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Audi RS 3: Tangorotsehen

Im Audi RS 3 können wir selbst der flächendeckenden Kurzparkzone in Wien etwas Gutes abgewinnen. Was er sonst noch so kann, außer gnadenlosen Optimismus versprühen? Test!

Ein roter Audi RS 3 steht quer über eine Landstraße

Die Grußmutter stirbt einsam vor sich hin, und schuld ist der Michael Ludwig. Der hat nämlich die flächendeckende Kurzparkzone in Wien eingeführt, und was das bedeutet, hat die ÖVP in ihrer „Mit dem Parkpickerl für viele nicht mehr möglich“-Kampagne im Sommer 2021 präzise auf den Punkt gebracht. So könne man sich nicht mehr in der alten Donau erfrischen. Der Heurigenbesuch in Grinzing samt Alkoheimfahrt? Für viele auch nicht mehr möglich. Und die Oma kann eben ihre Enkelkinder nicht besuchen fahren.

Audi RS 3: Kaltstart in der Garage

Doch diese real gewordene Dystopie Namens Wien (die anderen Bundesländer haben es ja immer schon gewusst) hat auch ihre guten Seiten. Zum Beispiel bin ich jetzt stolzer Mieter eines Garagenplatzes. Der kostet zwar und ist auch einen sieben Minuten langen Spaziergang entfernt. Aber erstens senkt Gehen eh den Blutdruck und nicht Parkplatz suchen zu müssen sowieso. Und zweitens: Mehr noch als ein Spaziergang am Morgen oder ein doppelter Espresso schärft so ein 2,5-Liter-Fünfzylinder die Sinne, wenn er in einem geschlossenen Raum über zwei dicke Endrohre gegen eine Wand brüllt. Da bist du dann putzmunter.

Ein roter Audi RS 3 steht auf einer Landstraße

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Audi RS 3, Generation drei. Und vermutlich: die letzte. Zumindest mit fünf Zylindern. Denn nicht nur der Wiener Bürgermeister schnallt die Gürtel enger – freilich nur im übertragenen Sinne. Ab 2035 soll es in Europa keine neuen Verbrenner mehr geben. Und schon jetzt setzt die EU immer strengere Vorgaben bei Assistenzsystemen, CO2-Emissionen und Lärm. Wobei: „Lärm“. Für die einen ist das Rammstein, für die anderen Beethoven. Und wenn der Audi RS 3 in der Garage vor sich hin röchelt, die Zylinder durch die Kolben rauschen – erst der erste, dann der zweite, der vierte, gefolgt vom fünften und dritten – dann mag das der eine als störend empfinden. Dem anderen haut es vor lauter Ergriffenheit „den Beidl aufd Seitn“.

Carbon-Motorabdeckung eine Fünfzylinders im Audi RS 3

Launch-Control im Audi RS 3

Gerne würde man dann, sollte es die Öltemperatur erlauben, ein bisschen höher drehen, um noch ein bisschen ergriffener zu werden. Allein, der RS 3 spielt nicht mit. Drehzahlbergrenzer. Von den 7.000 möglichen Touren ist man weit entfernt. Umso kerniger klingt er aber im Stand, wenn man die Launch-Control-Funktion nutzt. Er die Drehzahl vor- und die Muskeln anspannt. Wie ein Raubtier. Konzentriert, die Beute im Blick, bereit anzugreifen. Rumdumdumdumdum – und Abschuss.

Die Beschleunigung ist – in Ermangelung eines anderen Ausdrucks – völlig absurd. Sowas haben wir in einem Kompakten selten erlebt, oder eigentlich: noch nie. Audi gibt 3,8 Sekunden für den 100er-Sprint an. Schon bei der Präsentation in Griechenland 2021 (hier geht’s zum ersten Audi RS 3-Test) merkten die Ingenieure verschmitzt an: schafft er immer. Mittlerweile in vielen Videotests belegt: schafft er echt immer. Oft sogar noch schneller. Höchstgeschwindigkeit: 250, 280 oder 290 km/h, je nach Größe des Portemonnaies.

Neuer Allradantrieb

Klar, so manches Elektro-SUV marschiert genauso schnell auf Landstraßentempo. Nur halt sehr viel digitaler. Weniger emotional. Mit sehr viel weniger „Lärm“. Und kommt die erste Kurve, oder nein, der erste Bremspunkt, ist man sowieso: weg. Und nach der Kurve: weit weg. Jetzt mehr denn je. Dass der RS 3 arg nach vorne marschiert und dabei herrlich tönt, ist nichts Neues, das war bei den Vorgängern genauso. Bei der Generation drei haben die Ingolstädter aber den Allradantrieb komplett umgekrempelt. Statt des Haldexsystems verteilen nun zwei elektronische Lamellenkupplungen an den Hinterrädern die Kraft zwischen diesen.

Ein roter Audi RS 3 steht auf einer Landstraße

Torque Vectoring im Audi RS 3

Laut Pressemeldung fängt das neue System somit Übersteuern ab (der Audi RS 3 war ja immer schon bekannt für sein nervöses Heck). Oder provoziert es: Auch „kontrollierte Drifts und ein sportlich-querdynamisches Fahren“ ermöglichen die Lamellenkupplungen, zumindest im RS Torque Rear-Fahrmodi. Was schon echt eine kleine Revolution ist. Ein Witwenmacher, der schon bei einem schiefen Blick aufs Gaspedal das Heck raus lässt, ist der Audi RS 3 auch im RS Torque Rear-Modus nicht. Die Serpentine mit einem Leistungsübersteuern verlassen? Geht aber.

Ein roter Audi RS 3 fährt über einer Landstraße mit Hügellandschaft im Hintergrund

Aus Ernst wurde Spaß

Mehr noch als das bisserl Driften profitiert in erster Linie das grundsätzliche Fahrerlebnis vom neuen Allradsystem. Es geht weniger ernst und mehr verspielt zur Sache. Und es wird weniger gezogen und mehr geschoben. Abgerundet wird dieses Spektakel vom herrlich dünnen und mit Alcantara überzogene Volant samt feinfühliger und rückmeldefreudiger Lenkung. Die Bremsen beißen sehr arg zu und auch sehr direkt. Um im Stile eines Chauffeurs abbremsen zu können, braucht es ein paar rote Ampeln oder Stoppschilder zu Übung. Dann aber wird der Audi RS 3 zum astreinen Daily.

Vorderrad eines roten Audi RS 3 mit schwarzer Felge und rotem Bremssattel
Giftige Keramikstopper zu einem giftigen Preis (siehe unten).

Die Bandscheibe bleibt drinnen

Im Komfort-Modus ist das Fahrwerk nicht zu hart, die Lenkung nicht zu schwergängig und das Getriebe nicht zu ruppig. Selbst der Verbrauch geht okay: acht Liter sind abseits des urbanen Stop-and-go-Verkehrs möglich. Das Doppelte freilich auch. Erst diese Alltagstauglichkeit macht den Rundenrekord auf der Nordschleife so imposant. Dem frontgetriebenen und 100 PS schwächeren Renault Mégane R.S. Trophy-R fünf Sekunden abnehmen, und zwar auf mehr als zwanzig Kilometern Strecke: naja. Doch der Franzose ist ein straßenzugelassener Rennwagen ohne Rückbank, dafür mit Überrollbügel. Im Audi RS 3 können hingegen fünf Personen mitfahren und Käfig gibt es auch keinen.

Audi RS 3 Innenraum

Der ganze Rest? Hat beim Audi RS 3 eh schon immer gepasst, passt jetzt noch mehr. Der Innenraum: ein A3-Interieur mit sportlichem Anstrich. Digital nicht die ganz große Show, aber auf Höhe der Zeit und so ein paar analoge Steuerelemente gestalten die Bedienung deutlich intuitiver. Ein nettes Gimmick: Das Begrüßungslicht beim Entriegeln des Fahrzeuges im unter den Hauptscheinwerfern angeordneten LED-Feld. Beim Aufsperren klatscht es dir dort ein R, danach ein S, gefolgt von einer Drei und dann eine Zielflagge hin. Im Übrigen wieder ein Punkt auf der Pro-Seite der flächendeckenden Kurzparkzone.

Innenraum eines Audi RS 3
Ingredienzien, die einen A3- zum RS3-Innenraum machen: Sportsitze, Alcantara-Lenkrad, rote Akzente. Vieles nur optional.

Audi RS 3 Preis

Fair enough: Manche mögen das sinnlos finden, mir hat es in der Garage jeden Morgen ein kleines Lächeln ins Gesicht gezaubert. Nämlich kurz vor dem großen Lächeln, ausgelöst vom Erwachen des Motor. Hat aber alles seinen Preis: Das Begrüßungslicht ist wie so vieles nicht serienmäßig an Bord, sondern kommt mit den Matrix-Scheinwerfern für fast 1.000 Euro. Sonstige Extras des Testwagens: Sportabgasanlage für 1.300 Euro, Keramikstopper für 6.600 Euro, Multimediasystem plus samt Navi für 2.400 Euro und die Motorraumabdeckung mit Carbonapplikationen für 666 Euro, um nur einige zu nennen.

Digitale Instrumente eines Audi RS 3
Neues Design für die digitalen Instrumente: der Landebahn-Drehzahlmesser.

Auf den Einstiegspreis von etwa 73.000 Euro kommt unterm Strich noch Ausstattung im Wert eines Basis-Audi A3 dazu. Endgültiger Testwagenpreis: 101.032 Euro. Immerhin könnte Da kann man dann schon mal rotsehen. Oder auch tangorot. Für weitere 1.030,40 Euro.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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