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Größer, runder, feiner: Der neue Range Rover.

Ein weiteres Mal schickt sich der neue Range Rover dazu an, der beste und nobelste Geländewagen aller Zeiten sein zu wollen.

von Oliver Luxenburger

„Kleben Sie bitte Ihre Handy-Kameras ab und unterschreiben Sie die Embargo-Vereinbarung!“ Als wir in München bei Land Rover eintreffen, herrscht leicht nervöse Stimmung. Gleich wird der brandneue, noch schrecklich geheime Range Rover einer handverlesenen Schar internationaler Autojournalisten gezeigt – zum allerersten Mal auf der ganzen Welt. Wer sich erdreisten sollte, vor der Sperrfrist Bild oder Text darüber zu veröffentlichen, der bekäme es mit der Rechtsabteilung zu tun. Puuuuh…!

Da ich das geschundene Budget der Motorblock-Redaktion nicht beanspruchen möchte, nehme ich die Drohung ernst, bleibe verschwiegen und brav. Des Embargo brechen dann natürlich wie üblich mal wieder irgendwelche anderen Deppen, wie ich später erfahren sollte. Embargobrechen, die „Ejakulatio Präcox“ des Autojournalismus. Geh bitte, ungeduldige Herrschaften, das hamma doch nicht nötig. Gut, mittlerweile ist es eh Wurscht, die Bilder sind jetzt offiziell freigegeben. Was uns vor ein paar Wochen unter weißen Tüchern enthüllt wurde, darf nun die ganze Welt sehen: A warm welcome to the new Range!

Wie schaut er aus und wenn ja, warum?

Erster Eindruck: Er ist wuchtig, aber nicht mehr so eckig. Die Formensprache lehnt sich nun deutlich an seinen Bruder Velar an, mit schmeichelnden Rundungen und sehr markantem Heck. Im offiziellen Pressetext steht: „Präsenz und Formalität definieren den Range Rover durch die Harmonie seiner Proportionen, Oberflächen und Linien. All diese Elemente sind Teil der Range Rover-DNA und tragen zu seinem unvergleichlichen Auftritt bei.“ Was meinen die damit? Vermutlich den charakteristisch kurzen Front-Überhang, die aufrecht stehende Windschutzscheibe und das etwas schmälere Heck.

Die Proportionen wurden sichtbar verfeinert, die Dachlinie wurde 10 mm niedriger und es gibt erstmals 23-Zoll-Leichtmetallräder. Echt bombig finden wir das Heck, bei der Enthüllung generierte es Raunen und offene Mäuler. Definiert wird es durch fiese, streng vertikale Rückleuchten, umschlossen von einer glänzend schwarzen Platte. Die Lichter sind darin so lange versteckt, bis sie aufflammen. Während die Front recht gefällig und weniger spektakulär wirkt, ist die Heckpartie das prägnante Statement des neuen Range Rover. Die Designer zeigten hier Mut, ähnlich wie bei der messerscharfen Bauhaus-Kante des neuen Defender-Hecks. Hart, klar, strikt.

Taugt er zum Mama-Mobil?

Als die Queen 2015 ihren neuen Range Rover (das Vorgängermodell) in Empfang nimmt, kreiert die deutsche Auto-BILD in Anlehnung an das Papa-Mobil den schönen Namen „Mama-Mobil“. Es ist Tradition, dass die britischen Royals bei Staatsparaden nicht nur mit flauschigen Bentleys durch die Menge schippern. Besonders bei Militärparaden wählen die Monarchen lieber etwas Ruppigeres von Land Rover. 1953 zum ersten Mal, die Ladefläche ist zu einer offenen Stehplattform mit Seitenscheiben umgebaut. Die Queen kann darauf vortrefflich in die ihr huldigende Menge hinein grüßen. Später folgen komfortablere, wiederum zu Steh-Cabrios umgebaute Range Rover. Der aktuelle und Vierte seiner Art ist ein Diesel-Hybrid mit verlängertem Radstand.

Ob Land Rovers Abteilung für Special Vehicle Operations sich demnächst an den Umbau des neuen Modells machen wird, ich freilich ungewiss. Das Königshaus beliebt, die Staatsfahrzeuge nicht inflationär zu verschleißen, sondern länger im Dienst zu behalten. Den Vorletzten benutzte man stolze 13 Jahre lang. Das Zeug dazu hat der neue Range allemal. Er wäre groß genug, um selbst fülligere Staatsgäste im Heck zu befördern, weich wie eine Sänfte. Immerhin war der Range Rover 1992 das erste Luxus-SUV mit elektronischer Luftfederung. Das neueste Modell setzt das mit einer präventiven Federung fort, die mit Hilfe von Navigationsdaten die Straße vor dem Fahrzeug scannt und die Federung darauf vorbereitet. Beim Erreichen der Bodenwelle wird sie einfach weggeschluckt. Nicht neu, aber trotzdem gut.

Allradlenkung und Luftfederung bringen Stabilität und Komfort, auch beim Interieur zeigt sich das Auto königlich. Ein riesiger, gebogener 13,1-Zoll-Touchscreen aus Glas schwebt mittig im Armaturenbrett. Ein neu entwickeltes Hightech-Luftfilter-System soll, wie im Flugzeug, böse Corona-Viren vernichten. Das Flagship-Soundsystem kommt mit Doppel-Lautsprechern in den Kopfstützen. Damit Johann Sebastian mit „Toccata und Fuge“ nicht akustisch den Bach runter geht, gibt es ein raffiniertes Soundunterdrückungssystem. Es eliminiert Radvibrationen, Reifen- und Motorgeräusche durch ein Unterdrückungssignal, eingespielt über 35 Lautsprecher im Fahrgastraum. Stille. Silentium.

Über sieben Sitze musst du gehn

Zusätzliche 200 mm beim langen Radstand machen den neuen Range Rover auf Wusch zum ersten Mal in seiner Geschichte zum Siebensitzer. Durch die spezielle Anordnung der zweiten Sitzreihe gibt es einen Durchgang zu den Sitzen in Reihe drei. Für einen bequemeren Ein- und Ausstieg gleiten sie nach vorne und heben sich. Mit einer Beinfreiheit von 864 mm findet ein Erwachsener gut Platz. Der Siebensitzer-Range ist also nicht nur etwas für sieben Zwerge. Die hintersten Sitze verschwinden bei Bedarf elektrisch im Kofferraumboden.

Zwölf Farbtöne stehen für den neuen Range Rover zur Auswahl, darunter Lantau Bronze, Belgravia Green, Batumi Gold und Charente Grey. Wem die Namen nicht schrill genug sind, der sucht sich für entsprechendes Kleingeld beim SV Bespoke Match-to-Sample Service gerne individuell Lila-Blassblau oder Schweinchen-Rosa aus. À propos verrückt wie Mister Q: Im neuen Range Rover gibt es ein paar echte Bond-Gimmicks. Zum Beispiel elektrisch unterstützte Wunder-Türen mit integrierter Hinderniserkennung und Einklemmschutz. Radarsensoren helfen, herannahenden Verkehr von hinten zu erkennen, Festkörper-Gyroskope verhindern das Einklemmen von Gegenständen und unvorsichtigen Händchen beim Schließen der Türen. Irre: Die Fahrertür lässt sich mittels Drucks auf das Bremspedal schließen, sämtliche Türen schließen per Steuerung via Touchscreen. Ok, man kann sie auch einfach mit der Hand zumachen. Ist halt gestrig vulgär.

Motoren: Klassisch oder elektrisch

Der erste rein elektrische Range Rover soll erst 2024 kommen. Bis dahin stehen Motoren mit sechs oder acht Zylindern als Diesel, Benziner oder Hybrid zur Wahl, im Einzelnen: Zwei Plug-in Hybride mit 440 oder 510 PS, ein Benziner mit 400 PS sowie Dieselversionen mit 249, 300 und 350 PS. Allesamt sind es 3.0 Liter Sechszylinder. Wer es noch saftiger mag, greift zum neuen Twinturbo-V8-Benziner mit 530 PS. Da geht es dann in 4,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h, mit maximal 250 km/h Spitze.

Der neue Range Rover nutzt die Erfahrungen aus 50 Jahren Entwicklung und kombiniert sie mit Technologien des 21. Jahrhunderts, um auf jeder Fahrt ein Höchstmaß an Raffinesse, Komfort und Wohlbefinden zu bieten. Dies wird durch eine präventive Federung erreicht, die das Fahrzeug auf bevorstehende Kurven vorbereitet, eine Geräuschunterdrückung der nächsten Generation mit Lautsprechern in den Kopfstützen und eine Technologie für saubere Luft, die Krankheitserreger der COVID-Familie neutralisieren kann.

Nick Miller, Produktchef Range Rover

In Österreich wird der neue Range Rover Ende März 2022 auf die Straße kommen. Bestellen kann man ihn schon jetzt per Online-Konfigurator auf www.landrover.at. Beim interessanten Plug-in Hybrid mit bis zu 100 Kilometer rein elektrischer Reichweite erfolgt die Markteinführung drei Monate später. Erste Auslieferungen werden im Juni 2022 erwartet, bestellbar ist er ab Ende Jänner. Der Ab-Preis in Österreich liegt bei 140.301 Euro für das Basismodell Range Rover D250 SE (Orderbar ab sofort, lieferbar ab März). Noch günstiger wird in Österreich übrigens wegen der verwurtagelten NoVa-Regelungen das (kleinere) PHEV-Modell sein, aber auch dieses wird feist sechsstellig kosten. Das Sparschwein wird geschlachtet. Petri Heil und Waidmanns Dank!

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