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Porsche Macan: Der Beste seiner Art?

Es gibt bescheidenere Ziele für die Enthüllung eines Autos als ausgerechnet Singapur. Doch die vornehme Metropole im Südosten Asiens passt als Premierenbühne perfekt. Denn genauso klein und fein und wie der Stadtstaat und trotzdem ungeheuer wichtig ist auch das Auto, das hier seinen Einstand gibt. Schließlich zieht Porsche hier und heute endlich das Tuch vom neuen Macan. Und das ist eben nicht nur die zweite Generation der mittlerweile wichtigsten Modellreihe im Portfolio der längst nicht mehr nur auf Sportwagen fixierten Sportwagenschmiede. Sondern der mit knapp 4,40 Metern fast noch kompakte Geländewagen ist als erster Porsche auf der neuen PPE-Plattform zudem ein technischer Meilenstein und soll nach jahrelangen Softwareproblemen bei der Konzerntochter Cariad und schier endloser Verzögerung zum Befreiungsschlag werden.

Fotos: Hersteller

Und vor allem ist er nach dem vergleichsweise elitären Taycan der erste Porsche, der die – zumindest annähernd – Masse elektrifizieren soll und damit das wichtigste Volumenmodell in diesem Jahrzehnt. Zumindest, wenn man bei Grundpreisen von zunächst 86.761 Euro noch von „Volumen“ sprechen möchte. „Mit diesem Auto wird sich maßgeblich mitentscheiden, ob wir unsere Ziele einhalten und tatsächlich bis zum Ende der Dekade auf einen elektrischen Verkaufsanteil von mehr als 80 Prozent kommen können,“ hängt Baureihenleiter Jörg Kerner die Latte hoch.

Dabei hat der Chefingenieur dafür gar nicht in erster Linie ein Elektroauto entwickelt. „Sondern zuallererst mal ist das neue SUV ein typischer Macan“, sagt Kerner. Das gilt fürs Design, das zwar etwas aerodynamischer wird und der Batterie genau wie den Hinterbänklern mit dem um fast neun Zentimeter gestreckten Radstand ein wenig mehr Platz einräumt, ansonsten aber vom spitzen Bug über die breiten Hüften bis zum schrägen Heck unverkennbar ist. Und das gilt vor allem für die Dynamik. Denn auch der elektrische Macan fährt wie ein Macan.

Nur dass er frisch aus dem Fitnessstudio kommt – und in jeder Disziplin deutlich mehr bietet als früher. „Wie setzen dort an, wo wir beim Vorgänger aufgehört haben,“ sagt Kerner. Schon das Basismodell beschleunigt deshalb besser und geht schneller ums Eck als der bisher beste Macan. Vom neuen Top-Modell, das in alter Logik auch weiter Turbo heißen wird, ganz zu schweigen.

Los geht es zunächst mit dem Macan 4, dessen zwei Motoren im Overboost auf bis zu 408 PS kommen und mit 650 Nm an allen vier maximal 22 Zoll großen Rädern zerren. Schon das reicht für einen Sprintwert von 5,2 Sekunden. Wer stolze 117.495 Euro für den elektrischen Turbo bezahlt, der bekommt ein Ugrade auf 639 PS und macht mit 1.130 Nm auch Elfer-Fahrer blass vor Neid. Erst recht, wenn der Macan beim Kickdown in 3,3 Sekunden auf Tempo 100 schießt. Nur bei der Höchstgeschwindigkeit, so viel Tribut an die neue Zeit muss Kerner dann doch bezahlen, gibt es Abstriche. Der Macan 4 zieht bei 220 km/h die Reißleine und für den Turbo ist bei 260 Sachen Schluss. Später wird es noch andere Varianten geben – darunter auch eine, für die Kerners Kampfansage nur eingeschränkt gilt: Denn mit Blick auf Preis und Reichweite kommt das Basismodell – wenig Porsche-typisch – als reiner Hecktriebler.

Neben der schieren Leistung ist es vor allem das Set-Up, das den Macan auszeichnet. Vorne die wahrscheinlich beste Lenkung am Markt mit der größten Präzision und der direktesten Rückmeldung und hinten nicht nur etwas mehr Last auf der Achse, sondern erstmals auch aktiv lenkende Räder – das macht den Geländewagen zum König der Kurven und wirft einmal mehr die Frage auf, ob man hier noch ein SUV fährt oder schon einen Sportwagen – erst recht, weil man trotz der Batterie im Boden auch noch fast zwei Zentimeter tiefer sitzt als in bisherigen Macan.

Aber auch wenn der Macan eine Spaßgranate für die Generation E ist und für Kerner das „sportlichste SUV im Segment“, will er natürlich nicht nur Sportwagen sein, sondern auch Alltagsauto. Als Belege dafür nennt der Baureihenleiter neben dem größeren Platzangebot mit nun 540 Litern Kofferraum (plus 136 Liter zum Vorgänger), einem Frunk von soliden 84 Litern und einer luftigen Mittelkonsole mit mehr Stauraum als dem Keller einer Mietwohnung natürlich vor allem die Reichweite und die Reisezeit.

Der Baureihenleiter hat deshalb nicht nur einen 100 kWh großen Akku aus dem Regal der „Premium Plattform Electric“ gegriffen, der in der Theorie 613 Kilometer beim Macan 4 und 591 Kilometer beim Turbo ermöglicht. Sondern er hat vom Luft- bis zum Rollwiderstand viel für die Effizienz getan und damit für die reale Reichweite. Und er hat das Laden optimiert. Es gibt deshalb zu den standesgemäßen 800 Volt für bis zu 270 kW Ladeleistung auch das so genannte „Bank-Laden“. Dafür wird der Akku an der 400er-Säule virtuell halbiert und er schluckt den Strom so noch schneller. So reichen dann runde vier Minuten für 100 Kilometer und man bestellt beim Boxenstopp besser nur noch Espresso statt Cappuccino.

Und auch bei der Ausstattung legt Porsche nach: Es gibt künftig ein Head-Up-Display mit Augmented Reality Technik, doppelt verglaste Scheiben sorgen für eine himmlische Ruhe und wie in den großen Modellen zieht sich das digitale Cockpit nun über die gesamte Breite – einen Bildschirm für den Beifahrer inklusive.

Zwar hat Kerner den Macan nicht alleine entwickelt, sondern teilt sich die Verantwortung für die PPE mit den Konzernkollegen von Audi. Doch mit der Premiere in Singapur geht Porsche auch innerhalb der Familie in die Pole Position. Schließlich sind die Bayern noch später dran und haben den Q6 als ihre erste Premiere auf der neuen Plattform erst kürzlich nochmal verschoben. Dabei sind die Hoffnungen in Ingolstadt noch höher und die Erwartungen noch größer. Schließlich wollte Audi mit dem Q6 endlich wieder „Vorsprung durch Technik“ beweisen und muss sich mittlerweile mit „Gleichstand“ begnügen. Und wenn sie nicht aufpassen in Ingolstadt und langsam Gas, Entschuldigung: Strom, geben, wird daraus noch vor dem Start schon wieder ein Rückstand.

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