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Minis dritter Frühling

Für die meisten mag Nachhaltigkeit ein Modewort sein. „Doch bei Mini waren sie schon nachhaltig, als es das Wort noch gar nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft hat,“ sagt Bernd Körber. Und der muss es wissen. Schließlich ist er der Chef der BMW-Tochter. „Vor dem Hintergrund der Suez-Krise entwickelt, ging es den Briten beim Original erst einmal um bezahlbare Mobilität und minimalen Materialeinsatz,“ gibt er den Lehrer in PS-Geschichte. Dass der Kleinwagen dann auch noch zum Kultobjekt, zum Botschafter eines neuen Lebensstils und zum Sinnbild für Fahrfreude wurde, war eher eine glückliche Fügung. 

Auf die hofft Körber auch diesmal, wenn er die Marke nach den wilden 1960ern und der Übernahme durch BMW zu Beginn dieses Jahrtausends nun in ihren dritten Frühling führen soll. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn anders als das eingefahrene Mutterhaus gilt Mini nach wie vor als cool, modern und trotz der mitunter strammen Preise sogar als halbwegs nahbar. Und nachdem die Briten den Bayern erst den Weg in die Elektromobilität geebnet haben, nimmt man ihnen auch die Sache mit der Nachhaltigkeit ab. Die Basis, auf der Körber die neue Mini-Generation aufbauen kann, ist also gar nicht so schlecht – selbst wenn sich die Marke zuletzt nicht nur bei der Modellplanung arg verzettelt und mit Spinnereien wie eigenen Wohnungen viel Kredit verspielt hat.

Doch damit soll jetzt Schluss sein, sagt Körber und verspricht für 2023 einen sauberen Neuanfang, der gleich mit einem Paukenschlag beginnen soll. Denn statt einfach nur die überfällige Neuauflage für den Dreitürer zu enthüllen, den sie in englischer Diktion alle „Hatch“ nennen, stellt Körber gleich zwei Nachfolger in Aussicht: Von außen kaum zu unterscheiden aber jeweils auf einer eigenen Plattform aufgebaut, wird der eine als Elektroauto gemeinsam mit Great Wall in China gebaut und der andere kommt ganz konventionell mit Benzinern und Dieseln auf einer BMW-Bodengruppe aus dem Stammwerk in Oxford.

Denn auch wenn Mini als Marke aus dem Speckgürtel der Großstädte prädestiniert ist für den Wechsel auf den Elektroantrieb und Körber bis 2027 mit einem Verkaufsanteil von 50 Prozent für die E-Modelle rechnet, mag er den Sprithahn noch nicht ganz zudrehen: „Wir bringen zwar bald innerhalb von 18 Monaten drei Elektroautos in Folge“, sagt Körber und spannt deren Preisrahmen von 30.000 bis 40.000 Euro. „Doch nicht überall auf der Welt sind die Kunden schon bereit für die Elektromobilität, auch nicht auf unseren Märkten“, schränkt er ein und gibt den Verbrennern noch Bestandsschutz bis zum Ende der Dekade. Erst wenn die kommende Generation ausläuft, wird Mini dann zu Beginn der 2030er eine rein elektrische Marke. 

Auch wenn Mini genau wie der jugendliche Daimler-Ableger Smart auf Hilfe aus China setzt, wollen sich die Briten aber treu bleiben und keinen radikalen Schnitt machen. Nicht umsonst behalten sie beim Joint-Venture die Oberhand. Zwar werden die Autos auf chinesische Plattformen gestellt und vor Ort produziert. Doch anders als Daimler bei Smart verantwortet BMW neben dem Design auch die Entwicklung und behält die Hoheit beim Vertrieb. Wo Smart mit dem Wechsel zum kompakten SUV gleich zwei Klassen nach oben springt, verspricht Körber bei Mini eher evolutionäres Wachstum. Und vor allem verlassen sich die Bayern nicht allein auf die Asiaten. Sondern parallel zum elektrischen Dreitürer aus China gibt es mit gleichem Design aber konventioneller Plattform auch wieder einen Dreitürer mit Benzin- und Diesel-Motoren aus Oxford. Und während die Chinesen ein kleines, wieder nur rein elektrisches Cross-Over im Format von etwa 4,10 Metern für Mini bauen, das den heutigen Countryman beerben will, entwickeln sie in München für Mini noch einen Ableger des kommenden BMW X1, der als New Countryman in Leipzig vom Band laufen und die Marke mit Benzinern, Dieseln und einer reinen E-Variante in die Klasse von rund 4,50 Metern führen soll. Denn so ganz kann Körber dem Reiz der neuen Größenordnungen eben doch nicht wiederstehen. 

Auch wenn Körber manche Ausflüge seiner Vorgänger als Hirngespenster geißelt und über den Wildwuchs in der Modellpalette klagt, will er es natürlich nicht bei den beiden Hatchs und den zwei Crossovern belassen, sondern zur Mitte der Dekade auch wieder über Derivate nachdenken. Das nächste Cabrio hat er dem Vorstand gerade abgerungen und selbst eine Serienfreigabe für den Urbanaut als Großraumlimousine für die Großstadt, als Lounge oder als Zweitwohnung auf Rädern schließt er nicht aus. Vor allem aber hofft er, dass er Mini irgendwann sogar wieder zu den Wurzeln zurückführen kann. Denn auch wenn viele Puristen das Wachstum der Modelle kritisieren, begreift er den Maxi-Kurs eher als Chance: „So bekommen wir am unteren Ende der Modellpalette vielleicht Platz für ein weiteres Modell, das dann auch bei den Abmessungen tatsächlich wieder Mini ist.“ 

Bereinigen will Körber aber nicht nur die Produktpalette. Auch die Autos selbst sollen wieder etwas strukturierter und einfacher werden. Denn die Vielfalt an Ausstattungen überfordere nicht nur die Produktion, sondern auch die Kunden am Konfigurator, sagt Körber und verweist auf die Strip-Studie mit dem Designer Paul Smith, die als Vorbild für eine neue Schlichtheit dienen könnte. Auf Individualität und Gestaltungsspielraum müssten die Kunden deshalb aber trotzdem nicht verzichten, sagt Körner und stellt als Alternative künftig sehr viel mehr, sehr viel spitzer zugeschnittene Editionsmodelle oder Kleinserien in Aussicht. 

Hört man Körber über das harte Ringen um die Zukunft von Mini sprechen, klingt dabei deutlich mehr Vorstandsbeteiligung durch als bisher und es wirkt fast so, als müsse er in München öfter zum Rapport antreten als seine Vorgänger. Doch dafür hat er aus dem obersten Führungskreis offenbar auch mehr Rückendeckung. Die will er sich beim Neustart der Marke auch öffentlich zu Nutze machen: Denn nachdem sich weder Norbert Reithofer noch Harald Krüger je mit einem Mini haben fotografieren lassen, hat der aktuelle Vorstandschef Oliver Zipse seinen Auftritt im Rahmen der Premiere bereits zugesagt.

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