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Zwei Skodas am Ende des Ganges

Autofahren einmal ganz woanders. Zur Niederkunft der ­beiden neuen Skoda-Modelle Kushaq und Slavia lud man nach ­Indien. Wo dem Auto noch jene Bedeutung zukommt, die es sich verdient.

Als geborener Mitteleuropäer hat man schon seit dem Drücken der Schulbank ein eingeengtes Bild von Indien. Klar, man kennt den Taj Mahal, die exotischen Gewürze und wahrscheinlich hat man auch schon mal vom Himalaya gehört, zumindest um 20:15 in „Universum“. In den letzten Jahren wurde auch die wirt­schaftliche Bedeutung des zweitbevölkerungsreichsten Staates immer öfters in den heimischen Medien thematisiert. Es wird prognostiziert, dass Indien bis 2030 die viert­stärkste Weltwirtschaft sein wird. In Zahlen gesprochen, soll das nationale BIP dann satte 8,4 Billionen betragen. Ausgeschrieben: 8.400.000.000.000.

Eine logische Entwicklung. Die 1,42 Milliarden ­Einwohner würden ja auch gerne ihre sauer verdienten ­Rupien ausgeben, genauso wie wir Westler das gerne tun. Und ganz oben auf der Wunschliste stehen für viele junge Inderinnen und Inder die eigenen vier automobil angetriebenen Räder. Bisher haben heimische Marken wie Tata (wir erinnern uns: Land Rover und Jaguar-­Eigentümer) oder Mahindra einen großen Anteil am indischen Automarkt gehabt. Auch asiatische Her­steller wie Maruti-Suzuki, Hyundai, Kia oder ­Toyota mischen dort seit Jahrzehnten mit. Kombiniert haben diese Marken derzeit einen Marktanteil von knapp 89 Prozent. Europäische Marken haben sich bislang die Zähne an der indischen Kundschaft ausgebissen – bis jetzt, wenn es nach den Vorstellungen von Skoda geht.

Schon in den frühen 2000ern hat es erste Annähe­rungsversuche aus der VW-Gruppe gegeben, die gebotenen Modelle haben sich jedoch als unpassend und wenig ertragreich herausgestellt. Der zweite Anlauf startete erst 2018 mit dem „India 2.0“ Programm. Mithilfe einer Finanzspritze von einer Milliarde Euro sollen neue, für den indischen Markt optimierte Modelle konzipiert und vermarktet werden. Auch das Produktions- und Hän­dlernetzwerk wird seit dem Start immer weiter ausgebaut. Und nun ist es an der Zeit, die erste Ernte dieser Investition einzufahren. Die Früchte hören auf den Namen Skoda Kushaq und Skoda Slavia und wir wurden eingeladen, sie auf indischen Straßen näher zu betrachten – und auch zu fahren.

Dabei ging es freilich weniger um die Details und die Markttauglichkeit der beiden neuen Modelle, die ja weder so, noch in abgeänderter Form je in Europa verkauft werden sollen. Es ging viel mehr darum, die Unterschiede zwischen den Kontinenten herauszuarbeiten, mit Fokus auf wirtschaftliche Gegebenheiten. Nicht erwähnt wurde dabei ein klar spürbares Element der Entwicklungen: Auch wenn es für Skoda ein feiner Erfolg wäre, die indische Bevölkerung mit den beiden, neuen Modellen zügig vollzumotorisieren (was bei 30.000 Rupien, oder 300 Euro Durchschnittslohn schon noch eine Weile dauern könnte): Noch mehr Autofahrer sind wohl kaum das, was unser Planet derzeit dringend benötigt. Andererseits: Was können die Inder dafür?

Vom Flughafen Dehradun (eine 600.000 Einwohner zählende Gemeinde am Fuße des Himalaya, von der ich zuvor auch noch nie gehört hatte) abgeholt wurden wir von einer Flotte sehr zuvorkommender indischer Fahrer. Die zweistündige Fahrt ins SPA-Ressort brachte dank der Plauderwut der lieben Kerle eine interessante Sicht auf die Hürden des Lebens in Indien. Die Rede war von staatlicher Korruption, der steigenden Arbeitslosigkeit und von einer riesigen Kluft zwischen Arm und Reich. Auch das ­öffentliche Gesundheitssystem scheint nur etwa 50% der Gesellschaft regelmäßig zur Verfügung zu stehen, dabei wäre es wegen der Luftverschmutzung immer notwendiger. Dafür konzentrierten sich Piyush Arora, Managing Director der Skoda-VW India-Group und Produktmanager Jan Repa, zuständig für die Modelle Kushaq und Slavia, mehr auf die Vorlieben der indischen Kundschaft puncto Automobil, die man durchaus als besonders bezeichnen kann. Im Vergleich mit Europa hat das Auto in Indien einen weitaus höheren Stellenwert, nämlich als Zeichen der Freiheit und ­Unabhängigkeit. Indische Autofahrer sind sehr stolz auf ihre Autos, deren Auslieferung beim Händler des Vertrauens wie ein Festtag begangen wird. Repa sagt, dass bei so einer Übergabe die ganze Familie mit dabei sein muss. Auch essenziell: Der zugehörige Blumenschmuck und das passende Essen. Ist das Prachtstück dann erstmal zuhause, erfreuen sich die Kunden an persönlicher Individualisierung. Es wird geklebt, gesprüht und umgebaut was das Zeug hält. Dazu zählt auch der Ausdruck der eigenen Spiritualität, was Skoda schlauerweise bei der Entwicklung der Fahrzeuge berücksichtigt hat: Was einst dem Ur-Bayern der Rosenkranz am Rückspiegel vom Opel Kadett war, ist jetzt im Skoda ­Kushaq die eigens dafür vorgesehene Götterablage über dem Infotainmentsystem.

Sowohl der Kompakt-SUV Kushaq als auch die Limousine Slaviasind mit entweder einem 1,0-Liter Dreizylinder oder 1,5-Liter Vierzylinder Benziner erhältlich. Die Motoren leisten maximal 100 beziehungsweise 150 PS und werden mit einem 6-Gang Schaltgetriebe oder automatisierten Doppelkupplungsgetriebe kombiniert. Die Motoren kenn man grundsätzlich aus VW Polo oder Golf, Diesel ist hier als Treibstoff kein Thema. Interessanterweise sind die Standards für neue Fahrzeuge in Indien sehr ähnlich zu europäischen. Der maximale CO2-Ausstoß beispielsweise, darf nur bei 113 Gramm pro Kilometer liegen. Das sind sogar 22 Gramm weniger als bei uns. Auch die Sicherheitsstan­dards werden EU-ähnlich gehalten, gerade der Passantenschutz spielt in Indien eine große Rolle. Einzig beim Sprit sind Magermotoren gefragt: Maximal 91 Oktan tropfen aus der Zapfe. 5 Prozent Marktanteil setzt sich Skoda als Ziel. Eine ganze Menge.


Skoda Slavia | Skoda Kushaq

Hubraum: 999/1493 ccm
Leistung: 115/150 PS
Drehmoment: 175/250 Nm
Verbrauch: 5,14 L    /  100 km (Kushaq: 5,21 L)
Spitze: 186/202 km/h (Kushaq: 179/195 km/h)
Gewicht: 1.160 kg (Kushaq: 1.185 kg)
Preis: ab 1.129.000 Rupien (13.208 Euro) bzw. ab 1.159.000 Rupien (13.559 Euro)

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