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Nissan Pathfinder: Auf dem richtigen Weg

Der Micra aus dem Straßenbild weitgehend verschwunden, an der Ladesäule vom Vorreiter zum Nachzügler abgestiegen und der GT-R also letzter Charakterkopf längst reif für die Rente – kaum eine japanische Marke wirkt derzeit so orientierungslos wie Nissan. Zumindest bei uns in Europa. In den USA dagegen haben die Asiaten längst den Pfad der Tugend zurückgefunden und die Schockstarre nach dem unrühmlichen Ende des Patriarchen Carlos Ghosn abgeschüttelt. Nicht nur, dass sie sich mit dem neuen Z weiterhin zu Lust und Leistung bekennen, während der Sportwagen bei uns auf dem Altar der CO2-Bilanz geopfert wurde. Nein, sie leisten sich vor allem unter den so wichtigen SUV ein paar charakterstarke Typen, die aus der Masse herausstechen – allen voran den Pathfinder.

Der war auch bei uns mal eine große Nummer, bis er vor fast zehn Jahren vom Markt genommen wurde. In dem USA dagegen haben sie ihn im letzten Jahr sogar noch einmal komplett neu aufgelegt und damit großen Erfolg. Denn anders als ihre Einstiegsmodelle Kicks und Rogue sieht der Pathfinder nicht nur prestige-trächtig aus und erinnert mit dem coolen, glatten Design der mittlerweile fünften Generation aus mancher Perspektive sogar an einen Range Rover Velar. Er hat vor allem ein stattliches Format und bietet entsprechend Platz.

Nicht dass sich in Amerika jemand vor einem 5,02 Meter-Auto fürchten würde. Schließlich sind im Land von Big Mac, Quarterpounder und pitcherweise Bier auch die Parklücken etwas größer. Doch zumindest Nissan-Fahrer aus der alten Welt überkommt bei der Übergabe des amerikanischen Leih- oder Testwagens der blanke Neid: Während es in unserem X-Trail als aktuell größtem Crossover der Marke ab der zweiten Reihe eng zugeht und die dritte allenfalls noch für Grundschüler taugt, ist der Pathfinder ein vollwertiges Shuttle für die Großfamilie oder die Fußballjugend aus der Nachbarschaft. Zugeben, zu acht muss man sich ein bisschen rein quetschen. Aber mit jeweils zwei Einzelsitzen in beiden Fond-Reihen verzichtet man gerne auf den Inlandsflug und freut sich auf den nächsten Roadtrip. Zumal Nissan die Hinterbänkler anders als die US-Airlines nicht sträflich vernachlässigt: Es gibt deshalb nicht nur für jede Reihe eine eigene Klimazone und USB-Stecker wohin der Blick auch fällt, sondern auch noch mindestens zwei Becherhalter pro Platz und drumherum mehr Stauraum als in jedem Regionalflieger. Und wer nur zu viert unterwegs ist, der kann im Kofferraum ganz ohne Aufpreis jede Menge Übergepäck mitnehmen. 

Schade nur, dass die Navigation so nervig ist. Zwar ist das Design neu und auch das Cockpit haben die Japaner beim Wechsel in die mittlerweile fünfte Generation kräftig modernisiert, mit den üblichen Bildschirmen hinter dem Lenkrad sowie über der Mittelkonsole gepflastert und auch ein Head-Up-Display eingebaut. Und die Assistenzsysteme sind zwar ausgesprochen mitteilsam und deshalb an der Grenze zu Quälgeistern, machen dafür aber bei Abstandsregelung und Spurführung einen guten Job. Doch dass sich ausgerechnet sich ein Pfadfinder schwertut mit der Zielführung, mit zäher Eingabe und unübersichtlichen Karten nervt, das entbehrt bei diesem Namen nicht einer gewissen Ironie. 

Dafür haben die Japaner beim Antrieb einen ordentlichen Job gemacht: Wo sich Europäer mit Schrumpfmototoren herumschlagen müssen, steckt hier unter der mächtigen Haube noch ein V6 von soliden 3,5 Litern Hubraum. Der braucht zwar ein bisschen Drehzahl, weil er seine Leistung ohne Lader bringen muss, entschädigt dafür aber mit 284 PS und 350 Nm und einem Durchzug, der den Pfadfinder im behäbigen Fluss des amerikanischen Verkehrs zum perfekten Cruiser macht. Er recht mit seiner entspannten Abstimmung von Lenkung und Fahrwerk. Wer da lässig mitschwimmen will, statt auf jeder Geraden ein paar Plätze nach vorne zu hüpfen und keine Ambitionen zum Gipfelsturm entwickelt, der stört sich auch nicht am sägenden Sound des Neunstufigen-Automaten. Auch der ist zwar nicht der Weisheit letzter Schluss, fährt sich aber viel angenehmer als das CVT-Getriebe, das die Japaner ihren Kunden in Europa zumuten.

Wer bis dahin noch nicht neidisch ist auf die US-Kundschaft und seinen Qashqai oder X-Trail plötzlich mit ganz anderen Augen sieht, dem gibt spätestens der Blick auf die Preisliste den Rest. Denn für die Basis-Version mit Frontanrtieb verlangt Nissan läppische 35.000 Dollar und mit Allrad geht es bei 36.900 Dollar los. Dafür bekommt man bei uns den für solche Fälle viel zu kleinen Vetter X-Trail allenfalls als Tageszulassung.

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