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Volvo XC40 P8 Recharge: Thor vs. Tesla

Sie haben Polestar als reine Elektrotochter und Lynk & Co als experimentierfreudiges Start-Up. Doch darauf wollen sie sich in Göteborg nicht ausruhen. Sondern weil sie bei Volvo fest an den Siegeszug der Stromer glauben, gibt’s nun auch vom Mutterhaus das erste Elektroauto: Noch vor dem Jahreswechsel beginnt die Auslieferung des Volvo XC40 P8 Recharge, der in eine kleine, aber feine Nische fährt: Denn 4,43 Meter lang und mindestens 60.437 Euro (D) teuer, rangiert er knapp unter Premium-Modellen wie dem Audi e-tron oder dem Mercedes EQ C, sortiert sich aber oberhalb von VW ID.4 und Skoda Enyaq ein und wird so zum vielleicht aussichtsreichsten Wettbewerber für das Model Y.

Von Thomas Geiger

Beim Kampf gegen Tesla & Co setzen Thors Gesellen auf das Know-how der jungen Tochter Polestar, von der die Schweden für den XC40 nicht nur erstmals das Android-Infotainmentsystem mit den komfortablen Google-Menüs übernehmen, sondern auch den Antrieb: Für stolze 12.000 Euro Aufpreis zum stärkeren der beiden bislang angebotenen Plug-In-Hybriden montieren sie dann pro Achse einen 150 kW starken E-Motor und dazwischen einen Akku mit einer Kapazität von 78 kWh. Statt bislang gerade einmal 50 Kilometer soll der XC40 damit bis zu 400 Kilometer weit stromern, bevor die Batterie an die Box muss. Geladen wird sie dort mit bis zu elf kW, so dass sie an einer schnellen Gleichstromsäule binnen 40 Minuten wieder zu 80 Prozent voll ist.

Weil neben dem Akku im Wagenboden auch irgendwo die Leistungselektronik untergebracht werden musste, geht dem XC40 das Fach unter dem 414 Liter großen Kofferraum verloren. Doch das machen die Schweden in Tesla-Manier mit einem Frunk hinter dem geglätteten Bug wieder wett. Denn dort, wo jetzt kein Verbrenner mehr rödelt, haben die sie Platz geschaffen für eine Ablage, in die zumindest das Ladekabel passt.

Obwohl Volvo mehr als jeder andere Hersteller in der Premium-Liga die Entschleunigung predigt und auch seinen Stromer wie alle neuen Modelle deshalb bei 180 km/h kategorisch abgregelt, ist der elektrische XC40 ausgesprochen flott bei der Sache. Weil die beiden E-Motoren je bis zu 330 Nm entwickeln und diese Anzugskraft vom ersten Meter an bereitsteht, beschleunigt der kompakte Geländegänger ungeachtet seiner stolzen 2,2 Tonnen Leergewicht binnen 4,9 Sekunden auf Tempo 100 und bringt die Traktionskontrolle dabei bisweilen schwer ins Schleudern. Und auf einer kurvigen Landstraße ist man damit so schnell so flott unterwegs, dass man die zentnerschweren Akkus um Wagenboden keineswegs als Last empfindet, sondern dankbar für den niedrigeren Schwerpunkt ist. Genau wie für die eher kompromisslose Abstimmung von Federn und Dämpfern, die sich ungeachtet empfindlicher Bandscheiben tapfer gegen die Fliehkräfte stemmen. Jedes konventionelle Auto würde sich da deutlich weiter in die Kurven lehnen und schneller die Contenance verlieren, oder müsste noch härter abgestimmt sein.

An der strammen Abstimmung kann man wenig ändern, doch wer sich in die Tiefen des Menüs wagt, der findet zumindest ein etwas softeres Setup für die Lenkung und irgendwann auch den Punkt, an dem er das One-Pedal-Fahren ausschalten kann. Denn so angenehm die ungewöhnlich starke Verzögerung schon beim Lupfen des Fahrpedals im Stadtverkehr auch sein mag, so irritierend ist das unfreiwillige Bremsen über Land: Sonst tendenziell eher ein wenig zu schnell unterwegs, wird der XC40 damit leicht zum Verkehrshindernis.

Zwar feiern sie bei Volvo den XC40 P8 Recharge als Beginn einer neuen Ära, wollen bald jede Baureihe elektrisieren und schon im nächsten Jahr noch ein SUV-Coupé unter Strom setzen. Doch viel Aufhebens machen sie um den elektrischen Erstling nicht. Der einzige Designunterschied ist deshalb der geschlossene Kühler, der zugleich dem besseren cw-Wert dient. Auch der Betrieb ist für sie so alltäglich, dass die Schweden eine Eigenheit aller Elektroautos kurzerhand weggelassen haben – als wahrscheinlich einziger Stromer muss der XC40 deshalb mit einem Batteriestandsanzeiger im Stil der Tankuhr auskommen und spart sich jede Angabe der Restreichweite.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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