DriveGREENSPORTS

Peugeot 508 PSE: Mufasa lebt!

Als Peugeot ankündigte, eine Sportversion des 508ers zu entwickeln, haben wir so etwas wie „M3-Schreck“ geschrieben. Ein solcher ist der 508 PSE zwar nicht geworden, dafür macht das Auto auch Spaß, wenn man einen Bandscheibenvorfall hat.

Den habe ich nämlich wirklich, was zwar immer unlustig ist, mit Mitte 20 aber doch noch ein Stück unlustiger. Und überhaupt am unlustigsten ist so ein Bandscheibenvorfall, wenn man zwei Wochen BMW M4 inklusive giftiger Schalensitze am Testprogramm hat (Bericht folgt). Level Mario Barth oder so. Aber um den M4 geht’s hier nicht, sondern um den 508 PSE. Ein im Normalmodus gnädig dämpfender Kombi mit komfortablen Sitzen. Die passenderweise serienmäßig über eine Massagefunktion verfügen. Eine Massagefunktion! Physio ist so 2010.

Was (leider?) auch voll 2010 ist, sind auf hochalpine 8.400 Touren eskalierende, achtzylindrige Saugmotoren in Mittelklasse-Limousinen. 2021 haben die Topversionen wie der Peugeot 508 PSE einen 1,6-Liter-Vierzylinder, der für 200 PS gut ist. Klingt irgendwie wenig sportlich und mehr so nach Marketing und Imagepolitur.

Wobei: Ein bisserl Marketing darf ob des bevorstehenden Motorsport-Starts sein, viel aufzupolieren gibt es aber grundsätzlich nicht. Peugeot hat seinen Platz als Marke in den letzten Jahren gefunden. Fahrzeuge, wie der 208, der 3008 oder zuletzt der brandneue 308 verpassten den Franzosen mit ihren spacigen Innenräumen samt Mini-Lenkrädern und ihren von der grauen Masse abhebenden Designs ein unkonservatives und futuristisches Image. Und auch der 508 hat da einiges dazu beigetragen, weil der schon als Normalo ein sehr schickes und – im besten Sinne – extravagantes Auto ist.

Typisch Peugeot gibt’s ein futuristisches, gut verarbeitetes, mit wertigen Materialien ausgestattetes und in diesem Fall auch sportlich angehauchtes Interieur.

Der Unnormalo-508 sieht jetzt noch ein Stück extravaganter aus. Was der Heckdiffusor sowie die Splitter vorne, hinten und an der Seite zu verantworten haben. Und natürlich die geschickt eingesetzten Kontrast-Farbelemente. Ist das grün? Oder gelb? Baerbock oder Lindner? Man kann den PSE übrigens auch in Schwarz wählen, dann hat man sowas wie eine Jamaika-Koalition – und darf vielleicht weiterhin mit Tempo 250 über deutsche Autobahnen knallen.

Splitter und Kontrastfarben zeichnen den 508 PSE aus.

Weil: Können würde er das. Der 200 PS starke Turbobenziner ist nämlich nicht auf sich alleingestellt, ihn unterstützen zwei Elektromotoren. Was den 508 PSE erstens 360 PS und 520 Nm stark sowie zweitens zum Allradler macht. Und drittens wissen wir jetzt nicht, ob wir ihn in der Testkategorie „Green“ oder „Sport“ einordnen sollen.

Maximal 360 PS also – das klingt nicht nach Imagepolitur, das klingt giftig. Ist es auch. Aber nicht im Sinne von: Sei einmal unaufmerksam und dich überholt das Heck. Eher im Sinne von: Das geht einfach saugut nach vorne. 5,2 Sekunden sind’s von 0 auf 100 km/h. Besonders im Sportmodus hängt der 508 PSE sehr direkt am Gas, bei Kickdowns sorgen die E-Motoren unmittelbar für Schub, bevor sich Turbolader und die 8-Gang-Automatik überhaupt neu sortiert haben. Weniger sportlich ist der Klang des 1,6-Liter-Benziners.

Nicht, dass wir postpubertierendes Geballer erwartet oder uns gewünscht hätten, aber etwas kerniger dürfte er schon tönen. Falls er überhaupt tönt: Wenn die 11,5-kWh-Batterie so voll ist wie Kimi Räikkönen während der FIA Gala 2018, kommt man offiziell 42 Kilometer rein elektrisch aus, was gar nicht so utopisch ist. Also doch Green?

Naja. „Nur“ ein starker Plug-in-Hybrid ist er nicht. Die Stoßdämpfung wurde optimiert und die Spur verbreitert, vorne um 24, hinten um 12 Millimeter. Um die 360 PS auch wieder einzufangen, gibt’s 380-Millimeter-Scheiben und gelb lackierte (oder grün?) Vierkolben-Sättel an der Vorderachse. Außerdem steht der Peugeot 508 PSE auf Michelin Pilot Sport 4 S.

Ergebnis: Die Bremsen haben die rund 1,9 Tonnen problemlos im Griff, können richtig bissig sein. Allerdings muss man da schon ordentlich zutreten. Dieses klassisch-nervöse Bremsgefühl von radikal-sportlichen Mittelklasse-Fahrzeugen, in denen du bei einem Mikrometer Bremspedal-Weg schon so stark verzögerst, dass dir fast die Airbags um die Ohren fliegen, hast du im 508 PSE nicht. Was wohl auch am Rekuperationssystem liegen dürfte. Fahrwerk, Reifen und Allrad sorgen für eine großartige (und sehr neutrale) Kurvenlage, passend dazu ist die Lenkung sehr direkt abgestimmt.

Die Bremsanlage hat keine Probleme mit den 1,9 Tonnen.

Also doch eher Sport? Restkomfort gibt’s jedenfalls auch im Sportmodus (das sag’ nicht ich, das sagt vor allem meine Wirbelsäule). Und wer Power-Kombis à la Audi RS 4 Avant fährt, wird am nächsten Track Day nicht im 508 PSE aufkreuzen. Der Peugeot 508 PSE ist mehr so die ausgeglichene Allzweckwaffe: Er verbraucht acht Liter Benzin pro 100 Kilometer – oder halt gar nix. Er generiert Aufmerksamkeit – aber nicht um jeden Preis. Er gibt auf der Langstrecke den komfortablen Gleiter – aber verführt auch dazu, nicht immer die Direttissima zu nehmen. „Schatz, wann bist du zuhause?“ „Erst um 20 Uhr. Wir haben noch ein … ähhm … wichtiges Meeting. In der Kalten Kuchl.“

Mankos? So futuristisch die Innenraum-Gestaltung mit den coolen Farbkontrasten auch sein mag: Das Infotainmentsystem ist nicht mehr zeitgemäß. Wir sprechen hier nicht von der recht hübschen grafischen Darstellung, sondern von der Geschwindigkeit. Der Preis? Naja. Starten tut der Peugeot 508 PSE als SW (übrigens, der Kofferraum fasst 530 Liter – genauso viel wie die nicht-hybridisierten 508er) bei 68.960 Euro. Das schreckt erstmal. Allerdings nur bis zum Blick auf die Extras.

Die grafische Darstellung ist zwar ganz fesch, das System selbst reagiert aber zu langsam. Zumindest für fast 70.000 Euro.

Es gibt nämlich keine. Oder fast keine. Zwei Lackierungen können statt dem feschen Grau optional bestellt werden. Außerdem: Schiebedach für rund 1.200 Euro, eine maximale Ladeleistung von 7,3 kW für knapp 400 Euro und eine teilweise beheizte Windschutzscheibe für 252 Euro – rien ne va plus, wie der Franzose sagt. Die edlen Materialien im Innenraum, eine Armee an Assistenzsystemen (inklusive Nachtsicht) oder die 20 Zöller – alles im Basispreis inkludiert.

Flacher Kofferraumboden obwohl dieses Auto drei Motoren und eine 11,5-kWh-Batterie beherbergt.

Konkurrenz? Der wesentlich schwächere VW Passat GTE startet bei rund 51.000 Euro, ist aber: wesentlich schwächer, wesentlich undynamischer, nicht ganz so sexy, um es sehr höflich zu formulieren. Und vollausgestattet lässt man die 60.000-Euro-Marke auch hinter sich. BMW 330e xDrive Touring? Wie jeder 3er eine Freude in der Kurve, mit fast 300 PS und ähnlichen Fahrleistungen auch ordentlich motorisiert und der Basispreis von 53.600 Euro scheint anfangs auch vielversprechend zu sein. Hier jetzt der umgekehrte Fall: Während es beim Franzosen drei Extras plus Lackierung gibt, ist die Ausstattungsliste beim Münchner hingegen fast dreistellig. Ein Testwagen einige Monate zuvor krazte an den 80.000 Euro. Massagesitze waren keine dabei.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"