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Smart macht Schluss mit süß

Kehrtwende bei Smart: Nach zwei Jahrzehnten als Spielzeugauto im Bällebad der Großstädte beginnt für den Kleinwagen jetzt der Ernst des Lebens. Denn nachdem Daimler weder alleine, noch in Kooperation erst mit Mitsubishi und dann mit Renault auch nur einen Euro an dem gerade mal 2,70 langen Stadtflitzer und seinem viertürigen Bruder von 3,50 Metern verdient hat, soll es jetzt ein mehr als vier Meter langes SUV in der Kompaktklasse richten. So wird aus einem außergewöhnlichen Kleinstwagen ein zumindest auf den ersten Blick ziemlich gewöhnliches Auto für den Mainstream.

Die Nachricht schwirrt schon seit ein paar Monaten durch die Mercedes-Welt, doch jetzt gibt es dazu auch eine konkrete Vorstellung. In einer exklusiven Preview hat Daimler der Redaktion einen ersten Blick auf jene Studie gewährt, die im Herbst ihre Premiere feiern und im nächsten Jahr mit nur noch minimalen Modifikationen in Serie gehen soll.

Mit den aktuellen Modellen hat dieses eSUV genannte Concept, das auf Konkurrenten wie den Mini Countryman zielt und bei flüchtiger Betrachtung ein wenig an Opel Adam oder Porsche Macan erinnert, vordergründig nicht mehr viel mehr gemein als das Markenlogo – und selbst das wurde kräftig retuschiert. „Wir haben die Gelegenheit genutzt, die Marke neu zu erfinden“, sagt Designchef Gorden Wagener und freut sich sichtlich an den Irritationen, die das neue Modell beim Betrachter auslöst. Denn Smart wird man künftig wohl mit neuen Augen sehen müssen.

Nicht nur, dass die Studie mehr als anderthalbmal so lang ist wie der Fortwo und damit fast an den EQA heranreicht. Sondern auch das kindliche Grinsen und das verspielte Interieur sind verschwunden und einem entschlossenen, wenngleich verführerischen Blick gewichen und einer luxuriösem Lounge gewichen. „Der neue Smart wird cool, sexy und erwachsen statt niedlich und verspielt,“ sagt Wagener. Und der alte, bisweilen preiswerte Plastik-Look passt auch nicht mehr zur neuen Philosophie von der Trendmarke für die urbane Familie. Doch ein paar Wesensmerkmale sollen sich auch im SUV wiederfinden. Beim Auftritt gilt das für die zweifarbige Karosserie mit einem abgesetzten Dach, das wie der Schirm einer Mütze über der Kabine zu schweben scheint. Bei der Ausstattung für smarte, teilweise augenzwinkernde Details wie die je nach Situation unterschiedlichen funkelnden LED-Elemente ringsum im Blech, ein Infotainment-System, das mindestens so bunt ist wie MB-UX, den chinesischen Vorlieben folgend aber etwas verspielter sein dürfte, oder den digitalen Schlüssel auf dem Smartphone. Außerdem stellt Smart Software-Updates und Upgrades „over the air“ in Aussicht und Assistenten, die dem autonomen Fahren deutlich näher kommen als im aktuellen Modell. Und bei den Abmessungen streben sie wieder nach einem konkurrenzlosen Body-Space-Index: „Genau wie die aktuellen Smart-Modelle wird auch der erste Smart der neuen Ära ein besseres Verhältnis von Länge und Innenraum bieten als konventionelle Fahrzeuge“, stellt Wagener in Aussicht. Obwohl etwas kürzer als ein EQA dürfte der Viertürer deshalb spürbar mehr Beinfreiheit bieten. 

Das geht vor allem auf das Konto des chinesischen Daimler-Großaktionärs Geely, der im neuen Smart-Joint Venture die Technologie, die Entwicklung und auch die Produktion verantwortet. So trägt zwar die Karosserie noch die Linien Wageners, doch nutzt der Smart weder die Modulare Frontantriebs-Architektur der Stuttgarter Kompakten, noch eine geschrumpfte EQS-Plattform. Sondern er steht auf der Sustainable Experience Architecture (SEA) der Chinesen, die wie alle dezidierten Elektro-Plattformen wie ein Skateboard konzipiert ist und so viel Platz für die Insassen lässt. Zwischen den Achsen steckt dabei Technik, die mindestens eine halbe Generation weiter ist als bei EQA & Co – nicht umsonst verspricht Geely für andere Modelle auf der gleichen Architektur bis zu 700 Kilometer Reichweite und dank der 800 Volt-Technik stark verkürzte Ladezeiten. Natürlich wird der Smart nicht das volle Paket bekommen. „Doch die aktuell 160 Kilometer Reichweite sind für uns dann kein Maßstab mehr“, sagt Markenchef Daniel Lescow. Und auch die 22 kW-Ladung und die 130 km/h Höchstgeschwindigkeit dürften dann Geschichte sein. 

Zwar räumt Markenchef Lescow ein, dass die Fahrzeuglänge allein für Smart keine entscheidende Größe mehr ist, sondern dass die Anforderungen an Marke und Modelle neu definiert wurden. Und zumindest im Designstudio in Sindelfingen weint dem Fortwo offenbar kaum mehr jemand eine Träne nach. Doch so ganz vorbei ist die Spielzeit bei Smart noch nicht und ein wenig darf sich der Bonsai-Benz noch im Bällebad suhlen. Denn aktuell läuft der Fortwo in Hambach weiter tapfer vom Band und ein Datum für das Ende der Fertigung lässt sich Daimler nicht entlocken.

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