Ford Explorer
Jetzt kommt’s dicke!
Bald zehn Millionen Autos in knapp 30 Jahren: Was für uns Deutsche und Österreicher der VW Golf oder zumindest der VW Polo ist, das ist für die Amis der Ford Explorer. Denn seit 1990 die erste Genration auf den Markt kam, steht der Geländegänger vom erstem Tag an an der Spitze der Zulassungen und dominiert die nach den Pick-ups wichtigste Klasse des US-Marktes noch viel eindrucksvoller als bei uns der VW Tiguan die seine.
Von Thomas GeigerWar das bislang allerdings ein fast ausschließlich amerikanisches Phänomen, geht der Explorer bald auf Entdeckungsreise und wird nach 20 Jahren Pause auch in Europa wieder offiziell angeboten. Nachdem sich der Mustang wie warme Semmeln verkauft und sich der Edge auch ganz tapfer schlägt, soll er an die Spitze der hiesigen Modellpalette rücken und als serienmäßiger Siebensitzer zugleich die Nachfolge von Galaxy und S-Max antreten, deren Tage mittlerweile gezählt sind.
Während er in den USA – dann freilich nur mit einem Vierzylinder mit 2,3 Litern Hubraum, aber immerhin 300 PS – für umgerechnet kaum mehr als 30.000 Euro förmlich verschleudert wird, dürfte er bei uns mit ambitioniertem Antrieb und einer standesgemäßen Ausstattung schnell das Doppelte kosten.
Dafür gibt es aber ein buchstäbliches Ding, das alle von europäischen Ford-Modellen bekannten Dimensionen sprengt: Denn mit 5,05 mal 2,28 Metern mag der Explorer in den USA vielleicht noch als Mid-Size-Truck, vulgo: Kleinwagen, durchgehen. Aber anders als Wien oder Riegersburg haben Miami und Pittsburgh auch keine verwinkelte Altstadt. Und selbst wenn es mittlerweile Kameras noch und nöcher gibt und der Explorer auf Knopfdruck auch von alleine einparkt, muss man den Giganten erst einmal durch die Gassen zwängen, wenn man mit ihm in die Stadtmitte möchte.
Doch sobald die Straßen etwas freier werden, wird der Geländewagen zur idealen Familienkutsche, die fit für Alltag und Urlaub ist. Das liegt primär natürlich am unglaublichen Platzangebot: In der ersten Reihe thront man in fetten Ledersesseln wie der King of the Road, in der zweiten nimmt es der Explorer bei Kopf- und Kniefreiheit locker mit einer E-Klasse auf und wer sich die Kletterei auf die überraschend bequemen Klappsessel in der dritten Reihe sparen will, der lässt die Möbel auf Knopfdruck im Boden verschwinden.
Wenn dann mit einem angedeuteten Fußtritt die Heckklappe aufschwingt, blickt man in ein Gepäckabteil, das eher an einen Cargo-Flieger als an einen Ferienclipper erinnert – schließlich fasst es bis zu 2.274 Liter. Dazu noch ein glattes Dutzend Becherhalter, Ablagen mit zusammen 123 Litern Fassungsvermögen, für jeden Handgriff einen elektrischen Helfer sowie Gadgets und Gimmicks wie besonders schnellladende USB-Buchsen, einen Wifi-Hotspot und natürlich eine kabellose Ladeschale – fertig ist der Traumwagen des Vielfahrers.
Spätestens seit dem Update zur Motorshow in Detroit in diesem Jahr wirkt der Roadtrip im Explorer dabei wie eine Reise aus dem Fünf-Sterne-Katalog. Nicht nur außen macht der Bestseller mit seinem wahlweise sportlich schwarzen oder vornehm chromen Grill, der klaren Linien und dem knackigen Heck eine gute Figur. Sondern vor allem innen weht ein frischer Wind. Wo man sich früher in US-Geländewagen oft wie in einem abgewohnten Vorstadt-Motel gefühlt hat, ist der Explorer jetzt ausstaffiert wie ein Boutique-Hotel. Nur der Bildschirm fürs Infotainment ist ein bisschen klein geraten und das Cockpit mit einem Rest von analogen Instrumenten gefährlich konventionell.
In den USA gibt es neben dem EcoBoost-Vierzylinder noch zwei drei Liter große V6-Motoren mit 365 oder 400 PS und zum ersten Mal einen Hybriden, bei dem ein 3,3 Liter großer Sechszylinder und eine E-Maschine zusammen auf 318 PS kommen. Doch so sparsam dieser Doppelpack sein mag, so gemächlich will er bewegt werden. Zwar ist das ohnehin die bevorzugte Gangart des eher gutmütig und komfortabel abgestimmten Explorers, selbst wenn unter dem knappen Dutzend Fahrprogrammen für Antrieb, 10-Gang-Automatik und Allrad auch ein paar sportlichere sind. Doch so angestrengt, wie der Teilzeitstromer beim Anfahren und beim Zwischenspurt wirkt, ist es vielleicht ganz gut, dass Ford für Europa andere Pläne hat: In Ermangelung eines Diesels, mit dem technologischen Anspruch als Flaggschiff und mit Rücksicht auf die wachsenden Klimasorgen der Kundschaft wird es den Explorer bei uns ausschließlich als Plug-in-Hybriden geben – zum ersten Mal bei Ford in Europa.
Dafür kombiniert Ford einen drei Liter großen V6-Benziner von 350 PS mit einer 100 PS starken E-Maschine und einem 13,1 kWh großen Akku für immerhin 40 Kilometer rein elektrische Reichweite. Zusammen 450 PS und 850 Nm stark, soll dieses Tandem rein rechnerisch dann nur noch 3,4 Liter verbrauchen und die Mär vom versoffenen Ami-SUV gar vollends Lügen strafen.
Je länger man in den USA mit dem neuen Explorer unterwegs ist, desto besser kann man sich den Wagen auch bei uns vorstellen. Klar fehlt Ford das Image und dem Auto am Ende vielleicht doch die Finesse, als dass der Geländegigant auch diesseits des Atlantiks gegen den Mercedes GLE, den BMW X5 oder den Range Rover Sport konkurrieren könnte. Doch wer über Kia Sorento, Hyundai Santa Fe, Skoda Kodiaq oder Seat Taracco nachdenkt, kommt jetzt am Ford kaum vorbei. Denn Opel hat gar kein entsprechendes Modell im Programm, der VW Touareg ist viel zu abgehoben und für den Import des US-Modells Atlas fehlt VW anders als Ford beim Explorer der Mut. Aber vielleicht müssen die Niedersachsen genau wie die Amerikaner auch einfach 20 Jahre abwarten.