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Goodwood Festival of Speed – Motorsport rules Britannia

Motorsport rules Britannia

Auf den Britischen Inseln leben eine Menge Blaublütler. Die meisten Bewohner des Vereinigten Königreichs haben jedoch Benzin im Blut. Beim „Goodwood Festival of Speed“ laufen Papa, Mama und die Kinder, Lord’s & Ladies, Stars & Sternchen immer der Nase und dem Duft von Benzin, Gummi und Boliden nach.

von Romana Kanzian
Knappe drei Stunden von London – je nachdem, ob britische Chauffeure oder das Navigationsgerät gerade „out of order“ sind – liegt Goodwood. Zugegeben, nicht jeder beherrscht Fahrzeug und Straße wie Sterling Moss oder Jenson Button. Auch die Technik kennt sich in der malerischen Pampa Südenglands nur bedingt aus. Dörfer und Cottages, viel Wald und Wiesen umgeben von sanfter Stille. West Sussex kann aussehen wie Rosamunde Pilchers Cornwall. Hier lebt Lord March. Und weil His Lordship, Charles Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara, sowohl blaues als auch Benzinblut in sich trägt, veranstaltet er seit 1993 auf seinem Besitzt das „Goodwood Festival of Speed“. Davor ließ Lord March’s Großvater bereits in den 1930er Jahren Rennautos auf seinem Grund und Boden kreisen. Im zu Ehren findet jedes Jahr im September das „Goodwood Revival“ statt. Zugelassen sind da aber nur Rennautos ältere Semester, so von 1948 bis 1966.
Schnell, schnell rauf den Hügel. Hier: ein Aston Martin von 1925.

Goodwood: Grand Prix meets Ascot meets Zeltfest

Das Festival ist eine Familienveranstaltung, Für die drei Tage dauernde Veranstaltung richtet man sich auf dem Campingplatz ein. Die Nouveau Riche parkt ihre Lamborghinis, Ferraris, Bentleys und Aston Martins im eigens dafür vorgesehenen Carpark. Der Wert dieser automotiven Ansammlung könnte den Griechen locker eine Tranche der nächsten IWF-Zahlung sichern. Genächtigt wird „of course“ im eigenen Landhaus. Wer nur ein paar Stunden Zeit hat, fliegt im Helikopter ein.
Die Stimmung am letzten Wochenende im Juni könnte besser nicht sein. Die Briten scherzen: Lord March hätte seine Seele längst an den Teufel verscherbelt, weil ihm sogar das sehr launige englische Wetter hold ist. Der Himmel ist blau, das Treiben bunt. Adrenalin schießt ins Blut, der Champagner perlt, die Tage des Donners haben endlich begonnen. Zwischendurch erzittert der Himmel, wenn zwischen den Rennen die Red Arrows, das Kunstflugteam der britischen Luftwaffe Royal Air Force durch die Lüfte fliegt. Am Blau kratzt auch die diesjährige „Central Feature“. Eine Skulptur vor dem Goodwood House, die jedes Jahr im neuen spektakulären Design von einer Automarke gesponsert wird. Heuer feiert Mazda Mazda 50 Jahre Motorsport und hat aus diesem Grund eine 120 Tonnen schwere und 40 Meter hohe Konstruktion aufstellen lassen. Dessen Ende bilden zum einen das 1991er-Siegerauto der 24-Stunden von Le Mans und zum anderen ein für das PlayStation-Rennspiel Gran Turismo

Goodwood Revival: Chasing pretty cars

Ganz klar, hier wird dem Motorsport gehuldigt: Den Konstrukteuren, den Visionären, den Rennfahrern, den Designern, den Mechanikern und jeder kleinsten Schraube im Getriebe. Objekte der Begierde gibt daher es viele; die großen Automarken kleckern nicht, sie klotzen was die Karosserie hält, zeigen was sie haben, an Neuem und Alten. Wie mit Formel-1-Boliden, denen man ansieht, dass jede Fahrt ein Rennen auf Leben und Tod war. Zwischendrin Sir Stirling Moss, „alive and kicking“, der ewige Zweite in der Königsklasse des Motorsports. Moss war bereits beim allerersten Grand Prix der Formel-e in Silverstone als Testfahrer dabei – das war vor 65 Jahren. Dafür ist er noch quicklebendig, zwängt sich gern zur Show in seinen originalen SLR 722-Mille Miglia-Siegerwagen und fährt winkend die Rennbahn entlang. „Stirling Moss didn’t give up chasing, …. pretty girls“, wie ein Rennkommentator scherzhaft meint.

Zeitmechaniker

Im noblen Drivers Club, parlieren gut behütete Ladies mit rauen Männern im Rennanzug; unter anderem über Peugeots Pläne nächstes Jahr in die Formel-1 einzusteigen. Ja, auf den Inseln gibt es in punkto Motorsport eben keine Trennung: weder nach Geschlecht noch Einkommen (na ja, fast!). Selbst die Queen hat eine Lehre zur Automechanikerin einem Schulabschluss vorgezogen. Der mächtigste Mann der Formel-1, Bernie Ecclestone, stammt von einem Fischer ab und hat Gebrauchtwagen verkauft. Also, reich, schön und schnell lässt sich mitunter nur mehr mit einem Blick auf’s Handgelenk erkennen: Bei den Zeitmechanikern geht die Post ab. Noble Schweizer Uhrenmanufakturen (die Eidgenossen sind halt immer noch die akkuratesten Zeitgenossen) an fast jedem Handgelenk. TAG Heuer ist offizieller Zeitmesser der Veranstaltung und ein „blue chip“ der Uhren Welt. Und die favorisierte Uhrenmark der Briten. Zu den TAG Heuer-Testimonials zählten immer die unerschrockenen Draufgänger, wie Ayrton Senna oder Hollywood’s Racing-Legende Steve McQueen – der verlor sein Leben allerdings an den Krebs und nicht auf der Rennstrecke.

Zu beglupschen gibt es in Goodwood auch TAG Heuers Kronjuwelen: Mit 131.200 Euro ist die TAG Heuer Carrera Mikrogirder teurer als ein netter Porsche. Dafür schmückte das Lederarmband einst ein stolzes Krokodil, das Glas ist aus Saphir und das Uhrwerk Automatik. Wer sein Herz eher an Vintage-Zeitmesser verloren hat (so wie ich) wird wohl an McQueens Monaco Caliber 12 nicht vorbei kommen. „When you are racing, it’s life. Everything before and just after is waiting“, Amen to the holy Steve McQueen.

Goodwood: Promis vor Ort

Neben der Motorpsort-Legende Stirling Moss sind unter anderem die F1-Weltmeister Kimi Raikkonen und Damon Hill, MotoGP-Legende Valentino Rossi, der australische Ex-MotoGP-Fahrer Casey Stoner und einige namhafte Stuntfahrer zu Gast beim Goodwood Festival of Speed 2015. Außerdem Gene Simmons. Keine Ahnung wer das ist? Eine kleine Nachhilfestunde gefällig: Der Frontman der Gruppe KISS, die 1973 in New York gegründet wurde; außerdem, der Mann mit der längsten Zunge der Welt und TAG Heuer „Friend of the Brand“. Apropos Legenden, TAG Heuer hat sich nicht lumpen lassen und Steve McQueens Carpark am grünen Rasen vor den Driver’s Club positioniert. Da geht selbst dem abgebrühtesten Kerl das Herz auf: Mustang Fastback GT, Porsche 911S, Jaguar XKSS, Ferrari 275 GTB/4 und der goldfarbener Mini Cooper S 1275.

Promis von Jean Todt bis Felix Baumgartner. Von alt bis jung. Von Sport bis Supersport. Und die schöne Frau Button schaut auch vorbei.

Das Motto der Veranstaltung: „Flat-Out And Fearless: Racing On The Edge“

Goodwood: Brennender Asphalt

Okay, da war ja noch was! Sorry, aber Goodwood ist eben mehr „Woodstock for cars“ als Rennen. Obwohl, zum Zeitvertreib drücken die Burschen nicht auf’s Gas. Schließlich ist das Motto der Veranstaltung: „Flat-Out And Fearless: Racing On The Edge“

Die Drift- und Showcars sind defintiv die Stars am Hügel. Für einen besonders großen Publikumsauflauf sorgt Ken Block, der in seinem 1965er Ford Mustang Hoonicorn mit 6,7 Litern Hubraum und 845-V8-PS im typischen Gymkhana-Stil über die Strecke donnert. Kurze Zeit später pilotiert er im Teilnehmerfeld der Supersportwagen den neuen, 350 PS starken Ford Focus RS den Berg hinauf. Eine dynamische Premiere feiert zudem der neue Einstiegssportwagen im Hause McLaren, der 570 S. Der Österreicher Patrick Friesacher zeigt mit seinem Nascar den 150.000 versammelten „Petrolheads“, dass „Gib Gummi“ in Österreich weiter entwickelt wurde. Der kurzzeitge Formel-1-Pilot (2005 bei Minardi) wirbelt ganz schön viel pinken Rauch in die Landschaft bevor er weiter fährt.

Kaum zu übersehen und überhören war Red Bull. Das Salzburger Powerhouse in Sachen Sport auf Rädern, rührt die Promotion-Maschinerie. Vor allem: Red Bull X2010, das einzige Formel-1-Gefährt, das nie an einem regulären Rennen teilnehmen wird, weil es allen Regeln widerspricht. Gemeinsam mit Kazunori Yamauchi (Schöpfer der Gran Turismo-Serie und Vizepräsident von Sony Computer Entertainment) hat Adrian Newey (alter Formel-1-Hase und Leiter von Red Bull Technology) das perfekte Formel-1-Auto designt. Jann Mardenborough, quasi der Lewis Hamilton der Generation Y sagt über das Auto: „Das Ding ist zehn Mal schneller als ein Formel-1-Auto. Du musst extrem geschickt sein um das Auto durch die Strecke zu bringen.“ Extrem geschickt zeigt sich Sebastien Loeb in seinem Pikes Peaks Peugeot und gewinnt den berühmten Hillclimb über eine 1,16 Meilen bzw. 1,86 Kilometer lange Strecke.

Goodwood Revival: Klotzen am Carwalk

Gesehen und gehört werden vor allem Ferraris neuer 488 GTB sowie der 1.050 PS starken FXX-K. Konkurrent McLaren stellt dem Hybridsportler sein eigenes Rennstreckenmodell entgegen: den P1 GTR, der mit 1.000 PS klotzt. Daneben präsentieren die Briten den neuen 570S, das 650S Le Mans-Sondermodell und den 650S GT3. Und Lotus enthüllt erstmals den neuen 3-Eleven mit über 500 PS. Auch nicht von schlechten Erzeugern.

Bescheidener geben sich Japaner und Franzosen. Mazda stellt dem englischen Publikum die vierte Generation des Mazda MX-5 vor. Die Grande Nation zeigt sich von der hybriden Seite, mit dem 308 R Hybrid. Das Conceptcar drängt mit 500 PS über die Achsen. Naja, lumpen lassen sich auch die Franzosen nicht: Peugeot zeigt den 308 GTI als Weltpremiere. Mercedes kutschiert mit den neuen A-Klasse an und Jaguar präsentiert den XJ … mhhhh, und das Frauenherz schlägt höher. Urbane Samurais tun gut daran nach dem neuen Power-SUV von Nissan, den Juke R Nismo 2.0 Ausschau zu halten, gell!

Kando oder so

Motorradlegende Valentino Rossi mischt sich das erste Mal unters Rennfahrervolk von Goodwood. Okay, schließlich kam die Einladung von Lord March persönlich. Der Italiener geht mit verschiedenen Yamahas auf Zeitenjagd den Berg hinauf. Dabei trifft er auf seinen alten Rivalen Casey Stoner und gewinnt. Yamaha blickt schließlich auf 60 Jahre Renngeschichte zurück. Da klingeln Namen wie Phil Read und Giacomo Agostini im Ohr. Obwohl man selbst damals noch auf allen vieren durch die Welt krabbelte, Renngeschichte ist Renngeschichte und selbst eine Motorsport-Schwester kennt die Historie. Auf jeden Fall haben die Japaner in Goodwood jede Menge Kando-Spirit verstreut. Also, es geht darum ein bisschen frischen Wind in die Geschichte von Yamaha zu bringen. Kando beschreibt das gleichzeitige Gefühl von tiefer Befriedigung und intensiver Erregung, wenn wir etwas von ungeheurem Wert (innen wie außen) entdecken. Kurz gesagt, das was man spürt, wenn die Welt an einem vorbei saust. Brrrrrrrrrrrrrrrmmmmmmm ….

Und jetzt noch die Cockpit-Perspektive aus einem Williams Formel 1-Wagen. Enjoy!





Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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