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Motorblock am Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2015

Motorblock am Concorso d’Eleganza 2015

Ein Wochenende voll weich aufgepolstertem, duftenden Leder und blitzendem Chrom. Unvorstellbare Werte auf vier Rädern, gehüllt in tief glänzendem, babypopoglatten Acryllack. Der Concorso d’Eleganza Villa d’Este am pittoresken Ufer des Comer See ist DER Platz, um die schönsten klassischen, aber auch womöglich zukünftig existierenden Autos in ihrer ganzen Pracht und hautnah genießen zu können.

Text: Philipp Stalzer
Seit 1929 ist es Tradition, vor der prunkvollen Villa d’Este am Comer See in der Nähe von Mailand – das Schaulaufen von exklusiven Vehikeln im eleganten Rahmen. Das schöne daran: auch im Jahr 2015 nehmen Fahrzeuge teil, die 1929 schon dort gewesen sein könnten. In verschiedenen Wertungsgruppen werden die Teilnehmer aufgeteilt und vom Vorkriegsmonster aus 1918 bis zum piekfeinen Lamborghini Countach aus den 70ern war alles dabei, was in den letzten knapp 100 Jahren automobile Extreme darstellte. Ob besonders luxuriös oder besonders sportlich – eines haben sie alle gemeinsam: sie sind besonders selten und mittlerweile absolut unbezahlbar.

Das unmoralische Angebot

Hinter vorgehaltener Hand erfuhr man die Geschichte vom Besitzer des skurrilen 1952er „Pegaso Cupula“, dem „spanischen Ferrari“. Das Auto fiel nicht nur aufgrund seiner signalorangen Farbgebung, sondern auch wegen des außergewöhnlichen Designs auf wie kein zweites. Pegaso, hauptsächlich Hersteller von Last- und Lieferwagen, hatte auch einige Sportwagen im Programm. Die sind mittlerweile rar gesät (87 dieses Modells wurden hergestellt) und hatten aufgrund ihres nicht gerade günstigen Anschaffungspreises meist einen prominenten Vorbesitzer – in dem Fall der Präsident der Dominikanischen Republik, Herr Rafael Trujillo. Die schlechten Zinsen auf der Bank, die hingegen absolut steuerfreie und schwindelerregend hohe Rendite am Oldtimermarkt und auch ganz einfach die Lust am alten Blech statt an einem lausigen Sparbüchl im Safe zu Hause veranlassen nun also, dass seltene Flitzer nur im Austausch gegen absurde Summen die Besitzer wechseln. Das angeblich unlängst unterbreitete Angebot über eine obszön hohe Summe für den Pegaso hat der Besitzer (Evert Louwman aus den Niederlanden) jedenfalls abgeschlagen – er möchte nicht verkaufen.

Autos mit Geschichte

Bei einer Veranstaltung wie dem Concorso d’Eleganza geht es aber nicht nur um exquisite Autos in perfektem Zustand – ein Vehikel, das in Autosammler- und Klassikexpertenkreisen für Verzückung sorgt, braucht vor allem eine belegbare Geschichte. Prominenter Vorbesitz aus Politik oder Showbusiness – eine deutliche Prise Aristokratie darf nicht fehlen, um in den Olymp der Autoschönheiten aufzusteigen. Schrullige Details die auf das Wesen der Erstbesitzer der Fahrzeuge hinweisen und die passenden Anekdoten dazu, am besten noch ein wenig mystisch verklärt – um Millionenbeträge nur ein Auto zu kaufen ist in Sammlerkreisen zu wenig. Dazu muss es Historie geben, die längst vergangene Zeiten wieder aufleben lassen. Trivia zum Sammelobjekt auf vier Rädern sind mehr Wert als jede perfekt dokumentierte Restauration.

Ein gewisser Herr Chaplin, zum Beispiel, plante seine Frau (eine exaltierte Schauspielerin) mit einem Rolls Royce Phantom der Serie I zu Weihnachten zu beschenken. Um den nicht gerade handlichen Wagen unter den Weihnachtsbaum bugsieren zu können, musste gleich mal eine Wand seines Hauses temporär weichen. Ihr Lieblingshaustier, der Fisch, ist an den Türnschnallen verewigt – das ist der Stoff aus dem Oldtimerträume sind, auch wenn sie niemand mehr bestätigen oder dementieren könnte – sie wird stolz erzählt um das imposante Fahrzeug noch ein wenig zu „würzen“.

Die schlechten Zinsen auf der Bank, die hingegen absolut steuerfreie und schwindelerregend hohe Rendite am Oldtimermarkt und auch ganz einfach die Lust am alten Blech statt an einem lausigen Sparbüchl im Safe zu Hause veranlassen nun also, dass seltene Flitzer nur im Austausch gegen absurde Summen die Besitzer wechseln.

An sich wäre die Fertigung bei Lamborghini geplant gewesen, da die BMW Fertigungsstraße für eine Kleinserienfertigung damals viel zu unflexibel war. Doch das italienische Chaos schlug um sich, Lamborghini schied als Fertigungspartner aufgrund finanzieller Eskapaden aus.

Mint Condition als Lebensmotto

Eine vergleichsweise kurze Geschichte hat der BMW M1 aus 1980 eines kolumbianischen Teilnehmers am Concorso d’Eleganza zu erzählen. Als eines der jüngsten Fahrzeuge glänzt es im makellosen Originallack, angeblich wurden nur 3 Stück insgesamt in schwarz ausgeliefert – dieses Exemplar sogar nach Österreich. Der eher jüngere Besitzer hat sich eine Restauration des Autos in „mint condition“ bislang (und wohl auch in Zukunft) sparen können, es war sichtlich noch nie bei schlechtem Wetter unterwegs und hat keine 10.000km auf der Uhr. Dafür hat sich seine Sammelleidenschaft auf Details konzentriert. Neben dem unbenutzten Reserverad findet sich im Kofferraum des ersten und letzten Supersportwagens von BMW jegliches Zubehör das man für einen M1 haben kann. Alle damals erhältlichen Devotionalien wie das T-Shirt, eine Uhr und das Modellauto im Maßstab 1:43 sind an Bord, genauso wie die Reparaturanleitung und der Teilekatalog in DIN A4-Ordnern die im originalen Kofferset stecken.

Im Gespräch mit dem Vater aller „M“s

Stolz zeigt der Besitzer den makellosen Wagen und das ganze Zubehör Jochen Neerpasch, dem damaligen BMW Motorsportchef, Initiator des „Projekts M1“ und somit Vater der Marke „M“. Breitwillig gibt er uns Auskunft, wie schwierig es war, den Wagen damals bauen zu lassen. An sich wäre die Fertigung bei Lamborghini geplant gewesen, da die BMW Fertigungsstraße für eine Kleinserienfertigung damals viel zu unflexibel war. Doch das italienische Chaos schlug um sich, Lamborghini schied als Fertigungspartner aufgrund finanzieller Eskapaden aus. Der bei Marchesi hergestellte Gitterrohrrahmen wurde daraufhin zu Giugiaros Firma Italdesign geschickt, um dort die Karosserie fertigzustellen.

Mit der Technik komplettiert wurde der Wagen dann bei Baur in Deutschland. Zu wenige Stück konnten in diesem komplizierten Puzzlespiel hergestellt werden, um den M1 rechtzeitig als Rennwagen zu homologieren. Die Idee der Pro Car-Serie (ein im Rahmen von Formel 1-Rennen abgehaltener BMW M1-Cup, mit den Fahrern aus der Formel 1) war geboren und sorgte für massig Publicity für die Marke. Ein himmlischer Fundus an Anekdoten also auch von „offizieller Seite“, Benzintratsch auf höchstem Niveau, in eleganter Runde und malerischem Ambiente.

Der Siegerwagen

Es wird von den Teilnehmern ein bisschen runtergespielt, aber den Concorso d’Eleganza gewinnen – das wäre jedem der seine automobile Preziose an den Comer See verschifft hat, sehr willkommen. Die richtige Kombination aus Historie, Seltenheit und Zustand hatte dieses Jahr der Ferrari 166 MM mitgebracht. Das bei Barchetta karossierte Modell ist ein besonders sportlicher, leichter und nach heutigen Maßstäben unglaublich zierlicher Wagen. Der erste Ferrari eines der ehemals mächtigsten Männer Italiens gewesen zu sein, verhalf dem zart patinierten Roadster auf das Siegertreppchen und sorgte für den Gewinn des Concorso d’Eleganza 2015. Niemand geringerer als Gianni Agnelli bestellte das „kleine Bötchen“, wie Barchetta wörtlich übersetzt heißt, anno 1950 bei Ferrari.

Sieger der Zukunft

Die Studie, die am besten beim Publikum ankam, war der Bentley EXP 10 Speed Six. Auch hier hinter vorgehaltener Hand: ein etwas schlankeres Modell unter dem Continental GT, das der Rennhistorie der Marke ein bisschen besser verkörpert, soll bereits vom Vorstand abgenickt sein. Der Gewinn des enorm prestigeträchtigen Concorso d’Eleganza zeigt den richtigen Weg.

Wir freuen uns jedenfalls jetzt schon auf nächstes Jahr, wenn die von BMW, dem Schirmherr der Veranstaltung, erdachten Concept Cars, sowie 52 automobile Preziosen, die an Schönheit und Exklusivität kaum zu überbieten sind und sich wieder von allen geladenen Gästen bei der Villa d’Este und Sonntags von allen interessierten Besuchern am Gelände der Villa Erba begutachten lassen. Ganz ehrlich: die Nerven, ein Million-Dollar-Baby seelenruhig auszustellen hätte ich wohl nicht. Deshalb auch Dank an alle anwesenden Besitzer der Preziosen, die sie an diesem schönen und besonderen Wochenende mit uns geteilt haben.

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