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Ford Mustang Mach-E: Das Pony frisst Strohm

Ford Mustang. Da denkt der geneigte Leser doch direkt an oktangetränktes Motorbrüllen und benzintriefende Glücksmomente. Doch Ford selbst definiert den Mustang anders. Es geht nicht (nur) um Hubraum und Zylinder, sondern mehr um die drei F: fast, fun und freedom – das ist der Spirit of Mustang und den verkörpert der Mustang Mach-E genauso, behaupten die Amerikaner.

Es spiele also keine Rolle, dass der Mach-E kein Muscle Car (oder Ponycar, um historisch präzise zu bleiben) mit V8 ist, sondern ein SUV mit ein oder zwei Elektromotoren ist. So heißt es jedenfalls. Spoiler: Doch, das spielt sehr wohl eine Rolle. Das Feeling ist im E-Pony definitiv ein gänzlich anderes, wenn es auch noch so flott zu Werke geht. Aber man versteht schon, worauf die Herren bei Ford hinauswollen. Denn der Mustang Mach-E mag zwar nicht röhren und gurgeln, doch dafür schnellt er umso bissiger aus den Startlöchern und gurgeln tun wir derzeit ja eh selbst genug bei diversen Coronatests.

So wie der traditionelle Mustang ein Spektrum von Vierzylinder bis Achtender abdeckt, so gibt es auch den Mach E in einigen Varianten. Selbst getestet haben wir nun den Ford Mustang Mach-E AWD mit der großen 88 kWh-Batterie (netto). Das bedeutet 540 Kilometer Reichweite nach WLTP, 351 elektrische Pferdestärken, 580 Nm Drehmoment und 5,1 Sekunden auf 100 km/h. Und natürlich Allrad- statt Heckantrieb, das steckt ja schon in der Modellbezeichnung. Damit ist unser Testwagen aktuell das Topmodell, zumindest bis die auch in den USA erst im Herbst auf den Markt kommenden GT-Versionen wohl gegen Ende des Jahres hierzulande den Markt stürmen. Die Zahlen lesen sich ja auch vergnüglich, doch kann der Spaßfaktor dem Ur-Mustang wirklich gerecht werden?

Lustig hat man es beim Mach-E jedenfalls schon beim Einsteigen. Türgriffe sucht man, aber vergeblich. Die Türen öffnen sich nach leichtem Druck auf einen dezenten „Knopf“ im Stile des Home Buttons früherer iPhones. Die nächste Stufe nach den versenkbaren Türgriffen von Range Rover, Tesla und Konsorten. Im Cockpit dominiert vor allem eines: Raum. Okay, der gigantische Touchscreen sticht auch ein ganz klein wenig ins Auge, ist aber bedientechnisch gut konzipiert und erregt daher keine allzu großen Ängste. Die Menüs sind schnell durchschaut und auch wenn der Anblick nicht ganz gewöhnlich ist, passt er zum spacigen Interieur des Mach-E. Hinter dem Lenkrad, dessen Knöpfchen leider eher antik als avantgardistisch wirken, prangt dann noch ein schmaler Screen, der als digitale Instrumententafel dient. Auch innen gleicht das Öffnen der Türe beim ersten Mal einem Suchspiel, bis man den kleinen Schalter entdeckt hat, der die Tür aufschwingen lässt. Alternativ ist weiter unten, außerhalb des Sichtfelds, noch ein mechanischer Hebel versteckt. Auf dem Mitteltunnel, oder dem, was in einem Elektroauto eben davon übrig bleibt, finden sich lediglich Gangwahlscheibe, Parkbremse und zwei weitere kleine Knöpfe. Aufgeräumt ist gar kein Ausdruck.

Gemeinsam mit dem riesigen Panoramaglasdach und den bequemen Sitzen entsteht so schnell der Eindruck von Freiraum im Überfluss. Definitiv ein Unterschied zum Benzin-Mustang, vor allem auf der Rückbank. Kofferraum und Frunk bieten nochmals eine große Portion Stauraum obendrauf an – in dieser Disziplin zieht das E-SUV natürlich weit, weit davon. Front und Heck des Mustang Mach-E sind deutlich an seinen berühmten Namensvetter angelehnt. Klar, um Spiegelbilder handelt es sich nicht, aber spätestens bei den ikonischen Heckleuchten erkennt auch ein Laie die Verwandtschaftsverhältnisse klar. Und für ein SUV duckt sich der Mach-E wirklich verdammt sportlich auf den Asphalt. Ja, ganz so sexy wie ein Muscle Car ist er nicht – zumindest in den Augen eines traditionsbewussten Petrolheads. Aber von fad und spießig könnte er auch kaum weiter entfernt sein.

Schön ist er also, der Mach-E. Sowohl von außen als auch innen betrachtet. Gut, das ist gerade bei einem Auto mit Emotionsanspruch auch ziemlich essentiell. Was er an Historie vermissen lässt, macht er mit Originalität und Überraschungen wieder wett, auf seine Art. Aber macht ihn das schon zum Mustang?

Der beherzte Tritt aufs Gas sorgt natürlich für ein Grinsen. Nicht unbedingt wegen des künstlichen Sounds, den der Autor dieser Zeilen sofort wieder abgedreht hat. Wenn schon E-Mustang, dann auch mit der einzig richtigen Klangkulisse: Stille. Aber der Antritt geht halt wie Sau und ein Kampfgewicht von mehr als zwei Tonnen verpufft dann erstaunlich mühelos. Gerade im Fahrmodus „Temperamentvoll“ hört der Spaß auch nicht so schnell wieder auf. Sicher, ein Kurvenräuber vor dem Herrn wird der Mach-E nicht mehr. Aber das macht ihn ja irgendwie umso mehr zum Mustang … würden böse Zungen behaupten. Dennoch, man merkt diesem Ford an, dass er trotz Elektroantrieb und SUV-Form auch auf Spaß getrimmt wurde.

Denn unter dem Strich ist der Ford Mustang Mach-E das bisher spaßigste Elektro-SUV auf dem Markt. Andere mögen edler sein (oder zumindest so tun), oder größer. Und ja, einen mindestens so genialen Antritt haben e-tron oder Model X natürlich auch. Doch der Mach-E schafft es, auch über Losheizen und stummes Gleiten hinaus Lust aufs Fahren zu machen. Man zeigt sich gern mit ihm, er strahlt dieselbe sympathische und dynamische Energie aus wie der Mustang. Deshalb: Selbst wenn es das Blut nicht gar so sehr zum Kochen bringt wie sein Vorbild, auch dieses Pony hat den richtigen Spirit.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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