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Mercedes EQA 250: Das neue Normal

Die Rolle der Elektroautos wird in der nahen Zukunft noch weiter gewaltig an Gewichtigkeit gewinnen. Garantiert. Wie die neue Ära aussehen kann und warum sie eigentlich ganz normal ist, zeigt der Mercedes EQA 250.

Fotos: Eryk Kepski

Nein, er hat keine 500 Elektro-PS und schießt nicht aus den Startlöchern wie ein wildgewordener Stier. Und er sieht auch nicht aus als hätte eine Liebelei zwischen dem Millenium Falken und der USS Enterprise ein Kind hervorgebracht. Der Mercedes EQA 250 wirkt ganz normal. Wer das als Beleidigung versteht, versteht uns hier grundsätzlich falsch. Denn so spektakulär viele E-Autos sind, nicht jeder wünscht sich einen Auftritt wie Lady Gaga im Fleischkleid. Dass ein Benz immer noch ein Benz ist, beweist unser Testwagen zweifelsfrei. Ja, der typische Grill ist weg und quasi durch ein Gemälde seiner selbst ersetzt. Auch am Heck ist alles etwas neumodischer durchdesignt. Doch insgesamt ist die Mercedes-ness des EQA unverkennbar.

So tritt er zwar im Format des GLA auf, wirkt aber wie eine Kreuzung aus Kompakt-SUV und … alter A-Klasse. Auch das soll keine Beleidigung sein. Denn obwohl sie nicht gerade für leidenschaftliches Design bekannt war, kann niemand den genialen Nutzwert des Benz 168 und 169 in Frage stellen. Und genau diese Tugend wurde im EQA wieder eingefangen. Er ist weniger bullig und kantig, dafür aber um so geräumiger.

So residieren auch die Passagiere auf den sonst oft billigen Plätzen so komfortabel, wie es in einem Auto mit nicht einmal viereinhalb Metern Länge kaum je der Fall ist. Und nicht nur die Knie dürfen sich austoben. Dank der geradlinigen Struktur bleibt auch eine Menge Platz für die Köpfe. Das mag zwar nicht so fetzig aussehen wie eine schnittig abfallende Dachlinie, aber der EQA will auch eher der Einstiegs-Elektriker für alle Fälle sein als der futuristische Style-Guru. Und Details wie die großformatigen, feinspeichigen Felgen machen doch wieder eine Menge her.

Im Interieur geht es gewohnt Mercedes-modern zu. Zwei große Screens, markante Lüftungsdüsen, zahllose Lenkradtasten – und wer damit nicht genug Bedienoptionen hat, kann auch noch das Touchpad im Mitteltunnel bemühen. Funktioniert alles einwandfrei und schnell, ein wenig technikaffin sollte man aber schon sein. Komfortabel und hübsch hergerichtet wie jeder Mercedes, doch wie sieht es mit dem Komfort in puncto Langstrecke aus?

Konkret sprechen wir hier natürlich von der Reichweite. Denn das Fahrwerk ist über alle Zweifel erhaben. Knapp über 400 Kilometer verspricht Mercedes. Das geht natürlich nur bei Idealbedingungen, zu denen 35 Grad im Schatten nicht gerade zählen. Dementsprechend ist an die WLTP-Reichweite im Test auch nicht zu denken – das gälte aber für jedes Elektroauto an dieser Stelle. Unterm Strich ist der EQA in der Hitzewelle und bei einem Mix mit beherztem Autobahnanteil für knapp 300 Kilometer gut. Nicht berauschend, aber die Batterie ist mit 66,5 kWh netto auch nicht gigantisch. Vor allem wenn man bedenkt, dass der 190 PS-Elektromotor an der Vorderachse doch über zwei Tonnen Auto in Wallung versetzen muss. Dennoch: Der Durchzug passt, der EQA ist stets souverän und nie schwachbrüstig.

Außerdem saugt man sich den Strom von 10 auf 80 Prozent im besten Fall in nur 32 Minuten. Da tut der Ladestopp gleich nicht so weh. Und es hat ja nicht immer solch schweißtreibende Temperaturen – hoffen wir zumindest mal. Alles in allem gelingt es dem Mercedes EQA 250 ganz wunderbar, die Elektromobilität zu normalisieren. Das gilt auch für den Benz-typischen Preis, der beim Testwagen bei satten 65.336 Euro liegt. Der Einstieg liegt aktuell bei 53.733,66 Euro – alles andere als ein Schnäppchen. Aber überzeugte Mercedes-Fahrer werden wohl auch schätzen, dass sich in dieser Hinsicht nichts verändert.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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