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Auf Spurensuche

Formel 1 ist doch so was von gestern? Von wegen. Zuschauerrekorde purzeln weltweit und sogar der VW-Konzern wird schon bald einsteigen. Wir waren beim Grand Prix von Österreich zu Gast bei Alpine und sondieren die Stimmung.

Mit 304.000 Zuschauern am letzten Wochenende ist der neue Rekord für den Grand Prix in Spielberg aufgestellt worden. Die Begeisterung der Leute ist schon am Donnerstag nicht zu übersehen: Die Zeltplätze sind gesteckt voll, die Erde erzittert angesichts des Musikgeschmacks der Fans, von Schlager bis zum heftigsten Hardbass. Im Paddock angekommen wundert man sich mal wieder über die schier unvorstellbare Logistik hinter der Königsklasse des Motorsports. Denn allein die Motorhomes der Teams von Strecke zu Strecke zu bewegen, muss Ressourcen verschlingen … da könnten die Rennautos alleine gerne doppelt so viele Rennen fahren drum. Nach Kanada etwa hat das BWT Alpine F1 Team 36 Tonnen an Material verschifft und verflogen – wie die Formel 1 bis 2030 CO2-neutral unterwegs sein will, scheint ein unlösbares Rätsel. Aber gut, damit ist sie nicht alleine. Immerhin: Am Red Bull Ring wird der Paddock auch mit Solarenergie und E-Fuels betrieben, ein sinnvoller Schritt.

So gigantisch die Maßstäbe der Formel 1 sind, so professionell sie von allen Beteiligten betrieben wird und so viel Druck auf ihnen lastet, so gemütlich und vertraut geht es im Paddock zu. Da plaudert der Ferrari-Teamboss mit der PR-Chefin von Alpine, Journalisten begrüßen Fahrer mit Handschlag und die Mechaniker der unterschiedlichen Teams halten sowieso immer den Schmäh am Rennen. Wenn mal ein Fan ein Autogramm oder ein Foto will, wird freundlich mitgemacht – vom Rookie bis zum mehrfachen Weltmeister.

Auch bei Alpine selbst herrscht gute Stimmung. Beim Mittagessen im Motorhome könnte man sich auch in jeder anderen Kantine wähnen, dank der gemütlichen Stimmung. Alle sind guter Laune – was so ein Traumjob mit den Menschen macht. Esteban Ocon und Pierre Gasly beehren uns wenig später bei einem kleinen Roundtable und plaudern erstaunlich offen und ehrlich. Keine Spur von irgendwelchen einstudierten Floskeln, wie man sie aus dem Fernsehen kennt. Gasly merkt man deutlich an, dass die letzten Wochen nicht einfach waren. Am Sonntag wird er 10. und holt immerhin einen Punkt. Wahrscheinlich weniger als gewünscht, aber er kann sich endlich mal wieder gegen den Teamkollegen durchsetzen.

Der Freitag ist schon eine gänzlich andere Geschichte. Zwar ist die Atmosphäre immer noch positiv und freundlich, aber man merkt schon, dass es heute im Qualifying zählt. Es wuselt deutlich zielstrebiger und zackiger im Paddock und den Fahrern steht der Fokus ins Gesicht geschrieben. Fans bekommen aber immer ein gemeinsames Selfie, selbst wenn die Stars eigentlich gerade in die Garage sprinten, um fürs FP1 ins Auto zu springen. Das Qualifying selbst läuft für Alpine nicht katastrophal, ein 9. Startplatz für Gasly und ein 12. für Ocon bleiben aber irgendwie doch unter den Erwartungen. Es ist generell noch keine einfach Saison. Aston Martin ist den Franzosen komplett enteilt und Alpine-Boss Laurent Rossi scheint sich mit Alpine-F1-Teamchef Otmar Szafnauer nicht ganz einig zu sein, was zu tun ist. Auch letzterer gibt sich am Roundtable authentisch. Von Lewis Hamiltons Vorschlag, Teams erst ab dem 1. August die Arbeit am Auto des nächsten Jahres zu erlauben, (komisch, dass den Briten das nicht gestört hat, als Mercedes jedes Jahr mit der Weltmeisterschaft davongefahren ist) hält er nichts. Vorteil durch Innovation und smartes Vorgehen war immer ein fester Bestandteil der Formel 1 und das soll auch so bleiben. Aber mit Hirn, bitteschön. Deshalb kann er den Stimmen, die vehement eine Abschaffung der Heizdecken für die Reifen fordern, auch nichts abgewinnen. Wenn Pirelli Reifen in petto hat, die damit umgehen können, gerne. Aber bei übereilten Änderungen nur um der Änderungen willen drohe allen Beteiligten lediglich Gefahr im Rennbetrieb. Macht Sinn, daran kann wohl kein logisch denkender Mensch Anstoß finden.

Auch wenn es bei Alpine aktuell noch nicht so läuft wie gewünscht, haben wir an diesem Wochenende in Spielberg doch den Eindruck gewonnen, dass die Franzosen hart und unbeirrt am Erfolg arbeiten. Es ist ja kein Geheimnis, dass nicht jedes Team auf Kosten allzu großer finanzieller Abenteuer die sportlichen Resultate erzwingen will (hust, Haas, hust). Aber das BWT Alpine F1 Team sieht sich sichtlich weiter vorne und ist fest entschlossen, den Anschluss an die Spitze zu finden. Stolz sind sie, die Franzosen. Aber auch selbstkritisch. Nachdem wir ein paar Tage mit dem Team verbracht haben, würden wir ihnen den Erfolg mehr denn je bei ihrer Suche nach der eigenen Erfolgsspur. Schließlich ist es noch nicht so ewig her, dass Renault zweimal hintereinander Weltmeister wurde. Der Weg dorthin ist definitiv steinig. Aber wer nicht ganz oben sein will, kommt auch nicht weiter. Das hat man bei Alpine verstanden und dementsprechend wird die Spurensuche hoffentlich bald von Erfolg gekrönt sein.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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