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Lynk & Co 01: Einer für Alle

Das Leben ist kompliziert genug, deshalb wird es Zeit für einfache Autos – mit diesem Ansatz tritt jetzt die chinesische Volvo-Schwester Lynk & Co an, um den europäischen Autohandel gründlich umzukrempeln. Denn wenn die Asiaten gute drei Jahre nach dem Start im Reich der Mitte den kompakten Geländewagen 01 in diesem Frühjahr jetzt endlich auch auf unsere Straßen bringen, schnüren sie ein einzigartiges All-Inclusive-Paket.

Nicht nur, dass man lediglich zwischen zwei Motoren und den zwei Farben Blau oder Schwarz wählen kann, es aber nur eine – mit Panoramadach, Online-Navi, Abstandstempomat und einem Heer elektrischer Helfer übrigens ziemlich umfangreiche – Ausstattung ohne Extras und Optionen gibt. Sondern auch der Besitz des Autos wird radikal vereinfacht. Zwar kann man den „Zero One“, wie sie ihn im Szene-Sprech nennen, zu Preisen ab 35.000 Euro (D) auch ganz klassisch kaufen. Doch das Gros der Flotte will Lynk & Co mit einer Flatrate unters Volk bringen: Für 500 Euro im Monat stellt die Firma den Wagen, übernimmt Steuer und Versicherung, alle Verschleißreparaturen und den saisonalen Reifenwechsel. Lediglich den Sprit müssen die Fahrer noch selber zahlen, und einen kleinen Aufschlag für alles, was über 1.250 Kilometer pro Monat hinausgeht. Und weil es weder was zum Aussuchen, noch was zum Verhandeln gibt, spart sich Lynk & Co gleich auch noch das Vertriebsnetz: Bestellt wird online, geliefert wird nach Hause oder ins Büro, und wenn der 01 in die Volvo-Werkstatt zum Service muss, wird er daheim abgeholt und repariert zurückgebracht – viel einfacher kann man es den Kunden tatsächlich kaum machen.

So revolutionär das Konzept ist, so konventionell ist das Auto. Denn auch wenn der Erstling frisch und frech aussieht mit seinen wie beim Porsche 911 nach oben gerückten Scheinwerfern und den zu einem Viertel blau eingefärbten Felgen, ist er ein klassisches Kompakt-SUV im Format von VW Tiguan oder eben Volvo XC40, das nicht einmal über einen rein elektrischen Antrieb verfügt. Denn die Schnitzeljagd zwischen den Ladesäulen ist den Lynk & Co-Managern noch zu kompliziert und passt deshalb nicht zum „easy going“, das sie den Kunden versprechen.

Stattdessen gibt es für das Basis-Modell einen konventionellen Hybriden mit einem 1,5 Liter großen Dreizylinder von 143 PS und einer 54 PS starken E-Maschine oder für 7.000 Euro mehr einen Plug-In. Dort kommt der identische Benziner dann immerhin auf 180 PS, die E-Maschine leistet 82 PS und der an der Haushaltssteckdose binnen fünf Stunden geladene Akku ermöglicht mit seinen 17,6 kWh elektrische Etappen von bis zu 69 WLTP-Kilometern, so dass der Normverbrauch auf 1,2 Liter sinkt.

Auch wenn der Lynk & Co etwas verbindlicher abgestimmt ist als sein schwedischer Cousin und vor allem schnittiger aussieht, ist er aber noch lange kein Sportwagen. Denn selbst wenn die 160 Nm des Verbrenners und die 265 Nm der E-Maschine gemeinsame Sache machen, dauert der Sprint auf Tempo 100 noch immer 8,0 Sekunden, und schon bei 210 km/h ist wieder Schluss. 

Obwohl technisch eng verwandt mit dem XC40, ist der 01 allerdings kein gesichtsloser Volvo-Klon, sondern hat durchaus seinen eigenen Charakter. Wo die Schweden nüchtern und kühl sind, geben sich die Chinesen deshalb modern und cool. Das sieht man am sehr viel extrovertierteren Design der um rund zehn Zentimeter auf 4,54 Meter gestreckten Karosse und mehr noch im Innenraum, der bei 2,73 Metern Radstand etwas mehr Platz und vor allem deutlich mehr Pepp bietet. Denn selbst wenn man auf Anhieb ein paar gemeinsame Bedienelemente wie den winzigen Schaltstummel für das Doppelkupplungsgetriebe entdeckt, gehen die Chinesen im komplett digitalen Cockpit ihren eigenen Weg, bauen einen größeren Bildschirm ein, der waagrecht statt senkrecht montiert ist und setzen auf deutlich mehr Infotainment und Connectivity. Das beginnt bei sinnfreien Spielereien wie der Selfie-Kamera oder dem mobilen Quizz-Studio und endet beim so genannten Share-Button, mit dem man seinen Lynk & Co auf Knopfdruck fürs Carsharing freigeben kann. Statt für den Stillstand Parkgebühren zu zahlen, kann man so mit dem Auto sogar noch Geld verdienen, wenn man es mal ein paar Stunden oder Tag nicht braucht. 

Zwar wird der Ansatz der chinesischen Volvo-Schwester anders als ihr Auto durchaus als revolutionär betrachtet. Und so konsequent wie Lynk & Co hat tatschlich noch keine andere Marke das Flatrate-Fahren umgesetzt. Doch zumindest die radikal vereinfachte Modellpalette ist so alt, wie die automobile Massenproduktion selbst. Denn als Ford vor über 100 Jahren mit dem Modell T die Fließband-Produktion eingeführt hat, konnten die Kunden das Auto in jeder Farbe bekommen – solange sie schwarz war.

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