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Cupra Born: Auto Emancipación

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Seat eine Art VW fürs Börserl war. Billiger in jeder Hinsicht. Doch die Spanier haben sich mittlerweile (natürlich hauptsächlich dank Wolfsburg) zu einer jungen, stylischen Alternative entwickelt. Dass im Konzern aktuell jedes mögliche Teil für so viele Marken wie möglich verwendet wird, – vom Motor zum Infotainment – hat weiter zum Schwund des Qualitätsunterschieds beigetragen. Davon profitiert nun auch Cupra, das mit dem Born sein erstes Elektroauto und zweites Auto überhaupt bringt – inklusive enger Verwandtschaft zum VW ID.3.

Doch Obacht! Diese Einleitung soll nicht zum Schluss verleiten, dass der Cupra Born einfach nur ein cooler(er) ID.3-Klon sei. Unter dem dynamischen Blech stecken zwar größtenteils die gleichen Antriebe auf der gleichen Plattform und die Bordtechnik von Infotainment über Assistenz bis zur Sicherheit gleicht sich wie ein Ei dem anderen. Doch ruht sich der Born nicht auf dieser soliden Grundlage aus, sondern macht sie zu etwas Aufregenderem.

Das macht sich schon bemerkbar, wenn nur über das Auto geredet wird. Lag der Fokus beim ID.3 noch ganz auf dem Rotstift, sprechen die Entwickler bei Cupra mit leuchtenden Augen von Sportlichkeit, Design und sind stolz auf das emotionale Gesamtpaket. Ihr Schützling straft sie da auch keineswegs Lügen. Denn der Born tritt nicht nur expressiv auf und lenkt mit feschen Lackierungen und kupferfarbenen Akzenten die Blicke auf sich. Abgesehen davon, dass Front und Heck sich regelrecht darum streiten, wer denn hier nun der Star sein darf. Sondern tatsächlich darf und will der Spanier Spaß machen beim Fahren. Bestes Beispiel: Konnten wir beim ID.3 das ESP nicht einmal schärfer einstellen, lässt es sich im Born sogar ganz abdrehen.

Das gilt allerdings nur für die Topmodelle mit 231 PS und e-Boost mit den größeren Bremsen und den fetteren Gummis. Da allerdings sowohl für die 58 als auch die 77 kWh-Batterievariante. Doch auch im Alltagsmodus geht der Cupra Born sehr engagiert zu Werke. Der supertiefe Schwerpunkt weiß Dynamikern zu gefallen, da er den Kompaktelektriker trotz mehr als 1,7 Tonnen Eigengewicht satt in der Kurve liegen lässt. Selbst verkostet haben wir den 58-Kilowattstunder sowohl mit 204 als auch 231 PS. Ob der seine versprochenen Reichweiten von 423 und 420 wirklich halten kann, haben wir nicht ausgequetscht. Doch anhand der Bordcomputerdaten erscheinen der übliche Abzug von ein paar Dutzend Kilometern und somit unter dem Strich eine ordentliche Reichweite absolut realistisch.

Anyway. In den Bergstraßen rund um Barcelona hetzt es sich im Born sehr lustig rauf und runter. Das Vertrauen in den flotten Stromer sitzt, als ob er ein dynamischer Verbrenner wäre. Der 231 PS-Motor ist zwar flüsterleise, katapultiert den Spanier dafür umso enthusiastischer aus der Kurve bergauf. Von Spießigkeit oder Fadesse spürt man im elektrischen Cupra jedenfalls nichts. Ganz im Gegenteil, er beweist, dass Elektroautos auch diesseits von 400 PS und abseits des Dragstrips Freude machen und mithalten können. 310 Nm Drehmoment sind zwar alles andere als kläglich, machen den Born aber nicht alleine aus.

Das Interieur zwingt wieder zum Blick auf den ID.3, so sehr gleichen sich die Innenräume. Vom Display samt Gangwahlhebel hinter dem Lenkrad über den riesigen Touchscreen in der Mitte bis zur generellen Aufgeräumtheit im Cockpit erkennt man den Wolfsburger zweifellos wieder. Natürlich wurde die ganze Geschichte deutlich cuprafiziert und weist nette Kupferakzente sowie viele geometrische Formen auf. Und es weiß deutlich besser zu gefallen als die gar triste ID.3-Umgebung.

So sehr es hier auch um den Cupra geht, drängt sich bei den (naheliegenden) Vergleichen zum VW doch eine entscheidende Frage auf: Wenn der Born so viel schneller und cooler ist, womit punktet dann der ID.3? Ach ja, sicher mit dem Preis, schließlich war das ja so etwas wie sein Ding. Hm. Aktuell beginnt der Wolfsburger mit 204 PS und 58 kWh bei 40.790 Euro. Der Born startet in dieser Konfiguration bei 39.990. Autsch. Wir lassen das jetzt mal so stehen. Und wundern uns ein bisschen. Aber nicht zu lange, schließlich wollen wir uns im gleichen Atemzug auch direkt wieder für (und über) den Born freuen. Denn mit ihm emanzipiert sich Cupra, und somit auch Seat, nicht nur ein Stück weit von VW, sondern wahrt dabei auch noch die Tugend des kleineren Preises. In den Verkaufslisten mag der große Markenname immer noch stärker ziehen, aber der erste Test hat bewiesen, dass Cupra mit dem Born sofort den zweiten großen Schritt nach dem gelungenen Formentor getan hat. Auto Emancipación, um im ehemaligen Seat-Werbesprech zu bleiben.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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