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Porsche Cayenne S: Der Bulle von Zuffenhausen

All-in-One

Porsche Cayenne S: Der Bulle von Zuffenhausen

So ein Stier macht ja eigentlich einen weniger agilen Eindruck. Wenn diese Rindsviecher dann aber mal richtig losrennen – egal ob über die Weide oder dem guten Spanier nach – dann wehe, wer nicht schnell genug ist.

Text: Maximilian Barcelli

Und dann sitzt du da, umgeben von mehr als zwei Tonnen Auto. Presst das rechte Pedal beherzt nach unten und die Fuhre geht ab wie dein Verdauungstrakt nach Omis Bohnensuppe. Und selbiges geschieht, wenn die Bremsanlage ihres Amtes waltet. Als müssten diese Dinger anstelle von einem fast 5 Meter langen, 1,7 Meter hohen und 2 Meter breiten Trumm von Automobil lediglich was Kompaktes verzögern.

Tun sie aber nicht. Sie verzögern nämlich die neuste Generation des Porsche Cayenne, der uns als S – also mit noch mehr Dampf unter der Haube – eine Woche lang durch den Alltag begleitete. Es war eine gute.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Quasi nichts Negatives können wir über den Bullen von Zuffenhausen berichten. Außer eben, dass Porsche sich das ganze Vergnügen schon angemessen auszahlen lässt. Für einen Basis-Cayenne S verabschieden sich 113.000 Euronen vom Konto. Eine schnelle Exkursion in den Konfigurator zeigt, wie wenig bei der Serienausstattung mit dabei ist und wie flott man die 150.000er Marke knackt. Ein bisserl moonlightblue metallic-Lackierung hier, ein paar schöne LED-Matrix-Hauptscheinwerfer da. Und hey, ein Porsche ohne Sport Chrono Paket? Wo kommen wir denn da noch hin. Die Hinterachslenkung um wohlfeile zweieinhalbtausend Flocken darf man sich natürlich auch nicht entgehen lassen. Jedenfalls kommen auf den Basis-Preis recht flott noch 20.000 Eier dazu – da hält sich die Sonderausstattung aber noch immer sehr in Grenzen. Doch man bekommt für seine Euros halt auch ein recht facettenreiches Automobil. Und ein schönes sowieso.
Trotz der hohen Bauweise des Zuffenhausener wird schnell klar: Der Cayenne ist ein Leistungs-, kein Hobbysportler. Die vier Endrohre, die sportlichen Schürzen oder der Diffusor verraten den dynamischen Charakter. Mehr Wolf als Schaf im Wolfspelz. Besonders gut ist den Zuffenhausener das Gesäß ihres neuen Schlachtschiffes gelungen. Durch diesen identifiziert man den neuen Cayenne auch als den tatsächlich neuen, vor allem die Heckleuchten verleihen dem Bullen ein elegantes Auftreten. Die Front hebt sich hingegen nicht besonders vom Vorgänger ab.
Das tut dafür umso mehr der Innenraum. Knöpfe und Schalter sind einer hochmodernen Landschaft gewichen. Der Touchscreen reagiert schnell und fein, darunter lässt sich die Klimaanlage halb digital, halb analog, steuern. Halb digital, halb analog sind auch die Armaturen, auf die man durchs sportliche Lenkrad blickt. Während der porsche-typisch dominante Drehzahlmesser noch ein echter ist, befinden sich links und rechts davon zwei Bildschirme. Auf diesen kann man nicht nur seine Rundenzeiten stoppen (Aktueller Rekord von mir bis ins Büro: 17:15,06 Minuten. Haben aber eben einen Panamera da, also mal schauen was noch geht.) oder die an einem zerrenden G-Kräfte beobachten, auch Navigationsanzeigen sind möglich und sehen noch dazu äußerst fein aus. Die Verarbeitung ist sowieso großes Kino, die Materialien sehr hochwertig.
Also dann: Einsteigen und Motor starten. Das geschieht im Cayenne S wie in jedem anderen Porsche, also links vom Volant. Und mehr oder weniger Keyless. Allerdings nicht bloß mit einem gewöhnlichen Startknopf. Nein, der Herr Cayenne will mit einem integrierten Zündschlüssel, der wirklich noch gedreht wird, angeworfen werden. Ein herrliches Gefühl und jeden einzelnen Penny wert. Es sind übrigens etwa 1.355, die dafür fällig werden. Euros, nicht Pennys.
Weiter geht’s. Fahrmodus? Sport Plus. Was sonst, wenn man in die Arbeit pendelt und bei einer roten Ampel die Pole Position ergattert. Ohne Sport Plus nämlich, lässt sich die Launch Control nicht aktivieren. Und es gibt nichts schöneres, als früh morgens von beeindruckender Längsdynamik geweckt zu werden. Die Nachbarn kommen gleich mit in den Genuss: Nicht von den niederschmetternden Tönen des Weckers werden sie aus dem Schlaf gerissen, sondern von einem herrlichen Sextett.
Jeder Start ohne Launch Control ist ein vergeudeter. Die ist bei Porsche nämlich derartig on point, dass dir die ungustiösen Blicke der Passanten, wenn sich der Motor in Startposition begibt, am Allerwertesten vorbei gehen. Auch, weil die 422 PS dafür sorgen, dass du sie gar nicht siehst. Dann: Schön den ersten Gang ausdrehen und wenn die Automatik dann pfeilschnell in den zweiten schaltet, musst du sowieso wieder vom Gas gehen. Sonst holt einem die Rennleitung noch von der Strecke. Nein, wir sind eigentlich keine Prolos . Und das wir jedesmal mit Launch Control losgedüst sind, ist schon auch eine Überspitzung. Aber es ist halt schon großartig – und ewig hat man so ein Gerät ja nicht.
Wie auch immer. Eine beeindruckende Längsdynamik macht aus einem Wagen noch lange kein Sportgerät. Das weiß Porsche wohl am besten. Es ist zwar überhaupt verwunderlich, wie gut sich manche SUVs heutzutage durch Kurven zirkeln lassen, doch der Cayenne legt noch einen drauf. Porsche steht halt noch immer für Sport – auch, wenn der neue Cayenne natürlich einen herrlichen Gleiter gibt. Auch, wenn der neue Cayenne Platz für die ganze Familie bietet. Und auch, wenn der neue Cayenne vermutlich ziemlich weit im Gelände kommt. Zusammengefasst ist der neue Porsche Cayenne einfach ein beeindruckendes All-in-One-Paket. Mit einem beeindruckenden Preis.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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