DriveMEDIUM

Nissan Qashqai: An der Herausforderung gewachsen

Der Schatten eines Bestsellers kann lang sein. Zwar wünscht sich natürlich jede Automarke, dass sich ihre Modelle gut verkaufen, wenn dann aber eines so richtig davonzieht, dann steht spätestens mit der nächsten Generation auch eine Menge Kopfzerbrechen ins Haus. Denn einen Verkaufsschlager zu verbessern ohne ihn zu sehr zu verändern, kann eine unangenehme Herausforderung darstellen. Wir wissen nun, ob Nissan sie beim neuen Qashqai gemeistert hat.

Gerade beliebte Autos haben logischerweise eine Menge Fans und Käufer, die ihr Fahrzeug ja aus ganz bestimmten Gründen schätzen. Das gilt auch beim Nissan Qashqai, der vor rund 15 Jahren das kompakte SUV-Segment entscheidend mitbegründet hat. Dennoch muss auch so ein Hit alle paar Jahre von Grund auf erneuert werden, sonst verstaubt er bald weit außerhalb der Charts, die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Beim Qashqai bedeutet das: Ein praktisches, verlässliches Auto mit Allroundercharakter soll seine Vorzüge bewahren, aber sich den gestiegenen Anforderungen in puncto Design, Connectivity und Emotion anpassen. Äußerlich will Nissan das mit einem ganz neuen, deutlich bissigeren Gesicht erreichen. Die Scheinwerfer ziehen sich in zwei messerscharfen Streifen bis auf die Flanke und der bekannte Nissan-Grill in V-Form wird größer. Außerdem gibt es ganz zeitgemäß ein schwarzes Dach und das Heck präsentiert sich mit markiger Offroad-Beplankung und dynamischen Leuchten recht wuchtig.

Stylischer ist er also geworden, der Qashqai. Doch das war den Japanern bei ihrem europäischsten Modell noch nicht genug. Deshalb kommt das SUV nun auf Wunsch auch mit einigen Extras daher, die man bisher nicht unbedingt mit den Vernunftmenschen von Nissan in Verbindung gebracht hätte. Die optionalen Nappaledersitze können dann auch massieren, über den Köpfen erstreckt sich ein Panoramaglasdach und die Gummis werden auf bis zu 20 Zoll große Felgen gezogen. Das schindet schon Eindruck und versprüht Premiumflair. Diesen Trend kann der Qashqai im Interieur zwar nicht zu hundert Prozent fortsetzen, ein Cockpit mit einem für heutige Standards angemessenen Infotainmenttouchscreen und digitalen Instrumenten gibt es aber zweifellos. Dabei gilt, was oft bei asiatischen Fabrikaten zu beobachten ist. Ganz so groß und hübsch wie bei Mercedes und Co. sind die Grafiken nicht, dafür ist die Bedienung schön direkt und man behält leichter den Überblick. Geschmackssache, aus praktischer Sicht aber durchaus kein Schaden. Ansonsten findet man noch einige Knöpfe (danke dafür!) und das Lenkrad weiß mit seiner geradlinigen Form zu gefallen, auch wenn die Tasten nicht unbedingt hochwertig wirken. Alles in allem aber ein ordentlicher Innenraum mit viel Platz und allen Funktionen, die man braucht und möchte.

Das gilt natürlich auch für die obligatorische Assistentenflotte unter dem Dachbegriff Nissan Pro-Pilot, die den Fahrer von vorne bis hinten und bei langsam oder schnell umfassend unterstützt. Apple Car Play, Android Auto, Amazon Alexa und Google Assistant sind ebenfalls mit an Bord – ein Muss im digitalen Zeitalter.

Unter dem Blech fällt der Qashqai nicht allzu variantenreich aus. Bestellbar ist er als Fronttriebler mit immer dem gleichen 1,3 Liter-Vierzylinderturbo, der mit 140 und 158 PS als Fronttrieb-Handschalter oder mit 158 Pferden und Automatik sowohl mit 2WD als auch Allrad geordert werden kann. Durch die Mithilfe eines 12 Volt-Bordnetzes handelt es sich beim Qashqai stets um einen Mild-Hybrid. Anfang 2022 folgt der e-Power mit 190 PS, in dem der Verbrenner dann nur noch Saftlieferant für einen Elektromotor ist und den Qashqai so zum vollwertigen Hybriden macht. Warum nur 12 Volt, statt der oft üblichen 48? Bei Nissan begründet man die Entscheidung auf Nachfrage mit dem Leichtbaugedanken. Als zutiefst europäisch gedachtes Auto hat man sich beim neuen Qashqai zuerst darauf fokussiert, wie man das Auto insgesamt möglichst leicht machen kann. Deshalb ist die Karosserie auch um rund 60 Kilogramm leichter geworden. Und ein 12 Volt-Netz mit entsprechend kleinerer Batterie spart halt ordentlich an Gewicht ein. Unterm Strich wiegt der neue Qashqai nun etwa genausoviel wie sein Vorgänger, trotz vieler neuer Technologie-Spielereien und gewachsenen Außenmaßen.

Dass Nissan großen Wert auf das Fahrerlebnis legt, konnten wir beim Fahren auch selbst bestätigen. Sowohl der Handschalter als auch der Automat lassen sich flott und zielstrebig bewegen. Nicht einmal das CVT-Getriebe tut dem einen echten Abbruch. Ja, wir Europäer hätten immer lieber eine gepflegte Doppelkupplung an Bord. Schon klar. Doch den Japanern ist die Abstimmung so clever gelungen, dass sich der leidige Gummiband-Effekt fast gar nicht mehr in den Vordergrund drängt, zumindest bei alltäglicher Fortbewegungsweise. Subaru etwa könnte sich hier eine fette Scheibe abschneiden. Die manuelle Schaltung gibt sich ebenfalls neutral und ist angenehm zu bedienen – weder schwammig noch extraknackig. Summa summarum: Der Nissan Qashqai fährt sich auch 2021 lässig, egal ob City, Landstraße oder Autobahn. Direkt als sportlich ist er wohl nicht zu bezeichnen, aber eine gewisse Dynamik bringt er schon mit.

Kommen wir zum abschließenden Argument, das im Vergleich mit einem Großteil der Konkurrenz wohl pro-Qashqai ausfällt: Der Preis. Los geht’s bei 26.598 Euro, der Gipfel ist bei 45.442 Euro erreicht. Da fehlen nur noch die feschen 20-Zöller um 542 Euro, sonst bleiben nur noch einige Extras wie Anhängerkupplung und Co. über, die sowieso nicht jeder braucht. Für nicht einmal 46.000 Mäuse bekommt der Nissan Qashqai-Käufer ein Kompakt-SUV, das mehr als alle Stückeln spielt und sich schön gediegen fährt. Bei manch anderer Marke ist die 50.000er-Marke dafür ganz rasch geknackt. Und das Coole am neuen Qashqai ist eben, dass er nicht mehr nur vernünftig und praktisch ist. Er kann jetzt auch Style und Komfort ziemlich gut, auch gemessen an den in dieser Hinsicht deutlich gestiegenen Ansprüchen.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"