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BMW M4 Competition: So gar nicht woke

Triggerwarnung: Der BMW M4 Competition kann negative Emotionen bei Anhängern der Fridays for Future- und Body Positivity-Bewegung auslösen. Und bei Bandscheiben-Patienten auch.

Kreuzschmerzen, nämlich so richtige. Das erste Mal in meinem Leben, das ja doch noch recht kurz ist. Zu kurz jedenfalls für Scheiß-Kreuzschmerzen. Kein großes Ding, eigentlich. Ein paar Tage abwarten halt. Oder Wochen, wenn man zu der Sorte Mensch gehört, die immer erst dann zum Arzt marschiert, wenn’s richtig brennt. Ausmaß: australisches Buschfeuer. Und sich in die U-Bahn hauen und gen BMW Wien pilgern geht ja noch. Weil es wartet ein M4 Competition. Mit brettlhartem Fahrwerk und noch bretthärteren Carbon-Schalensitze. Well, shit.

Das Timing ist ein Hund – und zwar mehr so von der Sorte Zerberus denn Good Boy. Nichtsdestotrotz muss man die Feste feiern, wie sie fallen. Und wenn sie zufälligerweise auf Tage fallen, die eigentlich für ein verkatertes Vor-sich-hin-Vegetieren reserviert gewesen wären, dann: Konterbier und geht scho’.

Wobei es uns der BMW M4 Competition halt wirklich nicht leicht macht. Das Fahrwerk wäre ja noch verkraftbar gewesen. Klar ist es hart und ruppig und eher für Straßen ausgelegt, die Hockenheimring oder so heißen. Aber wenn die Federung auf zahm gestellt ist, dann lässt sich das schon gut aushalten. In die Ukraine würden wir damit nicht unbedingt reisen, aber in die Niederlande? Dänemark? Sonstige Länder mit hoher Straßenqualität, die man optimalerweise von Wien aus über Deutschland erreicht? Unbedingt!

Dass der M4 härter wirkt als der vor einiger Zeit getestete M3 Competition, mag an den Rädern liegen, die jetzt sommerbereift und mit größeren Felgen (19 Zoll vorne, 20 Zoll hinten) ausgestattet sind. Oder es sind die optionalen Carbon-Schalensitze – die eigentliche Prüfung für das Kreuz.

Sie sind sehr hart und sie sind sehr eng. Politisch unkorrekt eng, weil: hochgradig dickenfeindlich. Die Seitenwangen filtern dir erbarmungslos den Nachschlag von gestern aus den Hüften. Immerhin: Sie lassen sich verstellen, und zwar so, dass wenigstens moderat Magersüchtige uneingeengt sitzen.

Nicht verstellen lässt sich dieses Ding da in der Mitte der Sitzfläche, das im Internet als Phallus-Ablage zelebriert wird und nach ausschließlich schlanken Oberschenkeln verlangt. Stell dir vor du nimmst ein Girl mit, was ja als M4-Fahrer häufiger mal vorkommen kann, und ihre Beine passen da nicht rein. Dann brennt der Hut. Weil was dein Auto sagt, das sagst auch irgendwie du. Und gerade sagst du: „Du bist fett.“

Vor allem an den Oberschenkeln kanns dank der „Phallus-Ablage“ zwicken.

Was natürlich nicht stimmt, weil man echt nicht adipös zu sein braucht, um nicht in diese Schalensitze reinzupassen. Immerhin: Dicke werden zwar diskriminiert, Frauen generell aber nicht. Um den Beckenbereich sind die Carbonschalen weniger eng.

Die Farbkombination ist schon sehr wild.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Griff zu den Schalensitzen sollte gut überlegt sein. Entweder sie passen wie angegossen und du fühlst dich wie damals in der Gebärmutter deiner Mama, mit dem Unterschied, dass du gerade mit Tempo 290 über die deutsche Autobahn ballerst. Oder es zwickt überall. Die alternativen Sportsitze bieten auch einigen Seitenhalt und schonen dabei Kreuz und Selbstbewusstsein.

Auch bei anderen kontroversen Punkten hat man die Wahl. Etwa der Farbkombination im Innenraum, die mehr so an Neopren-Anzüge erinnert. Oder die Lackierung außen – „Sau Paolo gelb“. Wo man hingegen keine Wahl hat: bei der Niere. Persönliche Meinung inklusive einer weiteren Triggerwarnung, diesmal für BMW-Puristen: Am normalen 4er etwas fehl am Platz, harmoniert sie bei M3 und M4 deutlich besser mit der Gesamtoptik. Weil hier sowieso alles voll auf Attacke getrimmt ist. Die riesigen Endrohre, der mächtige Diffusor, die zerklüftete Stoßstange – wieso dann nicht gleich einen Grill montieren, auf dem man ein ganzes Mammut rösten könnte? Nachgereichte Triggerwarnung: Dieses Auto kann negative Emotionen bei Vegetariern auslösen.

Bei Non-Vegetariern, Non-FFF-Aktivisten und Menschen mit intakter Wirbelsäule löst dieses Auto aber vor allem positive Emotionen aus. Nämlich dann, wenn dich der doppelt zwangsbeatmete 3-Liter-Reihensechser in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultiert. Wenn sich die Drehzahl den 7.200 Maximaltouren nähert. Wenn das Triebwerk basslastig vor sich hin brüllt. Wenn dich die Bremsen mit ihren belüfteten Scheiben und den Sechskolben-Sätteln vorne zusammenstauchen. Rein in die Kurve, Scheitelpunkt passieren, Gas. Massives Leistungsübersteuern – und schon spritzt dir das Adrenalin aus den Ohren und kocht dein Gehirn so dermaßen weich, dass du die 142.181 Euro für den Testwagen als fast schon generöses Angebot wahrnimmst.

Obwohl: War die Hinterachse des BMW M3 Competition mit Winterreifen und bei kälteren, nässeren Bedingungen noch so aufgeweckt wie ein junger Hund, der aus einem Napf Red Bull getrunken hat, in das MDMA aufgelöst wurde, so halten die 285er-Walzen des M4 die 510 PS und 650 Nm überraschend sicher an der Leine. Obacht ist bei so viel Kraft natürlich immer geboten, doch das Gripniveau der Hinterachse überrascht. Jenes der Vorderachse ist – in Ermangelung eines besseren Begriffs – sowieso vollkommen absurd: Wie sich die Reifen in den Asphalt beißen, ist ganz großes Kino. Und es wird noch größer, wenn man das Gewicht des M4 kennt: 1,8 Tonnen haben sich wohl selten nach so viel weniger angefühlt. Was wohl auch an der radikal steifen Karosserie liegen mag.

Ganz ehrlich: Da beim Test die Auslaufzonen von öffentlichen Landstraßen – im besten Fall Leitplanken, im schlechtesten Fall Bäume – auf ein eher durchschnittliches Talent am Steuer trafen, kam der BMW M4 Competition eher seltener an seine Grenzen. Macht aber nix, weil das Erlebnis selbst im Frühverkehr auf der Südosttangente so intensiv, direkt und spektakulär ist, dass der morgendliche Espresso zum Wachwerden obsolet wird. Passend dazu gibt’s optional auch endlich g’scheite Schaltwippen, mit denen man die acht Gänge der Wandlerautomatik fröhlich durchjagt.

Eines M-Modells würdig: die neuen, größeren Schaltwippen in Carbon-Optik.

Übrigens: Die Kreuzschmerzen haben sich inzwischen als gepflegter Bandscheibenvorfall herausgestellt. Besser gemacht haben es die Schalensitze zwar vermutlich nicht. Allerdings halte ich mich da an Tante Gerti, die ihre 53-köpfige Fangemeinde auf Facebook mit folgendem Spruch zwangsbeglückt: „Bereue nichts, was dich einmal zum Lächeln gebracht hat.“

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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