Die meisten kennen ihn nur als Leihwagen aus dem US-Urlaub. Denn während der Ford Explorer in den USA seit Jahren die SUV-Statistik anführt, haben die Kölner dem großen Geländewagen eine Karriere in Europa nicht zugetraut. Zu schlecht waren die Zahlen beim letzten Versuch vor bald 20 Jahren und zu gering das Vertrauen in das aktuelle Modell, dem für eine globale Karriere vor allem die richtigen Motoren gefehlt haben. Doch die Zeiten ändern sich: Auch bei uns kaufen sie mittlerweile alle SUV wie im Rausch, der Explorer ist über die Jahre immer besser geworden und obendrein sind die Tage für Galaxy und S-Max gezählt.
Von Thomas Geiger
Deshalb nimmt Ford jetzt einen neuen Anlauf und holt die in den USA im letzten Jahr vorgestellte Neuauflage des Bestsellers nun auch wieder nach Europa – und will ausgerechnet mit einem fetten SUV auch noch seinen CO2-Fußabdruck schmälern. Wenn das neue Flaggschiff der Kölner in diesen Tagen zu Preisen ab 76.000 Euro (D) zu den Händlern rollt, gibt es ihn deshalb exklusiv für Europa ausschließlich als Plug-In-Hybrid mit einem allerdings eher theoretischen Verbrauch von 2.9 Litern.
Damit rückt ein Auto an die Spitze des Ford-Programms, das vor allem mit seiner schieren Größe überzeugt. Denn der Explorer misst nicht nur knapp über fünf Meter und fährt damit ein einer Liga mit Mercedes GLE, Audi Q7 oder BMW X5. Sondern er bietet auch drei Sitzreihen, die ihren Namen alle verdienen. Wo bei den deutschen Premium-Herstellern allenfalls eine Notpritsche aus dem Kofferraumboden klappt und Konkurrenten wie ein Skoda Kodiaq oder ein Seat Taracco nicht einmal das zu bieten haben, fährt im Ford auch eine große Family komfortabel in die Ferien – und hat dabei sogar noch Platz für ein paar Taschen. So richtig riesig wird der Explorer allerdings erst, wenn man die dritte Reihe elektrisch versenkt und die Sessel in der zweiten von Hand flachlegt – dann passen bis zu 2.274 Liter hinter die elektrisch aufschwingende Heckklappe. Und weil Kleinvieh auch Mist macht, gibt es dazu noch Ablagen mit insgesamt 123 Litern Volumen und nicht weniger als zwölf Cupholder.
Das Fahren in Explorer ist typisch amerikanisch – und das ist durch und durch positiv gemeint. Denn der Ford ist genau so gemütlich, wie man es bin so einem Giganten erwartet und bei einem Familienauto braucht. Er versucht gar nicht erst, einem eine falsche Dynamik vorzugaukeln oder gar den Sportler zu geben. Sondern er rollt betont gelassen dahin, bügelt tapfer über die Querfugen und lässt sich von engen Kurven kaum aus der Ruhe bringen. Wer es trotzdem ein bisschen engagierter mag, der kann ja in den Sportmodus wechseln. Dann dreht die Automatik ihre konkurrenzlosen zehn Gänge weiter aus und das ganze Auto fühlt sich ein wenig verbindlicher an. Und falls statt Alltag mal Abenteuer auf dem Programm steht, gibt es zum serienmäßigen Allrad auch Fahrprofile für Schnee, Sand oder Schlamm, mit denen sich der Explorer auch da wieder rauswühlt, wo sich ohnehin kein Zivilist hinein traut.
Das Format ist amerikanisch, aber der Antrieb folgt europäischen Vorgaben: Weil Ford für die Kasse zwar ein großes und damit teures Auto braucht, fürs Klima aber auf die Bremse treten muss, gibt es den Explorer hierzulande ausschließlich mit einem Plug-In-Hybriden. Für den spannt Ford einen 3,0 Liter großen V6-Benziner von 350 PS mit einer 75 kW starken E-Maschine zusammen und packt einen 13,1 kWh großen Akku dazwischen, den man bestenfalls binnen 4:20 Stunden wieder aufladen kann .
Per Modus-Schalter in den elektrischen Betrieb gezwungen oder mit sanftem Gasfuß bewegt, surrt der Explorer rein elektrisch bis zu 40 Kilometer weit und erreicht dabei maximal 135 km/h. Spannend wird es aber beim Kickdown, wenn beide Motoren an einem Strang ziehen. Dann klettert die Systemleistung auf 457 PS und das vereinte Drehmoment von 825 Nm katapultiert den Koloss beinahe ins Umfeld von AMG & CO. Zumindest auf den ersten Metern kann er beim Kickdown jedenfalls mit all den Power-Panzern mithalten und lässt den Fahrer nichts von den 2,5 Tonnen spüren, die er da mit sich herumschleppt. Bis Tempo 100 vergehen dann zwar noch immer respektable 6,0 Sekunden, aber erst weit jenseits der Richtgeschwindigkeit lässt der Elan auf der Autobahn ein wenig nach. Nur bei Vollgas hat der Explorer mit maximal 230 km/h gegen die SUV aus dem Süden Deutschlands keine Chance.
Aber nicht nur beim Motor setzt Ford auf High-Tech, sondern auch bei der Ausstattung. Denn die Amerikaner spendieren dem Bestseller von den LED-Scheinwerfern über die Assistenzsysteme bis hin zum weitgehend automatisierten Parken fast alles, was ihr Vorrat an Innovationen hergibt. Und in keinem anderen Ford prangt vor der Mittelkonsole ein derart großer Bildschirm wie im Explorer – zumal der Touchscreen in schönster Tesla-Manier auch noch hochkant montiert ist und deshalb besonders ins Auge sticht.
Klar fehlt Ford das Image und dem Auto am Ende vielleicht doch die Finesse, als dass der Geländegigant auch diesseits des Atlantiks tatsächlich gegen den Mercedes GLE, den BMW X5 oder den Range Rover Sport konkurrieren könnte. Doch wer statt eines Kia Sorento, eines Hyundai Santa Fe, eines Skoda Kodiaq oder eines Seat Taracco lieber ein „deutsches“ Auto fahren will, kommt in dieser Klasse am Ford kaum vorbei. Denn Opel hat gar kein entsprechendes Modell im Programm, der VW Touareg ist viel zu abgehoben und für den Import des US-Modells Atlas fehlt VW anders als Ford beim Explorer der Mut, Aber vielleicht müssen die Niedersachsen genau wie die Amerikaner auch einfach nur erst einmal 20 Jahre abwarten.