaq RS: Der giftgrüne Daumen

Was lange wächst, wird endlich gut. Das gilt für alles, was grün ist – wie etwa Elektroautos, die inzwischen voll im Alltag angekommen sind. Der Škoda Enyaq ist mit RS-Kürzel etwas mehr als nur grün, sondern eher giftgrün. Im Test zeigt sich, ob die zusätzliche Portion Power seine Day-to-Day-Kompetenzen einschränkt.

Fotos: Eryk Kepski

299 Rosse bringt der Tscheche per Allradantrieb und dank zweier Elektromotoren auf den Asphalt, wobei rund zwei Drittel der Kraft am Heck ansetzen. 460 Nm Drehmoment und eine Sprintzeit von 6,5 Sekunden runden das sportliche Gesamtpaket ab. So wird der Enyaq RS seinem giftgrünen Auftritt gerecht. Im Laufe des zweiwöchigen Tests ernten wir fast täglich Komplimente für die Lackierung, die dem Auto optisch einen echten Boost gibt.

Faktisch bleibt es natürlich trotzdem bei 180 km/h Topspeed. Beileibe nicht schlecht für einen Elektriker und im Alltag mehr als ausreichend. Die WLTP-Reichweite von 512 Kilometern würde man bei diesem Tempo freilich längst nicht erreichen. Im Test schafft man das aber auch bei normalem Autobahntempo nicht – wie üblich für alle Elektroautos. Nach der Fahrt von Wien nach Wels (194 Kilometer) bei rund 14 Grad ohne Rücksicht auf die Reichweite (sprich: konstante 130 km/h, Comfort-Modus samt (Sitz-)Heizung, etc.) bleiben am Ziel noch 30 Prozent übrig. Ein Wermutstropfen: Im Laufe des Tests kratzt der Enyaq RS nur sehr selten an seiner maximalen Ladeleistung von 135 kW. An zwei verschiedenen 300 kW-Schnellladern bleibt es sogar nur bei traurigen 75 kW. Bekanntermaßen spielen hier viele Faktoren eine Rolle, denen man als Normalsterblicher kaum auf die Schliche kommt. Mit gemütlichen Pausen von rund einer halben Stunde schafft der Škoda in der Regel aber dennoch den Hub von rund 20 auf knapp über 80 Prozent. Damit gehen sich dann wieder etwas über 200 Kilometer bei Vollgas aus.

Egal ob das Auto in Bewegung ist oder man während der Ladezeit die Rückenlehne schräg stellt und zum Zeitvertreib am Handy scrollt, im Enyaq RS hat man es bei aller giftgrünen Sportlichkeit höchst gemütlich. Die Sitze sind zwar angemessen straff, aber bequem. Und obzwar sich das Interieur natürlich zahllose Teile mit dem VW ID.4 teilt, wirkt es dennoch stimmiger. Das immer noch elend hakelige Konzern-Infotainment bleibt natürlich auch dem Škoda nicht erspart … aber an dieses Problem haben wir uns nach mehreren Jahren inzwischen gewöhnt. Ob letzteres nicht eigentlich besonders traurig ist, sei dahingestellt.

Abseits der Autobahn, die ganz unabhängig vom fahrbaren Untersatz kaum ein Fahrspaßgarant ist, spielt der Enyaq RS seine Dynamik gekonnt aus. Natürlich wiegt er über zwei Tonnen und natürlich spürt man das. Aber der zackige Antrieb macht zusammen mit dem im Sport-Modus knackig abgestimmten Fahrwerk zwischendurch durchaus Spaß. Unterm Strich kann man aber sagen, dass der Enyaq RS doch eher fürs zügige Gleiten gemacht ist. Hier spielt er die Kombination aus Kraft und Komfort perfekt aus und überzeugt als geschmeidiger Allrounder mit dem gewissen, giftigen Etwas.

Wer in den Škoda Enyaq RS einsteigen will, löhnt mindestens 63.740 Euro. Dafür bekommt man allerdings schon ein rundes Gesamtpaket mit zahlreichen Features. Die offiziell Mamba-Grün betitelte Lackierung kostet 430,80 Euro, falls sich der geneigte Leser beim Anblick unserer Fotos schlagartig verliebt hat. Hinzu kommen auch sonst vornehmlich nur mehr Optik- und Komfort-Extras. Einzig die Wärmepumpe ist als im Alltag wirklich relevantes Upgrade noch zusätzlich zu bezahlen.

Für grüne Automobilisten mit dem gewissen Extra-Enthusiasmus für dynamisches Fahren eignet sich der Škoda Enyaq RS ideal. Er bringt eine zusätzliche Schärfe mit, ohne spürbare Abstriche bei der Praxistauglichkeit zu machen. Ja, das eine oder andere Enyaq-Modell schafft ein paar Kilometer mehr, weil es eben auf Allradantrieb und einige Pferdestärken verzichtet. Dramatisch ist der Unterschied aber nicht. Dafür ist der Enyaq RS eben nicht nur grün, sondern giftgrün.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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