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Honda Civic Type R: Ewige Jugend

Manche haben mehr PS. Andere sogar mehr Zylinder. Aber kein Kompaktsportwagen löst die gleichen Emotionen am Steuer aus wie der Honda Civic Type R. Das bleibt auch 2023 so, selbst wenn er optisch wieder ein Bisschen erwachsener geworden ist. Die inneren Werte des Type R bleiben scheinbar ewig jugendlich.

Fotos: Eryk Kepski

Gehen wir es zuerst aber mal ganz bieder an und rühren im Zahlensalat. Ein zwei Liter großer Vierzylinderbenziner produziert im Civic Type R 329 PS und 420 Nm Drehmoment, die über ein sechsgängiges, handgeschaltenes Getriebe an die Vorderräder geschickt werden. Angesichts dieser Daten dürfen sich ein Audi RS3, ein Mercedes-AMG A 45 S oder sogar ein VW Golf R Performance mit seinem Torque Vectoring-Allradantrieb durchaus überlegen fühlen. Oder ein Hyundai i30 N, der zwar weniger Power an Bord hat, aber dafür umso mehr akustisches Spektakel veranstaltet. Der Type R ist also weder der Schnellste, noch der Stärkste und nicht einmal der Protzigste unter den Kompaktsportlern.

Aber er ist (je nach Geschmack des Fahrers) potenziell der Beste. Und sein Publikum ist mit der neuen Generation wieder angewachsen, schließlich hat er sich optisch endgültig von seinem einst so ausgearteten Design verabschiedet. Die Front tritt bissig und einschüchternd auf, ohne überzogen zu wirken. Die elegant nach hinten abfallende Silhouette sorgt für einen geschmeidigen und kraftvollen Eindruck, der den klassischen Hatchback geradezu fad dastehen lässt. Und das Heck darf zwar immer noch mit einem riesigen Spoiler und drei zentralen Endrohren protzen, bleibt aber ebenfalls schön stimmig. Diesen Eindruck fördern vor allem die Leuchten, die rundum deutlich schmaler und dezentet gestaltet sind als früher, wie schon beim Basismodell.

Im Interieur macht unser Testwagen weiterhin ordentlich Rambazamba. Die Sitze und der Boden leuchten in Knallrot, das Lenkrad und diverse Türverkleidungs-Elemente sind standesgemäß sportlich in Alcantara gehalten. Der Schaltknauf, zu dem es noch einiges zu sagen gibt, ist weiterhin aus Aluminium. Aber dennoch wahrt der Civic Type R eine gewisse Gemütlichkeit. Das liegt vor allem an den Sitzen, die zwar höchst dynamisch geschnitten sind, aber trotzdem weich und geräumig genug, dass man sie auch im Alltag gerne nutzt. Sonst gleicht das Interieur allergrößtenteils dem zivilen Civic, was unterm Strich einem wertigen und praktischem, aber dennoch nüchternen Cockpit gleichkommt.

Auch in Bewegung muss der Civic Type R es nicht immer übertreiben. Im Komfortmodus brummt er bestimmt, aber doch gutmütig dahin. Natürlich ist das Fahrwerk keine wandelnde Wolke, aber unkomfortabel ist es auch wieder nicht. Gut, auf dem Kopfsteinpflaster der Höhenstraße wünscht man sich nach einem Weilchen doch glatten Asphalt. Das liegt aber auch daran, dass der Beifahrersitz die Vibrationen mit vielstimmigem Knarzen und Quietschen quittiert. Klingt jetzt nicht übertrieben hochwertig.

Mit Betätigung des R+-Schalters macht der Type R allerdings eine deutliche Veränderung durch. Schlagartig spürt man jede kleine Unebenheit, der Motor rumort launiger und der Durchzug wird noch intensiver. Was den Civic für Dynamiker im sportlichen Betrieb aber vor allem ausmacht, ist seine grandiose Kommunikation mit dem Fahrer. So präzise wie kein anderes Auto in diesem Segment vermittelt er den Untergrund an die Sinne des Fahrers, der dadurch perfekt reagieren kann. Es ist einfach ein Hochgefühl, mit dem Civic Type R mit Vollgas auf eine Kehre zuzuhalten, dem Orchester beim Runterschalten zu lauschen und dann an der Haftungsgrenze über den Scheitelpunkt zu radieren. Den Gasstoß beim Herausbeschleunigen nimmt der Japaner freudig an und rasant schießt man auf und davon.

Den perfekten Zeitpunkt zum Hochschalten kann man hier gar nicht verpassen. Denn zusätzlich zu der Leiste an LED-Lichtern, die direkt über den digitalen Instrumenten positioniert ist, meldet sich direkt vor der Einfahrt in den Begrenzer das Auto auch noch akustisch zu Wort. So reizt man jede Umdrehung des Aggregats gnadenlos aus und das automatische Zwischengas hilft dem unvergleichlich analogen Fahrgefühl unaufdringlich, aber höchst wirksam noch zusätzlich auf die Sprünge. 5,4 Sekunden auf 100 km/h – damit macht der Type R im Quartett keinen Stich. Aber das Herz des Fahrers schlägt dessen ungeachtet tausendmal höher als bei jedem durchoptimierten Doppelkupplungs-Boliden.

Der Honda Civic Type R ist und bleibt ein Auto für Liebhaber. Wer einfach mit Knall- und Heulkonzert und abstrusen Leistungsdaten angeben will, findet besser geeignete Kompaktsportler. Doch der Japaner bietet einen einzigartigen Fokus auf das wirklich Wesentliche: Den Spaß an der Freude, selbst im Mittelpunkt zu stehen, äh, sitzen. Deshalb ist er mit 1480 Kilogramm auch gute 150 Kilogramm leichter als ein RS3 oder ein A 45 S. Und von Frontantrieb in Sportwagen mag man halten, was man will. Aber der Civic macht aus dem vermeintlichen Handicap ein charakteristisches Feature.

Mit einem Startpreis von 62.490 Euro bleibt der Honda Civic Type R außerdem vergleichsweise erschwinglich. Vor allem, weil er quasi vollausgestattet daherkommt. Lediglich optische Schmankerln wie Karbonspoiler und -verkleidungen, eine rote Innenraumbeleuchtung und Lackierungen kann man noch ankreuzen. Sehr sympathisch. Wenn alle Emotionen entladen sind und der Kopf wieder klar ist, sieht man den Type R als ein erwachsenes, hochkompetentes Fahrzeug, das sich aber eine Art ewige Jugend erhalten hat.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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