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Kia Sorento: Premium für Alle

Die Zeiten, in denen viele Kunden heimlich einen Mercedes-Stern an den Kia Sorento geschraubt haben, sind lange vorbei. Denn der koreanische Geländewagen hat in mittlerweile fast 20 Jahren  nicht nur ein eigenständiges Design bekommen und sieht in der jetzt vorgestellten vierten Generation mit strenger Tigernase, kantiger Karosse und Haifischflosse am Heck selbstbewusster aus denn je. Sondern wenn die neue Auflage Mitte Oktober in den Handel kommt, hat die auch mehr Technik an Bord als die meisten Premium-Modelle – und das zu vergleichsweise bürgerlichen Preisen ab 41.419 Euro (D). 

Von Thomas Geiger

Zwar sieht das Cockpit noch vergleichsweise konventionell aus und es gibt in der Mittelkonsole, auf dem hohen Tunnel sowie am und ums Lenkrad erschreckend viele Knöpfe. Doch wenn die Zündung an und das erste Mal die Lightshow über die beiden großen Bildschirme geflimmert ist, wähnt man sich in einer neuen Welt: Ein halbes Dutzend Kameras zeigen den Wagen aus jeder Perspektive, statt des Schulterblicks gibt’s ein Live-Video neben Tacho und Drehzahlmesser und natürlich rollt der Sorento nahezu autonom über die Autobahn und hält dabei Abstand, Tempo und Spur. Er warnt beim Aussteigen vor rückwärtigen Radlern und vor zurückgelassenen Kindern, liest Verkehrszeichen und kann auch dann alleine ein- und ausparken, wenn der Fahrer schon draußen ist und nur noch auf den Schlüssel drückt.

Das klingt überflüssig, ist aber keine schlechte Idee bei einem Auto, das mittlerweile zu stattlichem Format angewachsen ist. Zwar hat der Sorento beim letzten Generationswechsel nur noch jeweils einen Zentimeter zugelegt, sprengt aber mit 1,90 Meter Breite und 4,81 Metern Länge trotzdem so manche Parklücke und man ist dankbar, wenn einem der Bordcomputer den Schlangentanz zwischen dem Spiegel des Nachbarn und der eigenen Türe abnimmt.

Innen fühlt er sich sogar noch größer an. Weil der Radstand um 3,5 Zentimeter auf 2,82 Meter gestreckt wurde, gibts für Kind und Kegel nun deutlich mehr Platz. Davon profitieren vor allem die Knie der Hinterbänkler in der zweiten Reihe. Auch in der dritten Reihe sitzt es sich jetzt zwar etwas besser und Kia hat den Lümmeln von der letzten Bank viel Aufmerksamkeit zu Teil werden lassen, den Verschiebeweg der zweiten Reihe vergrößert und sogar eine eigene Klimasteuerung ins Heck geschraubt. Doch man muss schon arg gelenkig und klein gewachsen sein, damit man dort die große Fahrt genießen kann. Oder man klappt die Sitze gleich ganz weg und freut sich an einem nochmal gewachsenen Kofferraum, der mit 697 bis 2.100 Litern nun zu den größten im Segment zählt.

Auch beim Antrieb gibt sich der immer als Fronttriebler oder mit Allrad erhältliche Sorento zukunftsfest. Ja, es gibt wie bisher den 2,2 Liter-Diesel, und wenn der sich mit einem dezenten Grummeln erst einmal warmgelaufen hat, ist er mit 202 PS und 404 Nm eine gute Wahl. Schließlich schafft er Tempo 100 im Zusammenspiel mit der achtstufigen Doppelkupplung in bestenfalls 9,0 Sekunden, erreicht bei Vollgas 202 km/h, gibt auf der Autobahn den komfortablen Souverän und an der Tankstelle den Sparer, der im Zyklus mit 5,4 Litern zufrieden ist und auf dem Bordcomputer Reichweite anzeigt, von denen Elektriker nur träumen können. Denn welches Akku-Auto schafft schon 800 Kilometer? 

Doch der ganze Stolz der Koreaner ist der erste Hybrid für den Sorento, für den sie einen 180 PS starken 1,6-Liter-Benziner mit einem 60 PS starken Stromer zusammenspannen, der in der sechsstufigen Automatik integriert ist. Gespeist wird der aus einem vergleichsweise kleinen Akku mit gerade mal 1,49 kWh, der allein aus überschüssiger Motorenergie geladen wird und nur für ein paar hundert Meter bei maximal 120 km/h reicht. Aber schon das reicht für einen deutlichen Push beim Anfahren und ist ein veritabler Appetitzügler. Denn während das zusammen 230 PS starke Doppel in 8,6 Sekunden auf Tempo 100 sprintet und 193 km/h erreicht, sinkt der Verbrauch auf 5,2 Liter.

Und das ist ja nur der Anfang. Denn im neuen Jahr gibt’s das Paket auch mit einem auf 95 PS erstarkten E-Motor und einem knapp zehn mal größeren Akku. Der passt dann zwar nicht mehr unter den Beifahrersitz, sondern muss in den Kofferraum und kostet dort etwas Kapazität, reicht dafür aber für über 50 Kilometer und macht das heimliche Flaggschiff der Koreaner auf dem Papier zum 2-Liter-Auto.

Diesel, Hybrid oder Plug-In mit hohem Spar-Potential und jede Menge smarte Technik – zwar fährt der Kia damit geschickt in die Lücke zwischen bürgerlichen Konkurrenten wie Peugeot 5008, Nissan X-Trail oder VW Tiguan und den Oberklasse-Modellen aus Stuttgart, München oder Ingolstadt. Doch auf der Straße in die Zukunft hat der Sorento offenbar nur eine begrenzte Reichweite und bekommt deshalb bald einen noch moderneren Bruder: Denn wenn Kia ab dem nächsten Jahr sechs designierte Elektroautos auf den Markt bringt, dann wird darunter auch ein SUV der gehobenen Mittelklasse sein, das nicht mehr Tiguan oder X3 im Visier hat, sondern ID.4 und Mercedes EQ C.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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