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Opel Mokka: Die Mühlen mahlen wieder

Na endlich! Erst gelähmt von General Motors und dann von der Suche nach dem richtigen Platz im PSA-Imperium, ist Opel jetzt offenbar aufgewacht. Denn wenn die Hessen ihrer Kundschaft nach über einem Jahr Vorspiel Ende des Monats zu Preisen ab 20.990 Euro den neuen Mokka servieren, ist das ein richtig aufregendes Auto: Knackig gezeichnet, üppig ausgestattet und modern motorisiert, lässt das handliche SUV auf Basis des Corsa selbst den Segment-Champion VW T-Roc wie kalten Kaffee wirken. „Der neue Mokka ist ein echter Blickfang und wird die Wahrnehmung unserer Marke verändern“, trommelt deshalb Markenchef Michael Lohscheller. „Mit dem Mokka erfinden wir Opel neu und zeigen unsere Designsprache der kommenden zehn Jahre.“

Und die ist leidenschaftlicher als alles, was man seit Legenden wie dem GT und dem Manta gesehen hat. Das beginnt beim neuen Gesicht mit dem „Vizor“, der als schwarze Blende fugenlos quer über den Bug verläuft wie das Visier eines Helms, es führt über eine scharf proportionierte Silhouette mit knappen Überhängen und kessen Kontouren und es mündet in einem Heck, das ähnlich knackig und verführerisch wirkt wie die Kehrseite eines Bademoden-Models. Dazu noch eine markante Zweifarblackierung und ein paar Zierkonsolen in Kontrastlack – fertig ist ein Blickfang, wie sie ihn in Rüsselsheim seit Urzeiten nicht mehr gebaut haben.

Auch innen ist alles anders. Ja, die Knopfleiste für die Klimaanlage kommt einem genau wie das Lenkrad und die Hebel für Blinker und Wischer verdächtig vertraut vor. Doch als erster Opel fährt der Mokka mit komplett digitalen Instrumenten – Pure Panel nennen die Hessen das neue Cockpit, das zwei große Bildschirme zu einer großen Infotainment-Leinwand verschmelzen lässt, und versprechen eine optische Entgiftung, die gleich bei der ersten Fahrt eine ausgesprochen wohltuende Wirkung entfaltet.

Weil der Mokka nicht nur Stilführer sein will, sondern auch Technologieträger, greifen die Hessen tief ins Konzernregal mit den Innovationen: Anstandsregelung, Panorama-Kamera, adaptive LED-Scheinwerfer – alles, was die Schatzkammern in Rüsselsheim und Paris hergeben, das bauen sie auch ein in ihren Hoffnungsträger und rühmen sich deshalb der üppigsten Ausstattung am Markt: Matrix-Scheinwerfer, Massage-Sitze, Panorama-Kamera und Abstandstempomat mit Spurführung – bis zu 16 Assistenzsysteme stehen zur Wahl. Und dazu noch Dutzende Optionen, mit denen sich der Mokka modisch individualisieren lässt. 

Dass es im Mokka bei nun 4,15 Metern und einem Radstand von 2,56 Metern etwas enger zugeht als in vielen anderen SUV im so genannten B-Segment, man auf Finessen wie die verschiebbare Rückbank verzichten muss und der Kofferraum mit 350 Litern allenfalls gehobener Durchschnitt ist, nehmen sie in Rüsselheim locker. Schließlich sind die Hessen einer der wenigen Hersteller, die in dieser Klasse gleich zwei Autos zu bieten haben. Wer mehr Wert auf Laderaum legt statt auf Lifestyle, bekommt für 1.000 Euro weniger den dann allerdings auch etwas schwächer motorisierten Crossland, der sieben Zentimeter länger ist und spürbar mehr Platz bietet für Kind und Kegel, dafür aber so verführerisch schmeckt wie Filterkaffee im Kännchen. 

Besonders stolz sind die Hessen aber auf ihre Auswahl bei den Antrieben. Denn genau wie den Corsa gibt es auch den Mokka vom Start weg als Verbrenner und als Stromer. Wie bei dem eher konventionell gestrickten Kleinwagen hat der 100 kW und wird aus einem Akku mit 50 kWh gespeist, der im besten Fall 324 Kilometer bei maximal 150 km/h ermöglichen soll und dank serienmäßiger Schnellladung mit drei Phasen binnen 30 Minuten wieder zu 80 Prozent voll ist. 

Zwar wiegt der Stromer deutlich mehr als die Verbrenner, hat aber dafür auch den tieferen Schwerpunkt und mit ihm die bessere Straßenlage. Und in der Stadt kommt noch der bessere Antritt dazu. Wer sich nicht gerade auf der linken Spur der Autobahn messen möchte, erlebt den kleinen Elektriker deshalb so erfrischend und belebend, wie es der Name verspricht. Zumindest, so lange er nicht im reichweitenfördernden Eco-Modus unterwegs ist, der den Mokka ziemlich entkoffeiniert, weil er neben den Komfortverbrauchern gleich noch die Leistung runter regelt. Aber dafür flimmern dann auch mal knapp 400 Kilometer über den Reichweiten-Rechner. 

Das One-Pedal-Fahren bietet der Mokka-E mit einer nur zweistufigen Rekuperation zwar nur eingeschränkt. Doch dafür genießt man die Stille des Stromers um so mehr. Erst recht, wenn man danach in einen der Verbrenner umsteigt. Denn auch wenn der Mokka zumindest mit dem 130 PS-Benziner an der Spitze der Palette einen nicht minder erfrischenden Eindruck macht und dank der 120 Kilo weniger als beim Vorgänger spürbar besser ums Eck geht, nervt der kleine Dreizylinder mit seinem typischen Schnattern und macht so viel von der Freude zunichte, die einem 130 PS und 230 Nm in einem derart kleinen Auto bereiten können. Nicht umsonst beschleunigt er in 9,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und schafft locker 200 Sachen. Und im Zusammenspiel mit der Achtgang-Automatik wirkt er dabei auch noch so souverän und seriös, dass selbst Langstrecken nicht abschrecken.

Neben der auch als Handschalter erhältlichen 130 PS-Variante bietet Opel den 1,2 Liter noch mit 100 PS an, und weil sie in Rüsselsheim die Pariser-Devise von der „Power of Choice“ übernommen haben, gibt es auch weiterhin noch einen Diesel. Der hat 1,5 Liter Hubraum und vier Zylinder, kommt auf 110 PS, schafft 190 km/h und kontert die 5,5 bis 5,9 Liter Normverbrauch der Benziner mit einem Mittelwert von 4,4 Litern. So bietet der Mokka tatsächlich für jeden was, patzt allerdings an einem Punkt. Denn auch wenn die Hessen gerne von einem SUV sprechen, haben sie sich den Allradantrieb für alle Varianten gespart.

Zwar hat Opel mit dem neuen Mokka offensichtlich seinen Platz im PSA-Konzern gefunden und sich endlich wieder ein begehrenswertes Profil gegeben. Doch müssen die Hessen aufpassen, dass sie diese Errungenschaften im neuen Stellantis-Imperium von PSA und FCA nicht gleich wieder verlieren. Denn erstens beherrschen die neu zur Familie gestoßenen Italiener die Kunst des Kaffeekochens schließlich auch ganz gut. Und zweitens wird so ein Mokka ziemlich schnell kalt, wenn man nicht regelmäßig nachschenkt. Doch keine Sorge: Die Mühlen mahlen schon in Rüsselsheim und der Druck auf dem Kessel steigt – denn für den Herbst läuft sich der nächste Astra warm. 

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