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Genesis GV70: Hitverdächtige Zugabe

Opulentes Design, barockes Interieur und zurückhaltende Motoren – mit G80 und GV80 reicht es für Genesis gegen mittlerweile ziemlich progressive Luxusmarken wie Audi, BMW und Mercedes nur für das Sparten-Programm. Doch wenn die vornehme Schwester von Hyundai und Kia jetzt quasi als Zugabe den GV70 nachreicht, machen die Koreaner auf Mainstream und könnten so doch noch die Charts stürmen. Denn der Herausforderer für BMW X3, Mercedes GLC und Audi Q5 ist nicht nur sportlicher gezeichnet und eine erfrischende Abwechslung im Einerlei der kompakten SUV in Lack und Leder. Er hat auch ein spürbar modernisiertes Innenleben – und ist mit einem Grundpreis von 45.920 Euro (D) obendrein ein bisschen billiger als die deutschen Platzhirsche.

Dafür gibt es einen 4,72 Meter langen Geländewagen, der schnittiger gezeichnet ist als ein Porsche Macan und mit seinen eigenwilligen Streifen-Scheinwerfern überall heraussticht. Dazu der große Grill und die ungewöhnliche Fenstergrafik – schon dreht sich alle Welt um, und an der Tankstelle wird einem nie langweilig.

Auch innen ist der GV70 ein Statement: Die Platzverhältnisse sind bei 2,88 Metern Radstand zwar nur durchschnittlich, im Fond muss man ein wenig den Kopf einziehen und der Kofferraum fasst 542 bis 1.678 Liter. Doch wo die Oberklasse-Modelle aus Korea bei allem Luxus so angestaubt wirken wie ein ehrwürdiges Grandhotel, wirkt der bislang kleinste Genesis-Geländewagen mit dem freistehenden Touchscreen, der vornehmen Bedieninsel auf dem Mitteltunnel und den digitalen Instrumenten deutlich frischer und moderner.

Dazu gibt es jede Menge Hightech für Assistenz und Infotainment: Das beginnt bei einer ausgesprochen verständigen Sprachsteuerung und reicht über das adaptive Fahrwerk mit Kamerasteuerung bis hin zum intelligenten Autobahn-Assistenten mit Abstands- und Spurregelung oder dem Video-Blick in den toten Winkel.

Nur beim Blick unter die Haube wähnt man sich in der Vergangenheit. Denn so sehr es Vielfahrer auch freuen mag, dass Genesis sich weiter zum Diesel bekennt, so schmerzlich vermisst man einen politisch korrekten Plug-In-Hybriden oder wenigstens ein 48 Volt-System. Der für die nächsten Monate angekündigte GV60 als erstes rein elektrisches Auto ist da nur ein schwacher Trost. Und auch die Beschränkung auf vier Zylinder wird in dieser Klasse nicht jeden freuen. Doch immerhin gibt es einen intelligenten Allrad für alle.

Das Basismodell fährt mit einem 2,2 Liter großen Diesel, der mit 210 PS in der Liste steht. Seine 440 Nm sorgen dabei zwar für einen hübschen Schwung beim Kick-Down und wuchten die Fuhre in 7,9 Sekunden auf Tempo 100, doch auf der Autobahn macht sich der Vierzylinder deutlich bemerkbar und zwingt Schnellfahrer mit maximal 215 km/h obendrein zu ein wenig Geduld. Und auch der Verbrauch ist mit 7,4 Litern allenfalls gehobener Durchschnitt.

Alternativ gibt es für 4.000 Euro mehr den gleichen Vierzylinder-Benziner wie im G80. Der hat 2,5 Liter Hubraum, kommt auf stolze 304 PS, beschleunigt mit bis zu 422 Nm in 6,1 Sekunden auf Tempo 100 und schafft bei Vollgas mit 240 km/h immerhin fast den Klassenstandard. 

Im Rennen mit den Dynamikern aus dem deutschen Süden muss der GV70 zwar oft die linke Spur räumen. Doch wer den GV70 trotz seines sportlichen Schnitts nicht als Fighter versteht, sondern als Gleiter, dem ist er ein entspannter und treuer Begleiter: Das Fahrwerk verbindlich aber versöhnlich, die Lenkung ohne Strenge präzise und die Automatik von der sanften Sorte – so wird der Genesis zu einer Oase der Ruhe für die Reise und man wähnt sich förmlich „unplugged“. Aber das waren bei MTV & Co ja immer die besten Hits. 

Das Rennen gegen Audi, BMW und Mercedes muss der GV70 übrigens nicht alleine machen. Zwar hat ein SUV aktuell wohl die größten Chancen auf einen Hit, doch auf der B-Seite dieser Platte servieren die Koreaner noch zwei Klassiker und verkaufen auf der gleichen Plattform mit denselben Motoren für Preise ab 39.100 Euro (D) die G70 Limousine oder den exklusiv für Europa entwickelten Shooting Brake. Das sollte reichen, um sich im Konzert der Premium-Player endlich Gehör zu verschaffen.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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