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Barcelli gegen Stantejsky: Das Mercedes-AMG S 63 Coupé

Barcelli gegen Stantejsky:

Das Mercedes-AMG S 63 Coupé

Barcelli: Dann drückst du das Gaspedal runter – schön ungehobelt – und die Fuhre springt mit einem derartigen Satz nach vorne, wie man es sonst nur von Supersportwagen kennt. Die 612 PS sind im feinen Mercedes-AMG S 63 Coupé nun mal eine Macht. Wie kann so etwas nicht imponieren?

Stantejsky: Ja, imponiert eh. Aber wenn diese herrlichen 612 Pferde nicht in einem zwei Tonnen-Koloss stecken würden, sondern in einem richtigen Supersportler mit ein paar hundert Kilo weniger auf den Rippen, dann wäre die ganze Geschichte deutlich geiler. Sind wir uns mal ehrlich: Kein Mensch braucht derart viel Power in einem Luxusauto. Im Straßenverkehr muss man den Wagen fast bemitleiden, weil er eingepfercht wirkt und sich nie entfalten kann. Und auf der Rennstrecke ist er ebenso fehl am Platz, denn hier würde er von echten Sportwagen ordentlich abgewatscht werden, sobald es in die erste enge Schikane geht. Wozu das Ganze also?
Barcelli: Wieso braucht ein Rolls-Royce Phantom einen V12er, wenn der Lord in der Regel ja sowieso nur auf den hinteren Sitzen Platz nimmt? Wieso existieren diverse Power-SUVs, deren Achtzylinder-Motoren weit über 500 PS abdrücken, wenn man die Dinger ja sowieso nicht supersportlich bewegen kann? Ganz einfach: Weil man, überspitzt gesagt, nie genug Leistung haben kann. Egal ob in einer Limousine, einem Semi-Offroader oder eben einem Luxus-Coupé, Power unter der Haube macht immer und überall Spaß – auch, wenn der S 63 AMG sicher kein arger Kurvenräuber ist. Außerdem geht’s da ja schon auch ein bisserl um die Zurschaustellung von Wohlstand. Das geht mit acht Zylindern besser als mit drei.
Stantejsky: Die primäre Existenzberechtigung ist dementsprechend also die Tatsache, dass man im S 63 AMG Coupé gut herumprotzen kann, oder habe ich das falsch verstanden? Weil wenn das tatsächlich der Fall ist, dann eignet sich auch für diesen Zweck ein reinrassiger Sportwagen à la Lamborghini Huracán – der sich auch preislich in einem ähnlichen Gefilde wie der Mercedes austobt – deutlich besser. Vor allem: Wer sich ein Auto für über 200.000 Euro anschafft, könnte sich definitiv auch zwei Autos leisten. Wieso also nicht eine Luxuskarosse und ein Supersportler? Wieso muss es beides in einem sein, wenn es doch eh nicht funktioniert? Versteh mich nicht falsch, der S 63 AMG holt den besten Kompromiss raus, aber will ich in dieser Preisklasse überhaupt einen Kompromiss eingehen?
Barcelli: Wenn du dir für 250.000 Euro eine Luxuskarosse und einen Supersportler gönnen möchtest, resultiert das ja erst recht wieder in einem Kompromiss. Der Supersportwagen wird zum sechs- oder gar vierzylindrigen Sportler – also ohne dem Adjektiv „super“ davor – und die in der Oberklasse angesiedelte Karosse plötzlich zu einer, die nur noch in der oberen Mitteklasse verkehrt. Du denkst zu sehr in Schubladen. Für dich gibt es nur Schwarz oder Weiß. Oder eben: Komfort oder Sport. Das Mercedes-AMG S 63 Coupé ist ein Allrounder. Luxus bis zum Umfallen, Kraft, Sound und Vortrieb, der für Freudentränen sorgt und auf der anderen Seite massieren großartige Sitze den Rücken – und nicht das steinharte Fahrwerk eines Supersportlers. Dass man im Daimler-Coupé nicht bei jeder Temposchwelle oder Tankstellenzufahrt einen Nervenzusammenbruch erleidet, ist ja auch kein Nachteil.
Stantejsky: Die Frage ist nur, ob sich diejenigen, die tatsächlich mal easy solche Summen für eine Karosse auszugeben bereit sind, nicht vielleicht auch noch genug Geld für ein zweites, ebenso teures Vehikel haben. Aber das gehört jetzt ins Reich der Spekulationen und bei zwei Autos um je 125.000 Euronen gehen sich durchaus einige Luxus- als auch so manche Sportmonster aus. Allerdings bleibt es im Endeffekt wohl eine Geschmacksfrage, ob man lieber so viel Bestes wie möglich aus zwei Welten in einem Fahrzeug vereinen möchte oder sich doch – eventuell eben auch mit zwei verschiedenen Autos – spezialisiert. Alltagstauglicher als ein Supersportler ist das S 63 AMG Coupé sicher, gar keine Frage. Wie wichtig einem das ist, muss jeder selbst entscheiden. Ist wahrscheinlich logisch, dass bei solchen Fragen die Meinungen manchmal auseinander gehen. Macht ja auch mehr Spaß so.
Barcelli: Wenn jemand automotiv-infiziert ist und, wie du sagst, „easy“ Summen um die 250.000 Euro ausgeben kann, weshalb sollte er sich dann sein Coupé mit einem schwachbrüstigen Vierzylinder ordern? Eben. Doch versöhnlichen Worten stehe ich nicht im Weg. Das Alles ist, wie so oft, eine höchst subjektive Frage. Außerdem eine Frage, die sich uns sowieso nicht wirklich stellt. Weil: 230.850 Euro Einstiegspreis.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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