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Elektrischer Porsche Macan: Die erste Fahrt

Er kommt spät aber gewaltig. Denn wenn Porsche jetzt nach all den Cariad-Querelen und der Abstimmung im gemeinsamen PPE-Projekt mit Audi endlich den elektrischen Macan an den Start bringt, muss er das Feld von hinten aufrollen – und am besten ganz nach vorne durchstürmen. Schließlich wollen die Schwaben bis zum Ende der Dekade auf einen Elektro-Anteil von 80 Prozent kommen. Und weil das mit dem vergleichsweise elitären Taycan alleine kaum gelingen kann, brauchen sie dazu besser heute als morgen ein Modell für die breite Porsche-Basis. Kein Wunder also, dass der elektrische Macan unter einem hohen Erwartungsdruck steht – und den Elan gut gebrauchen kann. 

Dafür hat Baureihenleiter Jörg Kerner nicht in erster Linie ein Elektroauto entwickelt. Sondern zuallererst mal ist das neue SUV ein typischer Macan. Das gilt fürs Design, das zwar etwas aerodynamischer wird und Batterie und Hinterbänklern mit gestrecktem Radstand ein wenig mehr Platz einräumt, ansonsten aber vom spitzen Bug über die breiten Hüften bis zum schrägen Heck unverkennbar ist. Und das gilt vor allem für die Dynamik. Denn auch der elektrische Macan fährt wie ein Macan. 

Nur dass er frisch aus dem Fitness Studio kommt – und in jeder Disziplin deutlich mehr bietet als früher. „Wie setzen dort an, wo wir beim Vorgänger aufgehört haben,“ sagt Kerner. Schon das Basismodell beschleunigt deshalb besser und geht schneller ums Eck als der bisher beste Macan. Von der neuen Top-Version, die ironischerweise wohl wieder Turbo heißen wird, ganz zu schweigen. Die beiden Motoren leisten hier nach alter Währung mehr als 600 PS und reißen mit über 1.000 Nm an allen vier Rädern. Und weil das wie immer bei E-Motoren fast schon mit explosivem Elan passiert, dauert es kaum mehr als drei Sekunden, bis der Tacho auf Tempo 100 schnellt. Nur bei der Höchstgeschwindigkeit, so viel Tribut an die neue Zeit muss Kerner dann doch bezahlen, gibt es Abstriche. Aber zumindest das Topmodell wird mehr als 250 km/h schaffen, stellt er in Aussicht. 

Neben der schieren Leistung ist es vor allem das Set-Up, das den Macan auszeichnet. Vorne die wahrscheinlich beste Lenkung am Markt mit der größten Präzision und der direktesten Rückmeldung und hinten nicht nur etwas mehr Last auf der Achse, sondern erstmals auch aktiv lenkende Räder – das macht den Geländewagen zum König der Kurven und wirft einmal mehr die Frage auf, ob man hier noch ein SUV fährt oder schon in einem Sportwagen – erst recht, weil man trotz der Batterie im Boden auch noch fast zwei Zentimeter tiefer sitzt als in bisherigen Macan. 

Aber auch wenn der Macan eine Spaßgranate für die Generation E ist, will er natürlich nicht nur Sportwagen sein, sondern auch Alltagsauto. Dafür stehen bei Kerner neben dem größten Platzangebot samt einem soliden Frunk und einer luftigen Mittelkonsole mit mehr Stauraum als der Keller einer Mietwohnung natürlich vor allem die Reichweite und die Reisezeit. Der Baureihenleiter hat deshalb nicht nur einen 100 kWh großen Akku aus dem Regal der „Premium Plattform Electric“ gegriffen, der in der Theorie mehr 500 Kilometer Reichweite ermöglicht. Sondern er hat vom Luft- bis zum Rollwiderstand viel für die Effizienz getan und damit für die reale Reichweite. Und er hat das Laden optimiert. Es gibt deshalb zu den standesgemäßen 800 Volt für bis zu 270 kW Ladeleistung auch das so genannte „Bank-Laden“. Dafür wird der Akku virtuell halbiert und er schluckt den Strom so noch schneller. So reichen dann runde vier Minuten für 100 Kilometer und man bestellt beim Boxenstopp besser nur noch Espresso statt Cappuccino. 

Und auch bei der Ausstattung legt Porsche nach: Es gibt künftig ein Head-Up-Display mit Augmented Reality Technik, doppelt verglaste Scheiben sorgen für eine himmlische Ruhe und wie in den großen Modellen zieht sich das digitale Cockpit nun über die gesamte Breite – einen Bildschirm für den Beifahrer inklusive. 

All das hat natürlich seinen Preis, denn Kerner bislang genauso wenig nennt wie den exakten Termin der Markteinführung. Nur, dass er mehr als der Vorgänger kosten wird, daran lässt er keinen Zweifel, und dass es irgendwann 2024 soweit sein soll, „lieber früher als später natürlich“. Aber wer mit dem ersten Halbjahr kalkuliert und den Einstiegspreis irgendwo zwischen den rund 70.000 Euro (D) des bisherigen Macan und den etwa 95.000 Euro für den billigsten Taycan schätzt, der erntet von Kerner zumindest keine schrägen Blicke.

Zwar ist sich der Macan auch beim Wechsel von Generation und Antrieb treu geblieben. Doch hat er mit dem Vorgänger, der für den Rest der Welt übrigens noch ein paar Jahre weitergebaut wird, nicht mehr viel mehr als den Namen gemein. Selbst das Logo ist nicht mehr das alte. Denn als eines der ersten Modelle bekommt der neue Macan auch das frisch geliftete Porsche-Wappen.

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