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Maserati GranTurismo Folgore: Dreizack als Blitzableiter

Bei Maserati schlägt der Blitz ein und die Italiener sind wie elektrisiert. Denn wenn die schönste, schnellste und wahrscheinlich auch wertvollste Stellantis-Tochter nach drei Jahren Pause jetzt endlich den GranTurismo zurückbringt, wird der leidenschaftlich wie eh und je gezeichnete Zweitürer diesseits von Rimac Nevera & Co zum ersten ernsthaften und bei Preisen ab etwa 230.000 Euro (D) noch immer halbwegs bezahlbaren Sportwagen der Generation E. Ja, es gibt den 2+2-Sitzer natürlich auch mit dem wunderbar theatralischen Nettuno-Triebwerk, das aus sechs Zylindern und drei Litern Hubraum im „Modena“ solide 490 und im „Trofeo“ sogar 550 PS leistet und unter dem üblichen Getöse auf bis zu 320 km/h beschleunigt. Und die Verbrenner starten bereits bei gut 178.000 Euro (D) und stehen schon im Februar und nicht erst nach den Sommerferien bei den Händlern. Doch wirklich spannend und vor allem derzeit konkurrenzlos wird der GranTurismo erst als „Folgore“, wenn statt des Benziners im Bug eine und im Heck zwei E-Maschinen und dazwischen ein T-förmiger Akku von netto 83 kWh für bis zu 450 Kilometer Reichweite montiert werden. 

Fotos: Hersteller

In der Theorie über 1.200 PS stark, mit Rücksicht auf die Akkus aber auf normalerweise 760 und im Boost für kurze Zeit auf imposante 830 PS limitiert und mit Torque Vectoring auf eine perfekte Kraftverteilung programmiert, katapultieren sie den GranTurismo mit 1.350 Nm explosiv, aber ohne jedes Drama und vor allem ohne Vorwarnung in 2,7 Sekunden auf Tempo 100. Nach 8,8 Sekunden flimmert eine 200 über die digitalen Instrumente und wo anderen E-Autos meist spätestens bei 200 km/h der Stecker gezogen wird, lässt Maserati den Flogore bis zu 325 Sachen surren. Und dabei sind die Italiener nicht nur auf der Straße, sondern auch am Stecker schnell: Wie in Europa sonst nur der Porsche Taycan und sein Ingolstädter Zwilling e-tron GT arbeitet der Folgore mit einer Bordspannung von 800 Volt und lädt so im besten Fall mit 270 kW nach. Der Strom für 100 Kilometer fließt dann in weniger als fünf Minuten. Und auch an der Wallbox macht der GranTurismo mit serienmäßig 22 kW Tempo.

Ja, verglichen mit den Verbrennern wirkt der elektrische Blitzableiter ein wenig unterkühlt. Ohne den Sound und die Drehzahlsprünge beim Schalten fehlt der Raserei jenes theatralische Element, das sie in Italien so perfekt beherrschen. Und auch wenn man wegen der T-förmigen Akkus tiefer sitzt als in allen anderen E-Autos mit ihren Skateboard-Plattformen, der Schwerpunkt tiefer ist und sich die Masse wie bei einem Kanu in der Mitte des Wagens konzentriert statt wie einem Schlauchboot auf die gesamte Fläche zu verteilen, lassen sich die guten zwei Tonnen bei schneller Kurvenfahrt nicht wegdiskutieren. Doch im Gegenzug begeistert der GranTurismo über die Längsdynamik hinaus mit einer nüchternen Präzision, einer Entschlossenheit und einer Disziplin, wie man sie bei den Italienern sonst nicht gewohnt ist.

Mit dem Drehregler am Lenkrad, der so viel mehr Liebe zum Detail beweist als etwa bei Porsche, wird das Fast-Fünf-Meter-Coupé Stufe für Stufe vom Gleiter zum Fighter und verbeißt sich fester in den Asphalt. Eben noch ein Carver für Connaisseure auf weit geschwungenen Küstenstraßen, kratzt er jetzt gierig durch die Kurven wie ein Ski-Crack am Slalom-Hang und folgt eisern der idealen Linie. 

Was die Ingenieure beim Fologore an Drama vermissen lassen, das kompensieren die Designer. Nein, auch sie verkneifen sich allzu viele Linien und Lametta, doch gleicht die Karosserie mit prallen Volumen und scharfen Strichen einer Skulptur, wie man sie auch in Marmor auf jede Piazza stellen könnte. Und obwohl drinnen mittlerweile große Screens hinter dem Lenkrad und auf der Mittelkonsole den Stil vorgeben und leider selbst der Getriebewählhebel ein paar unterkühlten Tastern zwischen zwei Touchscreens gewichen ist, beweist Maserati bei Materialauswahl und Innenrauminszenierung eine wunderbare Finesse – von den fein in die Konsolen gewobenen Kupferfäden und den nachhaltigen Sitzbezügen aus recyceltem Meeresplastik beim Folgore bis hin zum wunderbar warmen Leder in den Verbrennern. Und während sie sich beim Motor alberne Soundeffekte verkniffen haben, kommt so nun wenigstens mal ihre spektakuläre Musikanlage gebührend zur Geltung. 

Ach ja, und einen gewissen Sinn fürs Praktische beweisen die Italiener beim GranTurismo auch noch: Weil sie den Wagen wirklich für die große Reise empfehlen und dabei tatsächlich mit vier Personen rechnen, geht die zweite Generation ein klein wenig aus dem Leim, wird jeweils rund zwei Zentimeter breiter und länger, gewährt bei weniger Höhe mehr Kopffreiheit bietet im Fond zumindest auf kurzen Strecken erstaunlich viel Komfort. Und zumindest bei den Verbrennern fasst der Kofferraum reisetaugliche 310 Liter, die bei der E-Version wegen der Inverter auf noch immer brauchbare 270 Liter schmelzen.

Daran werden sich die Kunden gewöhnen müssen. Denn Maserati hat mit dem Folgore-Paket noch viel vor: Nicht nur, dass sie über die Laufzeit mit neuen Batterien die vollen 1.200 PS der drei E-Maschinen ausreizen wollen. Sondern den gleichen Antrieb haben sie für das nächste Jahr auch im neuen GranCabrio geplant, das dann zum ersten Open-Air-Modell auf der Electric Avenue werden soll. Mit ein paar Zellen weniger passt es außerdem in den MC20 und mit einem Akkupaket mehr wird es zum Rückgrat für den nächsten Quattroporte.

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