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Messerundgang LA Auto Show 2021

Es ist noch keine zehn Jahre her, da war die Elektromobilität auf der Autoshow in Los Angeles noch eine Randerscheinung. Draußen in Malibu und Hollywood waren die ersten Tesla unterwegs und drinnen im Staples Center standen ein paar Studien mit Stecker – doch dass der Funke einmal überspringen könnte, und dass es dann auch noch so schnell gehen würde, hat damals keine gedacht. Aber erstens kommt es bekanntlich immer anders, und zweitens als man denkt: Zehn Jahre später ist die Autoshow in Los Angeles zwar noch immer eine vergleichsweise fröhliche, ja fast hedonistische PS-Party und trotz der schier endlosen Teppichflächen in den spätestens nach der Absage fast aller deutschen Hersteller erschreckend leeren Hallen lassen sich die Kalifornier den Spaß nicht verderben und arrangieren sich selbst mit den gestrengen Pandemie-Protokollen. Doch die Welt hat sich komplett gedreht und die Petrolheads sind in der Unterzahl. 

Klar gibt es noch ein paar schillernd bunte Custom Cars aus den goldenen Zeiten eines George Barris, eine  Handvoll fetter Trucks und SUV wie den Lexus LX600 oder den Lincoln Navigator mit Heavy Metal unter der Haube und reichlich Lametta am Grill. Und sogar ein paar neue Sportwagen räkeln sich im Rampenlicht – nicht umsonst enthüllt Chevrolet hier die neue Corvette Z06, Nissan zeigt zum ersten Mal vor Publikum den neuen Z und Porsche versetzt die Petrolheads mit dem Cayman GT4 RS in Schnappatmung, weil der 500 PS starke Rennwagen mit Straßenzulassung so ziemlich das schärfste und zugleich purste ist, was Porsche seit Jahren gebaut hat. Und wer ohne Reue rasen will, dem präsentieren die Schwaben in Los Angeles den neuen, 598 PS starken Taycan GTS als sportlichen Lückenfüller zwischen Basismodell und Turbo und führen statt des abenteuerlustigen Cross Turismo als dritte Karosserievariante den etwas dezenteren Kombi Sport Turismo ein. 

Aber wer was auf sich hält, der surrt elektrisch auf die Messe – selbst der Ford F-150, seit Jahrzehnten das meistverkaufte Auto in Amerika und als rustikaler Pick-Up ein Sinnbild für die vermeintlich überkommene Technik der Amerikaner steht als Lightning unter Strom und wird schon als kommender „Game Changer“ gefeiert. Und Publikums-Neuheiten wie der Jeep Grand Cherokee oder der Range Rover trauen sich auch nicht ohne mindestens einen Plug-In-Antrieb auf die Bühne.

Dazu gesellen sich drei Stromer aus Japan, die bislang ebenfalls auf keiner Messe zu sehen waren – und in den nächsten 18 Monaten alle auch nach Europa kommen: Der Nissan Ariya als asiatischer Zwilling des Renault Mégane E-Tech sowie die baugleichen Crossover Toyota BZ4X und Subaru Solterra, die dem japanischen Riesen endlich Anschluss auf der Electric Avenue verschaffen sollen.

Den haben Hyundai und Kia mit ihrer 800 Volt-Plattform längst gefunden und bereiten deshalb jetzt den nächsten Schlag vor. Nachdem sie sich bislang vor allem an der elektrischen Mittelklasse orientiert haben, zielen sie mit zwei luxuriösen SUV von mehr als 600 Kilometern Reichweite nun auf Autos wie den Audi e-tron oder den BMW iX. Und auch wenn der Hyundai Seven und der Kia EV9 aktuell noch Studien sind und dabei mit dem aufs autonome Fahren ausgelegten Loungekonzept bei den einen und dem Design bei den anderen etwas übers Ziel hinaus schießen, werden die beiden Fünf-Meter-Plus-Modelle binnen zwei Jahren so oder so ähnlich in Serie gehen. 

Es gibt auf der Messe aber nicht nur neue Modelle, sondern auch eine ganze Reihe neuer Marken. Während sich Shootingstar Rivian mit seinen elektrischen Pick-Ups nur im Umfeld der Show präsentiert, haben sich zum Beispiel Fisker mit seinem elektrischen Crossover Ocean genauso einen Stand geleistet, wie Canoo mit seinem charmanten Bus oder Edison mit einem eher exotischen Elektro-Pick Up. Und selbst Startups wie Electra Meccanica mit ihrem schmalspurigen 1+1-Sitzer trauen sich vor großes Publikum. Der vielleicht interessanteste Newcomer wird allerdings von einem alten Bekannten präsentiert: Der ehemalige Opel-Chef Michael Lohscheller hat seinen ersten Auftritt bei VinFast und startet mit der Premiere zweier elektrischer SUV in Los Angeles die globale Expansion des ersten vietnamesischen Autoherstellers, die den e35 und den e36 Ende nächsten Jahres auch nach Europa führen soll.

Zwar ist noch lange nicht ausgemacht, ob es all die Newcomer tatsächlich auf die Straße schaffen. Denn selbst Routinier Fisker scheint einmal mehr zu straucheln und es gibt am Deal mit Magna berechtigte Zweifel, genau wie am Produktionsstart in Jahresfrist. Von Exoten wie Edison oder Electra Meccanica ganz zu schweigen. Doch vorschnelle Urteile verbieten sich in Los Angeles fast von selbst – dafür muss man nur mal zehn Jahre zurück schauen und dann heute durch die Hollywood Hills oder an den Malibu Pier fahren. Denn wo früher Tesla die Ausnahme und der Prius der Standard war, sind jetzt die Toyotas schon fast Exoten und Model 3 oder Model Y stattdessen allgegenwärtig. 

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