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Jeep Gladiator Overland: Good Old Times

Nichts ist derzeit im Sprech der Automobilbranche so wichtig, wie dass jedes neue Modell unbedingt total zukunftsweisend ist. Ja, das gilt selbstredend auch für das dreihundertsiebenundneunzigste Plug-in-Hybrid-Kompakt-SUV. Dem Jeep Gladiator ist das Getue herzlich wurscht, er weiß, wo seine Stärken liegen.

Fotos: Eryk Kepski

Dass der fünfeinhalb Meter lange, knapp zwei Meter hohe und über zwei Tonnen schwere Pickup nicht gerade das prototypische Liebkind der Letzten Generation sein kann, ist unstrittig. Dafür verkörpert er viel zu sehr amerikanische Ideale frei nach „größer, fetter, stärker“. Unter der Haube des Testwagens ordiniert ein Vertreter einer aussterbenden Rasse: Ein V6-Dieselmotor mit drei Litern Hubraum. Den weiß der geneigte Gladiator(-Fahrer) natürlich vor allem ob seines gewaltigen Drehmoments zu schätzen. 600 Newtonmeter reißen selbstverständlich an allen vier Rädern und wuchten den Jeep mit Pritsche locker aus jeder misslich-matschigen Lage. 264 PS sorgen dafür, dass der Gladiator auch auf Asphalt ganz ordentlich geht. (Quer-)Dynamiker ist er aber freilich keiner, schließlich ist er voll auf Arbeitstier abgestimmt.

Wobei „Viech“ vielleicht die passendere Beschreibung ist. Denn selten steht ein Auto so martialisch da wie der Gladiator Pickup. Das Biest ist knapp über 5,5 (fünfkommafünf) Meter lang und beinahe zwei Meter hoch. Daneben wird ein Ford Ranger etwa zum braven kleinen Bruder. Mit dieser gewaltigen Länge ist er in europäischen Innenstädten zumindest eine Herausforderung und europäische Parkgaragen bewältigt man in dem Ding nur mit höchster Präzision, wenn überhaupt. Aber dort will er ja auch gar nicht unterwegs sein. Das Great Outdoors wie in den USA gibt es hierzulande zwar nicht wirklich, da auf jedem Feld und in jedem Wald eine Besitzstörungsklage droht. Doch wer mal eine Gelegenheit findet, sich offroad zu betätigen, merkt dem Gladiator Overland schnell seine Kernkompetenz an. Da walzt man unaufhaltsam und unbeeindruckt einher und der Untergrund kann nichts dagegen einwenden – scheinbar egal, wie schlammig er wird.

Im Alltag versprüht der Gladiator jede Menge rustikalen Charme auch im Interieur. Zwar ist man in dick gepolsterte Sessel gebettet, jedoch blickt man auf ein Meer an Tasten und Schaltern, die einen glatt um mindestens ein Jahrzehnt zurück in die Vergangenheit katapultieren. Und – natürlich – einen Touchscreen extra. Der bietet auch allerlei Offroad-Daten und -Spielereien und passt damit perfekt zu dem zweiten Hebeln am Mitteltunnel, der in traditioneller Art für perfekte Abstimmung im Dreck sorgt. Dass überall rund um und vor allem über dem Fahrer blanke Schrauben und Co. sichtbar sind, sorgt einerseits noch zusätzlich für Flair, ist andererseits aber auch nötig, damit der Gladiator so schön modulierbar bleibt, wie es eben auch sein Markenzeichen ist. Schließlich kann man die wenigsten anderen Automobile selbst zum Cabrio umbauen.

So herrlich einzigartig der Jeep Gladiator zumindest in Europa ist, so weh tut der Abschied. Denn Jeep stellt den Bau des V6-Ecodiesels ein und hierzulande gibt es den Gladiator eben nur mit diesem Aggregat. Und dass es der in den USA angebotene 3,6 Liter-V6-Benziner mit seinen 289 PS heutzutage plötzlich über den großen Teich schafft, kann man getrost vergessen. In Zukunft wird man den Gladiator also vornehmlich auf dem Gebrauchtwagenmarkt finden. Für Schwerarbeiter bleibt er sicher interessant, zumal er ja auch als Nutzfahrzeug klassifiziert ist. Egal, ob man etwas mit ihm anfangen kann: Der Jeep Gladiator ist ein Auto mit ganz besonderem Charakter. Liebhaber werden ihn auch in Österreich noch lange in kultiger Erinnerung behalten.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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